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PRESSEKONFERENZ/1265: Regierungspressekonferenz vom 13. Juli 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 13. Juli 2016
Regierungspressekonferenz vom 13. Juli 2016


Themen: Kabinettssitzung (Änderung des Luftsicherheitsgesetzes, Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen, Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfungen, Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen, Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen, Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr, Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung, Bericht des Außen- und des Entwicklungsministers über die Maßnahmen zur Stabilisierung in Herkunfts- und Transitstaaten), Lage im Südsudan, geplante Wahl von Theresa May zur neuen Premierministerin Großbritanniens, Völkermord an den Herero, künftiger Einsatz von Lang-Lkw in Deutschland, Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Übernahme von Tengelmann durch Edeka, Treffen des Russland-Nato-Rats, UN-Mission MINUSMA in Mali, Prämie für Elektroautos

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), Baer-Henney (BMJV), Henjes (BMVg), Franke (BMZ), Strater (BMVI), Alemany (BMWi)

Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Das Kabinett hatte heute eine sehr volle Tagesordnung. Ich gehe es deswegen schnell an.

Der erste Tagesordnungspunkt war der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes. Es haben sich EU-rechtliche Bestimmungen im Bereich der Luftsicherheit geändert, und nun wird das nationale Recht durch einige Justierungen angepasst. Das Ergebnis: Die Luftsicherheit wird weiter verbessert.

Ich will nur wenige Stichworte nennen: Im Bereich der Luftfracht wird jetzt die sogenannte sichere Lieferkette rechtlich geregelt, das heißt, es werden Vorgaben für die Zulassung und die Überwachung der beteiligten Unternehmen gemacht. Um schnell und wirksam auf mögliche Gefährdungslagen im Bereich der Luftsicherheit reagieren zu können, kann das Bundesministerium des Innern in Zukunft Einflug-, Überflug-, Start- oder Frachtbeförderungsverbote verhängen. Außerdem werden die Vorschriften über die Überprüfung der Zuverlässigkeit von Arbeitnehmern in sicherheitsrelevanten Bereichen verschärft.

Der zweite Tagesordnungspunkt, vom Bundesjustizminister vorgelegt, war der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen - viele Menschen würden sicherlich von Stalking sprechen. Das ist ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, das hiermit umgesetzt wird.

Bisher ist es so, dass die Strafbarkeit solcher Nachstellungen davon abhängt, ob eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers verursacht wird. Das heißt, mitentscheidend für die Frage, ob strafbar oder nicht, ist, wie das Opfer darauf reagiert. Nun machen wir eine Gesetzesänderung, die unabhängig von der Reaktion des Opfers die Strafbarkeit an die Handlungen des Täters anknüpft. Es genügt also in Zukunft, wenn die Nachstellung objektiv geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen. Das ist eine enorme Veränderung.

Auch durch eine weitere Änderung wird die Belastung für die Opfer von Nachstellung reduziert: Bisher hat der Staatsanwalt beziehungsweise die Staatsanwältin die Möglichkeit, ein Verfahren wegen Stalking einzustellen und auf den Weg der Privatklage zu verweisen. Diese Möglichkeit soll in Zukunft entfallen.

Als nächstes ging es im Kabinett um den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfungen. Das ist ein wichtiges Element im Kampf gegen die Kriminalität - auch gegen die organisierte Kriminalität. Die Bundesregierung verbessert mit diesem Gesetz die Möglichkeit für Gerichte und Staatsanwaltschaften, finanzielle Vorteile aus Straftaten einzuziehen. Künftig können alle direkt oder indirekt durch eine Straftat erworbenen wirtschaftlichen Vorteile vollständig nach dem sogenannten Bruttoprinzip abgeschöpft werden. Das sorgt dafür, dass sich Straftaten nicht lohnen. Damit verstärken wir den Kampf gegen Kriminalität. Gleichzeitig dient dieses Vorhaben dem Opferschutz, weil es eine grundlegende Neuregelung der Opferentschädigung vorsieht. Die Tatgeschädigten sollen einen einfachen und kostengünstigen Weg erhalten, um Schadenswiedergutmachung zu erlangen.

Als nächstes ging es um den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen. Ich glaube, auch diesen Titel muss man ein bisschen übersetzen: Es geht im Wesentlichen um elektronische Registrierkassen, die manipuliert werden können. Es ist möglich, in diesen Registrierkassen Aufzeichnungen zu löschen oder zu verändern, ohne dass man das im Nachhinein feststellen kann. Das öffnet natürlich Steuerausfällen, Steuerbetrug und Verzerrungen im Wettbewerb Tür und Tor und benachteiligt den Ehrlichen gegenüber dem Unehrlichen.

Nun sieht der Gesetzentwurf vor, dass elektronische Aufzeichnungssysteme künftig nur noch eingesetzt werden, wenn sie eine zertifizierte Sicherung aufweisen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik soll die technischen Anforderungen für die Sicherungssysteme definieren und zertifizieren. Es gibt ein neues Prüfinstrument, die Kassennachschau, das spontane, unangemeldete Kassenprüfungen durch die Steuerverwaltung ermöglicht. Die neuen Regeln gelten für alle, die elektronische Kassensysteme nutzen. Es wird weiterhin keine Pflicht zur Nutzung elektronischer Kassen geben, aber für diejenigen, die sie nutzen, gelten diese Regeln. Es gibt eine mehrjährige Übergangsfrist, um der Wirtschaft zu ermöglichen, sich auf die neuen Pflichten einzustellen.

Nächster Punkt: der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen - Stichwort BEPS. Das ist ein weiterer Baustein zur Umsetzung einer wichtigen Initiative der OECD und aus dem G20-Prozess. BEPS, ist das "Base Erosion and Profit Shifting" - das sind also Empfehlungen gegen Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung international tätiger Unternehmen. Die Bundesregierung will schädlichen Steuerwettbewerb und aggressive Steuergestaltungen zurückdrängen - daher dieser Gesetzentwurf. Große international tätige Unternehmen sollen ihren fairen Beitrag leisten. Das erhöht die Steuergerechtigkeit und ist auch im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen. Dieser Gesetzentwurf wird die Steuertransparenz stärken. Er stellt einen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden sicher. Mit der Übernahme der neuen Standards in nationales Recht setzt die Bundesregierung eine Forderung aus dem Koalitionsvertrag um und erfüllt darüber hinaus ihre europäischen und internationalen Verpflichtungen.

Die Verteidigungsministerin hat dem Kabinett das Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr vorgelegt. Das Bundeskabinett hat dieses beschlossen. Das ist, zehn Jahre nach dem letzten Weißbuch, eine aktuelle Kursbestimmung für die deutsche Sicherheitspolitik. Ich will es hier eigentlich ganz kurz machen, weil Sie ja wissen, dass die Verteidigungsministerin hier im Anschluss ab 12.30 Uhr eine Pressekonferenz geben wird und sicherlich auch für alle Ihre Fragen zur Verfügung steht.

Nächster Punkt: die Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung, ein gemeinsames Vorhaben von Jugendministerium, also Frau Schwesig, und Bundesinnenministerium, also Herrn de Maizière. Auch diese beiden Minister werden ihre Strategie heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz um 14 Uhr vorstellen; ich fasse mich deswegen kurz.

Es ist seit über einem Jahrzehnt so, dass die Bundesregierung Maßnahmen für Demokratieförderung und gegen Extremismus in jeglicher Form unterstützt. Nun ist also erstmals eine Strategie beschlossen worden, die einen umfassenden systematischen Überblick über die aktuellen Maßnahmen, die aktuellen Programme bietet, und auf dieser Grundlage kann die Regierung ihre Aktivitäten weiter verbessern. Die Strategie zielt darauf ab, dass man im ganzen Bundesgebiet dort ist, wo Extremismusprävention und Demokratieförderung betrieben werden müssen, also in Sozialräumen, Kommunen, Landkreisen, Institutionen, Vereinen, Verbänden sowie auch an Schulen und an vielen anderen Orten, an denen sich Menschen für die Stärkung der Demokratie und die Verteidigung der Menschen- und Freiheitsrechte einsetzen. Aber auch online will die Bundesregierung verstärkt Präsenz auf diesem Gebiet zeigen. Es soll überall mit Jugendlichen diskutiert werden, mit Lehrern, mit Eltern, mit sonstigen Bezugspersonen. Es sollen diejenigen unterstützt werden, die ihrerseits Ausstiegswilligen helfen, die Hass- und Hetztiraden im Netz entgegentreten. Auch in Gefängnissen soll aktiv Extremismusprävention s tattfinden. Die Handlungsansätze, die in dieser Strategie zu finden sind, sollen noch in dieser Legislaturperiode in einen erneuerten nationalen Aktionsplan gegen Rassismus einfließen.

Der ständige Tagesordnungspunkt Flüchtlingslage hat sich heute schwerpunktmäßig mit einem Bericht des Außen- und des Entwicklungsministers über die Maßnahmen zur Stabilisierung in Herkunfts- und Transitstaaten befasst. Die Stabilisierung fragiler Staaten ist natürlich ein ganz bedeutendes Element, um gewaltsame Konflikte einzudämmen und zu verhindern, dass Menschen keine Perspektive in ihren Heimatländern sehen und so keine andere Möglichkeit für sich sehen, als die Flucht oder die Migration anzutreten. Die Bundesregierung trägt dazu auf vielfältige Weise bei - von der politischen Einbringung in Prozesse wie die Genfer Syriengespräche, aber auch mit vielfältigen Maßnahmen, die die Lebens- und Zukunftsbedingungen der Menschen in Konfliktgebieten und den Nachbarregionen verbessern. Exemplarisch seien vielleicht genannt: die Minenräumung im Irak in Stätten, die vom IS befreit wurden, Versöhnungsprojekte in Libyen sowie die Förderung von Bildung, Ausbildung und Beschäftigung für Flüchtlinge und für aufnehmende Gemeinden in den Nachbarländern Syriens.

Soweit der Bericht aus dem Kabinett.

Chebli: Ich möchte sie über die Lage im Südsudan informieren. Der Krisenstab der Bundesregierung hat entschieden, deutsche, europäische und internationale Staatsangehörige aus dem Südsudan zu evakuieren. Diese Evakuierungsmaßnahme ist angelaufen und wird auf dem Luftweg mit Flugzeugen der Luftwaffe erfolgen. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich mich in diesem Raum nicht zu näheren Details zu dieser Maßnahme äußern kann. Es geht natürlich immer um große Sicherheitsüberlegungen, die hier im Hintergrund stehen und zu denen wir uns ja generell auch nicht äußern.

Wir haben jedenfalls - das kann ich Ihnen sagen - die Lageentwicklung in den vergangenen Tagen sehr genau im Blick gehabt, fortlaufend beobachtet und alle Optionen geprüft, um den im Land verbliebenen rund hundert deutschen Staatsangehörigen eine sichere Ausreise zu ermöglichen. Der Krisenstab der Bundesregierung hat in den letzten Tagen mehrfach getagt, und die Kollegen in der Botschaft vor Ort und im Krisenreaktionszentrum, also hier in der Zentrale, haben quasi rund um die Uhr an den Vorbereitungen gearbeitet. Denn bei all dem gilt: Die Sicherheit der Mitarbeiter von deutschen Entsendeorganisationen sowie auch unserer eigenen Mitarbeiter hat für uns höchste Priorität.

Vielleicht noch eine Ergänzung: Im Rahmen unserer konsularischen Zusammenarbeit mit unseren europäischen und internationalen Partnern werden nicht nur Deutsche evakuiert. Auch hier kann ich Ihnen natürlich aus Sicherheitsgründen und aus Persönlichkeitsgründen keine Details zu der Staatsangehörigkeit derjenigen, die mit evakuiert werden, geben.

Frage (zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfungen): Fällt es auch unter dieses Gesetz, wenn zum Beispiel dem VW-Konzern in Verbindung mit dem Abgasskandal strafrechtlich eine Täuschung nachgewiesen werden könnte? Könnten dann die Gewinne, die VW mit den entsprechenden Fahrzeugen gemacht hat, im Rahmen dieses Gesetzes abgeschöpft werden, oder können Sie das möglicherweise eh schon?

Baer-Henney: Wenn diese heute beschlossenen Regelungen in Kraft treten, ist es in der Tat so, dass eine Einziehung von Vermögen auch bei Vermögensdelikten beziehungsweise Eigentumsdelikten möglich wäre, wenn dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch gegen den Täter oder den Verurteilten zusteht. Das ist bislang immer ausgeschlossen gewesen. Zu Einzelfällen kann ich mich hier nicht äußern. Fest steht: Durch den heute beschlossenen Entwurf würden die Möglichkeiten, auch bei Betrugs- oder Diebstahlsfällen Vermögenswerte einzuziehen, geschaffen beziehungsweise erweitert. Zum konkreten Fall kann ich aber nichts sagen, das müssten Gerichte entscheiden.

Frage: Frau Chebli, welche Einwände gab es aus dem Auswärtigen Amt bezüglich des Weißbuches des Verteidigungsministeriums?

Chebli: Das Weißbuch ist das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Auswärtigen Amt. Als federführendes Ministerium für Sicherheitspolitik hat das Auswärtige Amt letztes Jahr einen Entwurf für den sicherheitspolitischen Teil vorgelegt, der zu weiten Teilen auch übernommen wurde. Da, wo es einen Dissens gab - das haben wir ja auch in der Öffentlichkeit offen kommuniziert; das gilt zum Beispiel für die Frage des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren -, haben wir einen Kompromiss gefunden, mit dem das Auswärtige Amt sehr gut leben kann, so wie wir auch mit dem gesamten Produkt sehr gut leben können. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie, wie Herr Seibert schon angeregt hat, alle Fragen bezüglich des Weißbuchs in der Pressekonferenz mit Frau von der Leyen stellen, damit wir hier ein bisschen Zeit sparen.

Zusatzfrage: War der Einsatz der Bundeswehr im Inneren der einzige Dissenspunkt für das Auswärtige Amt?

Herr Seibert, welchen Dissens gab es aus dem Kanzleramt?

Chebli: Ich dachte eigentlich, dass Sie die entsprechenden Pressemeldungen genau verfolgt haben - wir haben wirklich ziemlich offen kommuniziert, welche Vorstellungen wir bezüglich des Weißbuchs haben und wo wir einen Dissens sehen. Das betraf zum Beispiel die Frage des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren und die Rolle des Bundessicherheitsrats. Der dritte Punkt, bei dem wir Schwierigkeiten hatten, war die Schaffung eines eigenständen Verteidigungsministerrats der EU; da hatten wir andere Vorstellungen. Das, was jetzt im Endprodukt steht, entspricht komplett und voll unseren Vorstellungen. Der Kompromiss ist ein guter, das Weißbuch ist ein gutes; insofern ist das ein gutes Produkt der Bundesregierung.

StS Seibert: Genau in diesem Sinne wurde das ja auch im Kabinett vorgestellt, und zwar sowohl von der Bundesverteidigungsministerin als auch dann in der Wortmeldung des Außenministers, der dieses Weißbuch begrüßte und der ebenso wie Frau von der Leyen sehr positiv über den Abstimmungs-, Beratungs-, Konsultations- und Diskussionsprozess sprach. Ich glaube, es geht nicht um Dissens; vielmehr entsteht ein solches Weißbuch im Zusammenwirken vieler oder mehrerer zuständiger Akteure innerhalb der Bundesregierung. Dies war ein sehr konstruktives Zusammenwirken, es führte zu diesem Weißbuch, und die Verteidigungsministerin wird es Ihnen gerne erklären, wenn Sie sich nachher die Zeit nehmen, dabeizubleiben.

Frage: Frau Chebli, wird das Weißbuch der Frau von der Leyen in nächster Zeit eigentlich durch eine außenpolitisch geprägte Sicherheitsdoktrin des Außenministers ergänzt? Plant der Außenminister sozusagen eine Ergänzung dieses Weißbuchs aus seiner Sicht?

Chebli: Es ist ja ein Weißbuch der Bundesregierung, und die Bundesregierung insgesamt sowie das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium im Speziellen haben daran mitgewirkt und es geschrieben. Hier fließen also alle Vorstellungen des Auswärtigen Amtes mit den Leitlinien der deutschen Außenpolitik sowie den verteidigungspolitischen Leitlinien zusammen. Man kann das auch so verstehen, dass das quasi ein Produkt aus einem Guss ist. Für uns ist es auch Grundlage unseres Handelns in der Außenpolitik und in der Sicherheitspolitik.

Zusatzfrage: Die Antwort auf meine Frage lautet also: Nein?

Chebli: Die Frage, wie Sie sie gestellt haben, stellt sich für uns nicht. Das Weißbuch ist ein Produkt der Bundesregierung mit unseren gemeinsamen Vorstellungen, und es ist eine Antwort, die wir auf die gegenwärtigen Herausforderungen, vor denen wir in der Außen- und Sicherheitspolitik stehen - die ja immens sind, mit so vielen Krisen gleichzeitig und so unkalkulierbaren Akteuren -, geben.

Henjes: Ich kann das, was meine Kollegin Ihnen gesagt hat, nur deutlich unterstreichen: Es ist das Weißbuch der Bundesregierung in Federführung des Verteidigungsministeriums, und es ist deutlich im Konsens entstanden. Es ist ein Produkt, auf das wir - wie Sie gleich noch sehen werden - wirklich stolz sein können.

Frage (zum Bericht des Außen- und des Entwicklungsministers über die Maßnahmen zur Stabilisierung in Herkunfts- und Transitstaaten): Da sich das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium einmal ein bisschen näher damit befasst haben: Frau Chebli, können Sie uns einmal sagen, wie die Bundesregierung beziehungsweise wie das Auswärtige Amt Fluchtursachen definiert? Das haben wir ja seit Monaten nicht von Ihnen gelernt.

Chebli: Wenn Sie das nicht gelernt haben, dann tut es mir leid; denn wir haben hier sehr oft sehr viel dazu gesagt, was unsere Antwort auf die Frage ist, warum Menschen fliehen. Deswegen sehe ich mich jetzt, ehrlich gesagt, nicht in der Lage - ich glaube, dafür bräuchten wir ziemlich viel Zeit -, Ihre Frage so, wie Sie stellen, zu beantworten und hier über diesen gesamten Komplex zu reden. Wenn Sie Ihre Frage konkreter stellen, können wir gerne darüber reden.

Zusatzfrage: Die Frage war konkret: Wie definieren Sie Fluchtursachen? - Vielleicht will Herr Franke helfen?

Franke: Ich kann mich gern dem anschließen, was die Kollegin Chebli gerade gesagt hat. Es gibt verschiedene Fluchtursachen, insofern ist es immer schwer zu sagen: Das ist jetzt die eine Ursache dafür, dass sich Menschen auf den Weg machen. Wir haben auch - und das können Sie beispielsweise auch an den Schwerpunkten im BMZ sehen - verschiedene Ansätze. Es geht um das Thema Klima, es geht um das Thema Krisen und Konflikte kriegerischer oder nicht kriegerischer Art. Wie gesagt, es gibt verschiedene Ursachen für Flucht, und die jetzt einzugrenzen, fällt uns schwer.

Chebli: Vielleicht kann ich noch einmal ergänzen. Sie haben gestern mitbekommen, dass der Minister mit verschiedenen Akteuren - dem Internationalen Roten Kreuz, dem UNHCR, dem IOM, dem VN-Sondergesandten, dem EU-Kommissar - genau über dieses Thema gesprochen hat. Es ist auch nicht das erste Mal, dass dies geschieht, sondern es ist der zweite Round Table, zu dem wir eingeladen haben. Wir haben vor dem Hintergrund der Tatsache eingeladen, dass wir sagen: Wir müssen die internationalen Organisationen dabei unterstützen, Fluchtursachen zu bekämpfen und gut aufgestellt zu sein, um Hilfe dort zu leisten, wo sie gebraucht wird. Dieser zweite Round Table diente auch dazu, Planungssicherheit für die internationalen Organisationen zu schaffen.

Das ist - Herr Kollege, Sie müssen das verstehen: deswegen fällt es mir schwer, Ihnen eine Antwort zu geben - eine vielschichtige Antwort. Sie ist vielfältig. Es ist nicht eine. Ich kann Ihnen nicht sagen "Die Fluchtursache ist, dass die Menschen Hunger leiden", sondern sie fliehen vor Terror, sie fliehen vor Hunger, sie fliehen vor Armut. Es gibt verschiedene Fluchtursachen.

Unsere Aufgabe ist es, nicht nur die Fluchtursachen zu analysieren, sondern Antworten darauf zu geben, und die Antworten geben wir im Prinzip, seitdem es dieses Phänomen gibt, und zwar in vielfacher Hinsicht. Wir geben sie, indem wir zum Beispiel auf europäischer Ebene Antworten gegeben haben. Wir geben sie, indem wir als Auswärtiges Amt - lange bevor es im September kumuliert zu dieser Flüchtlingskrise gekommen ist - zu einer Syrien-Konferenz eingeladen haben, um die Nachbarstaaten zu stabilisieren und den Nachbarstaaten zu helfen, mit diesem Flüchtlingszustrom umzugehen. Es gibt so viele Maßnahmen, die wir betreiben! Wir als Auswärtiges Amt engagieren uns zum Beispiel hinsichtlich der Frage der Stabilisierung im Irak, in Syrien und in den Nachbarstaaten. Dabei geht es darum, vom IS befreite Regionen zu stabilisieren, um zu verhindern, dass die Menschen sich zum Beispiel wieder dem IS anschließen, oder um dafür zu sorgen, dass die Menschen in ihre Dörfer zurückkehren können.

Es gibt also eine Vielzahl an Maßnahmen, die wir betreiben, um zum einen Fluchtursachen zu bekämpfen und zum anderen Fluchtursachen auf verschiedensten Ebenen zu analysieren - national, international, auf VN-Ebene, auf EU-Ebene. Die Antwort ist wirklich eine sehr lange, und deswegen können wir gerne danach noch einmal darüber sprechen. Dann kann ich noch mehr darüber erzählen, was wir machen.

Zusatzfrage: Dann probiere ich es einmal anders: Für welche Fluchtursachen ist Deutschland mitverantwortlich?

Chebli: Die Bundesregierung arbeitet daran, Fluchtursachen zu bekämpfen. Punkt.

Zusatzfrage: Ja, und an welchen ist man mitschuldig?

Chebli: Das überlasse ich Ihnen, ehrlich gesagt. So eine Frage zu stellen, finde ich an sich und vor dem Hintergrund der Tatsache dessen, was die Bundesregierung als drittgrößter Geldgeber und mit all unserem Engagement alles tut, ehrlich gesagt fast unverschämt.

Frage: Herr Henjes, ich nehme an, die deutschen Soldaten, die an der UN-Mission im Südsudan beteiligt sind, werden nicht ausgeflogen.

Frau Chebli, auch wenn Sie hier keine Details nennen: Bestätigen oder dementieren Sie die recht detaillierte Schilderung bei "Spiegel Online"?

Handelt es sich aus Sicht der Bundesregierung um einen im Nachhinein zu mandatierenden Einsatz der Bundeswehr oder erneut um eine bewaffnete Dienstreise, womit die Regierung ja schon einmal vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist?

Henjes: Vielen Dank für die Frage, aber ich kann mich meiner Kollegin nur noch einmal anschließen: Hinsichtlich der Personen, die evakuiert werden, hinsichtlich der Anzahl und auch hinsichtlich des Status der Personen werden wir derzeit aus offenkundigen operativen Gründen der Sicherheit nichts sagen.

Zusatzfrage: Entschuldigung, meine Frage war, ob die deutschen Soldaten im UN-Einsatz auf ihrem Posten bleiben. Wenn man sich jetzt darauf zurückzieht, das sei eine Gefährdung, das sei ja wie bei Diplomaten oder Entwicklungshelfern, dann gibt es da doch einen gewissen Unterschied, oder nicht?

Henjes: Um noch einmal etwas dazu zu sagen: Hinsichtlich der Personen, die evakuiert werden, werden wir hier aus den bekannten Gründen nichts sagen. Hinsichtlich der Personen, die Sie eben benannt haben, wird sich der Auftrag nicht ändern.

Zusatzfrage: Aber werden die möglicherweise abgezogen?

Henjes: Der Auftrag hat sich nicht geändert.

Zusatzfrage : Heißt das, sie bleiben dort?

Henjes: Das können Sie so bewerten.

Zusatzfrage: Die zweite Frage an Frau Chebli?

Chebli: Die da wäre?

Zusatzfrage: Ob es sich aus Sicht der Bundesregierung bei diesem Einsatz der Bundeswehr um einen im Nachhinein vom Bundestag zu billigenden Einsatz handelt oder nicht.

Chebli: Nach gegenwärtigem Stand nicht.

Zusatzfrage: Weil eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung nicht zu erwarten ist?

Chebli: Zunächst einmal: Die Operation läuft. Wenn ich sage, dass wir uns zu den konkreten Details dieser Operation nicht äußern, dann gehört diese Frage dazu. Haben Sie deshalb bitte Verständnis dafür, dass ich mich zu den näheren Maßnahmen dieser Operation sowie dazu, in welchem Rahmen und unter welchen Sicherheitsbedingungen sie abgelaufen ist, nicht äußere. Vor diesem ganzen Hintergrund kann ich Ihnen diese Frage auch nicht mit einem klaren Ja oder Nein beziehungsweise mit konkreter "decisiveness" beantworten.

Zusatzfrage: Heißt das, die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Bundeswehreinsatzes berühren aus Ihrer Sicht Sicherheitsaspekte?

Chebli: Nein. Es ist - - -

Zuruf: Doch, das haben Sie gerade gesagt!

Chebli: Es ist eine diplomatische Evakuierung. Das ist kein militärischer Einsatz.

Zuruf: Gut, das ist doch schon einmal etwas. Das ist doch einmal eine Aussage!

Chebli: Ja, wenn es das war, was Sie wissen wollten, dann ist das leicht zu sagen.

Zusatzfrage : Es steht noch eine Frage im Raum. Ich hatte gefragt, ob Sie die Details, die "Spiegel Online" vermeldet, bestätigen, dementieren, gar nichts dazu sagen oder sie noch nicht gelesen haben.

Chebli: Ich habe das auf dem Weg hierher natürlich gelesen, aber ich kann das weder bestätigen noch dementieren noch gar nichts dazu sagen. Ich habe das, was ich dazu sagen wollte, hier in diesem Raum gesagt.

Frage: Frau Chebli, Sie sprachen von 100 Menschen. Das werden ja wahrscheinlich hauptsächlich Diplomaten oder Entwicklungshelfer sein. Was für Deutsche sind es noch?

Herr Henjes, ich habe gehört, dass auch noch andere Europäer ausgeflogen werden. Was für Europäer sind das? Wie viele?

Chebli: Ich habe doch nicht nur zu Herrn Wiegold am Anfang gesagt: Ja, die Zahl beträgt 100. Aber ich kann Ihnen vor dem Hintergrund auch des Persönlichkeitsschutzes dieser deutschen Staatsangehörigen keine weiteren Informationen geben. Ebenso wenig können ich oder Herr Henjes Ihnen Informationen über die Personen geben, die wir mit evakuieren.

Zusatzfrage: Können Sie wenigstens bestätigen, dass Sie auch andere, also Nicht-Deutsche, mit ausfliegen?

Chebli: Ja, das habe ich doch gesagt! Ich habe schon ganz am Anfang aktiv gesagt, dass im Rahmen unserer konsularischen Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen Partnern auch andere mit ausgeflogen werden.

Frage: Herr Henjes, wie viele Bundeswehrsoldaten befinden sich gerade in der Region?

Henjes: Es sind zurzeit, mandatiert unter dem UNMIS-Mandat, 15 Angehörige der Bundeswehr.

Zusatzfrage: 15?

Henjes: Ja. Das Mandat sieht eine Obergrenze von 50 vor, und wir haben dort 15 Soldaten.

Frage: Aber wenn da noch ein bisschen Spielraum besteht, Herr Henjes, kommt es dann infrage, dass noch 35 Soldaten mehr dorthin kommen?

Henjes: Nein.

Zusatzfrage: Warum?

Henjes: Es kommt nicht infrage.

Zusatzfrage: Ja, aber warum?

Henjes: Nein.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine Frage bezüglich Großbritanniens: Was erwartet die Bundeskanzlerin von der neuen Premierministerin Theresa May in Bezug auf den "Brexit"-Zeitplan?

Wie bewertet sie die ständigen Vergleiche mit Mrs. May?

StS Seibert: Zu Letzterem äußere ich mich nicht; das ist, glaube ich, Sache von Journalisten. Die Bundeskanzlerin ist Frau May persönlich noch nicht begegnet. Deswegen kann sie auch gar nicht selbst beurteilen, ob da Vergleiche gezogen werden können. Sie hat gestern erklärt, dass sie sich auf die Zusammenarbeit mit ihr freut und dass sie sicherlich auch bald mit ihr Kontakt haben wird.

Noch, will ich aber sagen, ist Frau May nicht Premierministerin, jedenfalls nach meinen Informationen. Ich werde ohnehin keine Erwartungen der Bundesregierung an die neue Premierministerin aussprechen, schon gar nicht, bevor sie im Amt ist. Ich glaube, dass das heute erst passieren wird und dass da erst ein Besuch bei der Königin gemacht werden muss.

Unsere Haltung zu dem britischen politischen Prozess nach dem Referendum ist, würde ich einmal sagen, ja nun wirklich oft und auch immer sehr klar benannt worden: Es ist an Großbritannien, sich darüber klar zu werden, wie es die künftigen Beziehungen zur Europäischen Union gestalten will. Bevor Verhandlungen beginnen können, muss Großbritannien entsprechend Artikel 50 den europäischen Partnern seine Mitteilung gemacht haben. Die Bundeskanzlerin hat klar gesagt und auch wiederholt, dass diese aus unserer Sicht bedauerliche Entscheidung nach dem Referendum zum Austritt aus der EU ein Einschnitt in der Geschichte der Europäischen Union ist. Gleichzeitig ist es unsere Überzeugung als Bundesregierung, dass die 27 Mitgliedstaaten die Kraft haben, ein starkes, erfolgreiches Europa zu sein. Es gibt innerhalb Europas einen Reflexionsprozess - das wissen Sie auch alles -, und nun wollen wir die britische Seite ihre Entscheidungen treffen lassen. Da gibt es heute keine neuen Erwartungen; die sind alle schon geäußert worden.

Frage: Herr Seibert, noch einmal zur Klärung: Gestern hatte die Kanzlerin zwei leicht widersprüchliche Aussagen zum Zeitplan gemacht. Gestern Nachmittag sagte sie, dieser Antrag müsse schon bald kommen; die designierte Premierministerin müsse sich da auch ein bisschen beeilen. Dann sagte sie - ich glaube, gestern Abend in einem Fernsehinterview - "Ich lasse ihr Zeit". Können Sie noch einmal kurz erläutern, wie sehr der Zeitdruck jetzt eine Rolle spielt? Oder ist das Signal aus Berlin an London jetzt erst einmal "Frau May, Sie haben Zeit, und wenn Sie dafür ein oder zwei Jahre brauchen, dann ist das für uns auch völlig okay"? Wie ist da jetzt die Ansage? Gibt es irgendeine konkrete Zeitvorgabe? Was ist erträglich, was ist nicht mehr erträglich?

StS Seibert: Es gibt da gar keinen Widerspruch. Die Bundeskanzlerin hat sich gestern so geäußert wie an nahezu allen Tagen seit dem Referendum. Es ist die Sache der britischen Regierung, sich darüber klar zu werden, welche zukünftige Beziehung zur Europäischen Union sie haben will. Es ist erst einmal an der britischen Regierung, einen neuen Premierminister zu finden. Dieser Prozess ist nun beschleunigt abgelaufen; damit hatten wir ja gar nicht gerechnet. Nun ist es schon im Juli so weit. Die inneren Prozesse Großbritanniens müssen ablaufen, und dann muss sich Großbritannien an seine europäischen Partner wenden. Wir haben ganz am Anfang für die Bundesregierung gesagt: Es darf keine Hängepartie werden. Das gilt weiterhin, ohne dass ich hier über Wochen oder so etwas sprechen will.

Zusatzfrage: Hat sich denn dadurch, dass sich der politische Stillstand in Großbritannien mit der heutigen Ernennung von Frau May offenbar auflöst - ja viel früher als gedacht, wie Sie eben sagten -, jetzt auch aufseiten der Bundesregierung die Erwartung erhöht, dass es vielleicht doch ein bisschen schneller gehen wird, oder bleibt aus ihrer Sicht die Frage, wann dieser Antrag gestellt werden wird, vom Zeitrahmen her von dieser Tatsache im Grunde genommen unberührt?

StS Seibert: Unberührt bleibt die Forderung, die, glaube ich, alle 27 europäischen Partner mit Recht vertreten, dass es keine Hängepartie werden kann. Wenn die britische Premierministerin nun schon heute ins Amt eingeführt wird und nicht, wie es ursprünglich einmal hieß, vielleicht erst Anfang September, dann heißt das, dass der Klärungsprozess innerhalb der neuen britischen Regierung etwas früher anfangen kann, als wenn sie erst im September ins Amt gekommen wäre.

Frage: Frau Chebli, die Bundesregierung bezeichnet den Mord an den Herero erstmals als Völkermord. Warum dieser Sinneswandel? Welche rechtlichen Konsequenzen hat das auch im Hinblick auf Entschädigungen?

Chebli: Es ist keinen Sinneswandel. Wenn Sie einmal die Ausführungen des Sprechers in der Regierungspressekonferenz zu dieser Frage schon vor vielen Wochen und Monaten vernommen hätten, dann wüssten Sie, dass wir ganz früh explizit von Völkermord gesprochen haben.

Die Bundesregierung führt mit Namibia im Übrigen seit 2014 einen Dialog über den gemeinsamen Umgang mit dieser sehr schmerzvollen Geschichte der Kolonialzeit. Seit der Ernennung im November 2015 - das wissen Sie ja wahrscheinlich auch - stehen die beiden Sonderbeauftragten in engem Kontakt, Herr Polenz und auf der anderen Seite Herr Ngavirue. Herr Polenz war in Namibia mehrfach vor Ort, um mit der namibischen Regierung genau über den Umgang mit der Kolonialgeschichte zu sprechen. Vergangene Woche hat das zweite Treffen in Namibia stattgefunden, und es wird sicherlich viele weitere Treffen geben. Beide Seiten hoffen, dass die Gespräche noch in diesem Jahr abgeschlossen werden können.

Wir streben eine gemeinsame Regierungserklärung mit folgenden Elementen an: gemeinsame Sprache zu den historischen Ereignissen und deutsche Entschuldigung sowie deren Annahme durch Namibia. Für uns ist es so, dass diese Regierungserklärungen auch als Grundlage von Resolutionen beider Parlamente dienen können.

Was jetzt die Frage der Entschädigungen, wie Sie es genannt haben, oder Rechtsfolgen angeht: Zunächst einmal hat das keine Rechtsfolgen, und nicht nur zunächst einmal. Es gibt vielmehr hinsichtlich der Frage der Entschädigung keine Konsequenz aus der Frage, wie wir mit der Geschichte umgehen oder wie wir die Geschichte bezeichnen. Das haben wir an dieser Stelle auch schon mehrfach geäußert, und an dieser Haltung hat sich im Prinzip nichts geändert.

Frage: Herr Strater, zum Stichwort Lang-Lkw: Die Ursprungssituation war ja die, dass die Unionsparteien dafür waren und die SPD dagegen war. Bei der SPD ist der Widerstand erheblich gebröckelt, insbesondere in den Ländern. Deshalb sah sich der SPD-Verkehrspolitiker und Ausschussvorsitzende Burkert zu dem Kompromissvorschlag genötigt, wie ich einmal sage, diese überlangen Fahrzeuge sozusagen im kombinierten Verkehr einzusetzen. Wäre das für Ihr Haus ein gangbarer Weg?

Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich auch die Frage, ob der Minister, wie aus der Länderverkehrsministerkonferenz kolportiert wird, den Regelversuch über den 31. Dezember hinaus um möglicherweise ein Jahr verlängern will.

Strater: Es ist so: Wir haben ja mit dem Feldversuch zum Lang-Lkw, den wir gestartet haben, äußerst positive Erfahrungen gemacht. Es gibt Effizienzgewinne. Es gibt Kraftstoffersparnisse. Um es plastisch zu machen: Man braucht für dasselbe Gütervolumen mit einem langen Lkw zwei statt drei Fahrten. Man kann also Fahrten einsparen. Wir haben in dem Feldversuch auch gesehen, dass kein erhöhter Erhaltungsaufwand für die Infrastruktur notwendig ist und dass es keine Verlagerungseffekte von der Schiene auf die Straße gibt. Es gibt derzeit rund 60 - genauer: 59 - Unternehmen, die sich mit rund 150 Lang-Lkw an unserem Feldversuch beteiligen. Aufgrund der positiven Erfahrungen, die wir gemacht haben, will der Minister auch, dass der Lang-Lkw in den Regelbetrieb geht. Das heißt, dass auf Basis des Positivnetzes, im Rahmen dessen diese Lang-Lkw jetzt schon fahren, auch weitergefahren werden soll.

Zusatzfrage: Heißt das, dieser Feldversuch, der ja Ende des Jahres beendet werden würde, wird nicht befristet verlängert, sondern wird auslaufen, und dann werden - möglicherweise gegen die Stimmen des Koalitionspartners SPD - diese Fahrzeuge auf Autobahnen zugelassen?

Strater: Wir haben ja jetzt schon ein Positivnetz, und die Länder haben auch gemeldet, dass die Lang-Lkw fahren dürfen. Das umfasst bereits die Hälfte des Autobahnnetzes. Der Minister hofft, dass weitere Strecken hinzukommen werden. Er möchte, wie gesagt, den Regelbetrieb des Lang-Lkws aus den von mir genannten Gründen ermöglichen.

Frage: Ich würde gerne das Wirtschaftsministerium und vielleicht auch das Justizministerium befragen. Gibt es nach dem gestrigen Urteil des Düsseldorfer Oberlandesgerichts zum Fall Edeka/Tengelmann irgendeine Konkretisierung des Begriffs Gemeinwohl oder des Begriffs Gemeininteresse, auf die sich das Wirtschaftsministerium stützen kann und die eine solche Ministererlaubnis möglich macht? Wenn es die nicht gibt, ist sie dann, um solche Entscheidungen einfach objektivierbarer zu machen - im Zuge einer Gesetzesänderung oder wie auch immer -, vielleicht notwendig, diesen Begriff des Gemeinwohls oder des Allgemeininteresses zu ergänzen, zu definieren beziehungsweise konkreter zu fassen?

Alemany: Ich kann Ihnen gerne die rechtlichen Voraussetzungen erläutern, die es bedarf, um eine Ministererlaubnis zu erteilen. Diese fußt, wie Sie wissen, auf 42 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Dort wird relativ deutlich, wonach Sie fragen, Herr Heller. Ich lese den Passus einmal vor:

"Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie erteilt auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist."

Wie Sie wissen - und wie wir auch in unserer Entscheidung öffentlich zugänglich gemacht haben -, sehen wir die Ministererlaubnis und das Gemeinwohl durch unsere Ministererlaubnis als gegeben an.

Baer-Henney: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage : Das ist richtig. Aber mit Ihrer Einschätzung sind Sie vor dem Gericht gescheitert. Von daher drängt sich ja die Frage auf: Muss man diese Begriffe - überragendes gesamtwirtschaftliches Interesse, Allgemeinwohlinteresse - nicht in irgendeiner Weise konkreter fassen, definieren, um solche Entscheidungen und die damit verbundenen Unsicherheiten, die für die Betroffenen ja üble Konsequenzen haben können, in Zukunft zu verhindern?

Ganz konkret an das Bundeswirtschaftsministerium gefragt: Hat man vor, sich im Zuge der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die man auf den Weg gebracht hat, noch einmal mit dem Thema Ministererlaubnis zu befassen, um möglicherweise Änderungen vorzunehmen?

Alemany: Nein, das steht nicht auf der Tagesordnung.

Ich kann Ihnen noch einmal sagen, dass für unser Haus - für das Bundeswirtschaftsministerium - nicht nachvollziehbar ist, dass Arbeitnehmerrechte vom Gericht nicht als Gemeinwohlgrund angesehen werden. Schließlich geht es dabei um 16 000 Jobs.

Zusatzfrage: Wenn man so eine klare Auffassung hat, was macht das Wirtschaftsministerium jetzt? Welche rechtlichen Möglichkeiten hat es? Oder steht möglicherweise gar an, diese Definition, die ich angesprochen habe, höchstrichterlich prüfen zu lassen?

Alemany: Das OLG Düsseldorf hat gestern den vorläufigen Beschluss gefasst, wie Sie auch der Pressemitteilung des Gerichts entnehmen konnten. Wir werden uns das jetzt genau anschauen, die Kritikpunkte auswerten und dann entscheiden, ob wir weitere rechtliche Schritte beim BGH angehen möchten.

Vielleicht noch ein kleiner Hinweis: Unser Minister wird um 13.30 Uhr bei uns im Wirtschaftsministerium eine Pressekonferenz geben und dort zu allen Kritikpunkten des Gerichts und seinen Entscheidungs- und Erwägungsgrundsätzen Stellung nehmen. Sie haben dann die Möglichkeit für Einzelfragen. Dem möchte ich jetzt nicht vorgreifen.

Frage: Ich habe eine Frage an Frau Chebli und Herrn Henjes zum heutigen Treffen des Russland-Nato-Rats. Welche Erwartung hat die Bundesregierung an die russische Seite, was diese Sitzung angeht? Erwartet man, dass die Russen jetzt Verständnis für die Beschlüsse des Warschauer Gipfels zeigen oder geht es um ganz konkrete Fragen, so zum Beispiel der Transporte oder der Prävention der Zwischenfälle im Luftraum?

Chebli: Wie Sie wissen, hat sich Bundesaußenminister Steinmeier beim letzten Gipfel in Warschau und auch davor sehr stark dafür eingesetzt, dass wir neben der Bedeutung, die wir der Verteidigungsbereitschaft beimessen, immer auch den Dialog im Blick haben. Wir haben im Vorfeld eine Debatte angestoßen. Wir haben das Gefühl, dass der Gipfel in Warschau auch von dieser Debatte mit geprägt ist. Wenn Sie sich die Gipfelerklärung von Warschau anschauen und sie mit den Vorgängergipfelerklärungen vergleichen, dann kann man sehen, dass das Faktum Dialog doch eine große Rolle gespielt hat.

Die Tatsache, dass es heute zum zweiten Mal zu einem Treffen des Nato-Russland-Rats kommt, begrüßen wir sehr. Es ist ein sehr wichtiges und sehr gutes Zeichen für die weitere Zusammenarbeit. Es geht heute vor allem darum, offen und transparent zu kommunizieren, was auf dem Gipfel entschieden worden ist, dass die Nato erklärt, warum wir diese Entscheidung getroffen haben und dass keine dieser Entscheidungen gegen Russland gerichtet ist. Der Minister hat gesagt:

"Es ist eine Chance, die Entscheidung von Warschau zu erläutern und dann auch wieder zu einem ernsthaften und kontinuierlichen Dialog mit Russland zu kommen - gerade auch zu den schwierigen Themen unserer Friedensordnung und europäischen Sicherheitsarchitektur."

Das ist die Hoffnung, die wir in Bezug auf die Sitzung des Rats haben, dass man transparent und offen über Fragen diskutiert, die im beiderseitigen Interesse sind. Wir hoffen, dass das sozusagen der Startschuss für einen kontinuierlichen und dauerhaften Dialog zwischen der Nato und Russland ist.

Zusatzfrage: Geht es auch um konkrete Maßnahmen, um bestimmte Zwischenfälle im Luftraum zu verhindern beziehungsweise um Prävention, was diese Zwischenfälle angeht?

Chebli: Ja, auch um solche Fragen wird es gehen. Es gibt auf der Ebene der Militärs eine Möglichkeit, sich zwischen der russischen Seite und der Nato abzustimmen, wie es genau eben nicht zu Zusammenstößen aufgrund der Tatsache kommt, dass man vorher nicht miteinander abspricht, wie und wo man fliegt. Um all diese Fragen wird es gehen: Vertrauensbildung, Transparenz und einen Dialog, von dem wir hoffen, dass er dauerhaft geführt wird.

Vorsitzender Feldhoff: Ergänzungen, Herr Henjes?

Henjes: Ich habe dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Frage: Herr Henjes, können Sie uns kurz aus Ihrer Sicht erklären, was in Mali los ist? Wie geht es den Bundeswehrsoldaten dort? Warum haben Sie uns, was den Angriff der UN-Blauhelme angeht, nicht verraten, dass niederländische Apache-Kampfhubschrauber für Feuerschutz gesorgt haben?

Henjes: Erst einmal zu der allgemeinen Frage, was in Mali los ist: Sehen Sie es mir nach, dass ich auch dazu nichts sagen kann.

Zu der Frage hinsichtlich des Einsatzes der niederländischen Apache-Hubschrauber: Wenn Sie sozusagen negativ anmerken, dass wir zum Zwischenfall während des Konvois nichts gesagt haben, kann ich nur sagen, dass wir uns bei diesen Einsätzen üblicherweise häufig - eigentlich immer und ständig - im internationalen Verbund befinden. Das bedeutet, auch der Schutz eines solchen unter internationalen Auftrags stehenden Konvois wird international gewährt. Insofern ist das etwas völlig Normales. Wir reden eigentlich überwiegend über den Einsatz unserer Kräfte und weniger über den Einsatz anderer Kräfte, die den gleichen Auftrag in den jeweiligen Einsatzgebieten durchführen.

Zusatzfrage: Reden Sie eigentlich schon von Krieg? Ist das dort Krieg?

Henjes: Ich habe den Begriff "Krieg" in diesem Zusammenhang nicht genutzt.

Frage: Die kurze Lernfrage: Ich habe Sie jetzt richtig verstanden, dass wir bei jeglichen Meldungen vonseiten des BMVg über Aktivitäten deutscher Soldaten in einem multinationalen Umfeld davon ausgehen müssen, dass Soldaten anderer Nationen dabei sind, diese aber nicht erwähnt werden. Das habe ich richtig verstanden?

Henjes: Ich möchte das hier noch einmal unterstreichen: Wenn wir - sei auf unser Homepage, sei es hier in der Regierungspressekonferenz, sei es im persönlichen Gespräch - über den Einsatz im Ausland sprechen, dann sprechen wir in erster Linie über den Einsatz unserer Kräfte. Das hat etwas mit der Achtung der Souveränität anderer Staaten zu tun. Wir reden nicht über die Frage der Nutzung anderer Streitkräfte. Wenn es darum geht, was EU oder VN machen, dann möchte ich Sie bitten, sich an diese zu wenden.

Im Übrigen heißt das aber nicht, dass wir, wenn wir über den Einsatz unserer Kräfte reden, nicht auch manchmal erwähnen, was andere Kräfte in diesem Zusammenhang getan haben. Das bedeutet aber grundsätzlich: im internationalen Auftrag geschieht das im Verbund. Das bedeutet, dass andere Kräfte wohl überwiegend daran beteiligt sind.

Frage: Ich habe eine kurze Frage an das Verkehrs- oder das Wirtschaftsministerium. Die Antragszahlen für die neue Prämie für Elektroautos sind überschaubar, sage ich einmal. Heißt das landläufig gesagt, dass die so lange ausgehandelte Prämie ein Schuss in den Ofen ist oder passiert da noch etwas? Sind noch irgendwelche Sonderfaktoren zu erwarten, die zu einem riesigen Aufschwung der Antragszahlen führen werden?

Alemany: Ich für mein Haus kann nur sagen: Wir werten nicht, ob das schnell, viel oder wenig ist. Ich kann vielleicht als Hinweis geben, dass das BAFA einmal in der Woche die Anzahl der Anträge online veröffentlicht.

Strater: Ich habe das nicht zu ergänzen.

Mittwoch, 13. Juli 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 13. Juli 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/07/2016-07-13-regpk.html;jsessionid=6DA8C4C494C5AAA85AB1E85D1660811E.s7t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2016

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