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PRESSEKONFERENZ/1286: Regierungspressekonferenz vom 24. August 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 24. August 2016
Regierungspressekonferenz vom 24. August 2016

Themen: Kondolenzschreiben der Bundeskanzlerin an den italienischen Ministerpräsidenten zum Erdbeben in Zentralitalien, Kabinettssitzung (Konzeption Zivile Verteidigung, Verbraucherpolitischer Bericht der Bundesregierung 2016, Asyl- und Flüchtlingspolitik), Reise von Staatsminister Roth in die Türkei, 25. Jahrestag der Gründung des Weimarer Dreiecks, 25. Jahrestag der ukrainischen Unabhängigkeit, Raketentest von Nordkorea, allgemeine Wehrpflicht, Lage in der Ukraine, Reise der Bundeskanzlerin nach Warschau, Türkei, Lage in Syrien, Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Finanzierungsüberschuss im ersten Halbjahr 2016, Geschäftsklimaprognose des ifo Instituts über die Wirtschaft in Ostdeutschland, Forderungen nach einer Nachverhandlung von CETA, gemeinsame Erklärung des deutschen und des französischen Innenministers in Bezug auf Maßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit in der Europäischen Union, staatliche Abgabe auf zuckerhaltige Getränke, Medienbericht über steigende Zahl von Frühverrentungen von Hartz-IV-Beziehern, Armuts- und Reichtumsbericht

Sprecher: SRS'in Demmer, Schäfer (AA), Nannt (BMVg), Kolberg (BMF), Urban (BMEL), Alemany (BMWi), Berve-Schucht (BMG), Küchen (BMAS)


Vors. Maier eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN DEMMER sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Demmer: Die Bundeskanzlerin hat dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi kondoliert. Ich würde dieses Telegramm gerne verlesen:

"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

tief betroffen habe ich von dem schweren Erdbeben in Zentralitalien erfahren. Die Bilder der Verwüstungen sind schockierend. Angesichts des Leids und der massiven Zerstörung möchte ich Ihnen das tiefe Mitgefühl des deutschen Volkes übermitteln. Ich bitte Sie, den Angehörigen der Verstorbenen unser aufrichtiges Beileid zu überbringen. Den Verletzten wünschen wir rasche Genesung."

Dann komme ich zum Kabinett. Die Bundesregierung hat heute die vom Bundesminister des Innern vorgelegte Konzeption Zivile Verteidigung beschlossen. Die Neukonzeption ist bereits seit Langem geplant und hat nichts mit aktuellen Gefährdungssachverhalten oder etwaigen aktuellen Terrorgefahren zu tun. Das ist hier am Montag schon klar zum Ausdruck gebracht worden. Dieses Konzept geht aus einer Einigung im Koalitionsvertrag hervor. Innenminister de Maizière wird das Konzept in knapp einer Stunde vorstellen. Deshalb werde ich mich hier kurzhalten.

Gegenstand der Konzeption ist die künftige Ausgestaltung der Aufgaben, die im Spannungs- und Verteidigungsfall anstehen. Das sind die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen, der Schutz der Bevölkerung, die Versorgung mit den notwendigen Gütern und Leistungen sowie die sonstige Unterstützung der Streitkräfte bei der Aufrechterhaltung der Operationsfreiheit.

Eine zügige und effektive Reaktion in einer Gefahrenlage erfordert klare Planungen und Reaktionsmechanismen, die rechtzeitig vorbereitet werden müssen. Das Kabinett hat mit dem heutigen Beschluss der Konzeption dazu eine gemeinsame Richtung vorgegeben.

Des Weiteren hat das Bundeskabinett heute den Verbraucherpolitischen Bericht der Bundesregierung 2016 beschlossen. Er ergänzt den bereits im Juni 2016 vorgelegten Bericht der Bundesregierung zur Ernährungspolitik sowie zur Lebensmittel- und Produktsicherheit, der über die verbraucherpolitischen Entwicklungen in diesen Bereichen informiert hat.

Im Berichtszeitraum 2012 bis 2016 konnten national und auf europäischer Ebene wichtige Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht werden. Insbesondere in den Bereichen Digitales, Miete, Finanzdienstleistungen, Energie und Telekomunikation hat die Bundesregierung auf aktuelle Herausforderungen für die Verbraucher reagiert.

Im Bereich Verbraucherschutz und Energie fördert die Bundesregierung unter anderem eine Vielzahl von Beratungsangeboten und ein nationales Effizienzlabel für Heizungsaltlagen. Zudem hat die KfW Förderprogramme zum energieeffizienten Bauen und Sanieren ausgebaut. Verbraucher haben außerdem gegenüber ihrem Telekommunikationsanbieter Anspruch auf bestimmte vorvertragliche Informationen und Auskunft zur aktuellen Datenübertragungsrate ihres Mobilfunk- oder Festnetzanschlusses. Seit August 2016 können sie zudem den Router für ihren Anschluss frei wählen. Auf europäischer Ebene ist beispielsweise die EU-Datenschutz-Grundverordnung hervorzuheben, die einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten geschaffen hat.

Darüber hinaus hat sich das Kabinett heute wieder mit der Thematik Asyl und Flüchtlinge beschäftigt. Heute hat erneut der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, zum Stand der Prozessoptimierung berichtet. Ergänzend hat Bundesinnenminister de Maizière zu diesem Thema vorgetragen. Das BAMF verfolgt für 2016 weiterhin folgende operative Ziele: Das neu entwickelte Ablaufmodell des Asylverfahrens mit schnellerem Durchlauf wird bundesweit implementiert. Eine ausreichende Anzahl von Integrationskursplätzen wird sichergestellt. Damit wird der Bedarf der Asylsuchenden mit guter Bleibeperspektive beziehungsweise der Schutzberechtigten gedeckt. Laufende Asylverfahren werden zeitnah abgearbeitet.

Schäfer: Ich habe mehrere Sachen, die ich Ihnen mitteilen möchte. Vielleicht fange ich zunächst einmal mit der Reise von Staatsminister Roth in die Türkei an. Wir haben an dieser Stelle schon vorgestern und auch letzte Woche darüber gesprochen. Es ist in der Tat so, wie ich es bereits vorgestern gesagt habe: Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Herr Roth, wird heute Abend zu einer Reise in die Türkei aufbrechen. Er wird sich dort morgen und übermorgen aufhalten und zahlreiche Gespräche in Ankara und auch in Istanbul führen. Er führt Gespräche mit seinem Amtskollegen, mit Abgeordneten des türkischen Parlaments, mit Vertretern der Zivilgesellschaft sowie mit Menschen aus Kunst, Kultur und Wissenschaft. Diese Reise ist einer der vielen Ausdrücke des engen Austauschs, den wir mit unseren Partnern in der Türkei pflegen und auch weiter pflegen wollen.

Zweitens. Der Außenminister weiß, dass der Tag der offenen Tür der Bundesregierung am Samstag und Sonntag stattfindet. Gleichwohl wird er Berlin am Sonntag für einige Stunden verlassen. Ich würde Ihnen gerne mitteilen, warum. Herr Steinmeier hat für den kommenden Sonntag seine beiden Amtskollegen aus Polen und Frankreich, Witold Waszczykowski und Jean-Marc Ayrault, nach Weimar eingeladen. Der Anlass ist ein schöner und wichtiger, nämlich der 25. Jahrestag der Gründung des Weimarer Dreiecks. Das Weimarer Dreieck kehrt, wenn Sie so wollen, an diesem Jahrestag an seine Wurzeln zurück. Das ist ein Tag der Freude. Es ist schön, dass an diesem Tag an dem Ort, an dem alles begann, die Feierlichkeiten unter Beteiligung der drei Außenminister stattfinden können.

Lassen Sie mich dazu sagen, dass für die Bundesregierung, für den Außenminister das Weimarer Dreieck seit 25 Jahren ein ganz wichtiger Grundpfeiler des europäischen Einigungsprozesses ist und auch bleiben soll. Das Weimarer Dreieck hat an verschiedenen sehr wichtigen historischen Wegmarken in den letzten 25 Jahren Großes bewirkt und erreicht. Wir wünschen uns, dass das auch in Zukunft so weitergehen kann. Für Herrn Steinmeier bleibt das Weimarer Dreieck, gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen, vor denen wir alle gemeinsam in Europa stehen, ein zentrales Forum des Austauschs dieser drei Partnerländer und drei wichtiger Mitgliedsländer der Europäischen Union.

Drittens. Jetzt versuche ich mich einmal auf Ukrainisch: "Slava Ukraini!" oder wie man auf Deutsch sagen würde: Es lebe die Ukraine! Heute ist der 24. August 2016. Das ist der 25. Jahrestag der ukrainischen Unabhängigkeit. Wir gratulieren der Ukraine sowie allen Ukrainerinnen und Ukrainern zu ihrem Nationalfeiertag und zu dem 25-jährigen Weg der Freiheit und der Unabhängigkeit, die dieses große europäische Land seither gegangen ist. Ich glaube, die Ukraine und die Menschen in der Ukraine können stolz darauf sein, was sie in den letzten 25 Jahren, insbesondere in den letzten beiden Jahren, erreicht haben. Wir freuen uns, dass eine freie, eine unabhängige Ukraine seit 25 Jahren ein wichtiger Teil der europäischen Staatenfamilie ist. Seither ist ganz viel geschehen. Es hat für die Ukraine lange und gute Jahre, aber auch bewegte und schwierige Zeiten gegeben, wie auch heute, in denen die Ukraine aus bekannten Gründen schwierige Zeiten durchlebt.

Ich möchte Ihnen für die Bundesregierung und für den Außenminister sagen, dass Deutschland an der Seite der Ukraine steht und weiter dazu bereit ist, mit aller Kraft seinen Teil dazu beizutragen, dass sich die Ukraine gut entwickelt, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Marktwirtschaft festen Platz greifen und dass die Menschen in der Ukraine die Chance bekommen, ein gutes Leben zu leben.

Erlauben Sie mir zum Abschluss, dass ich aus wiederholt traurigem und auch unnötigem Anlass ein paar Worte zu Nordkorea sage. Die Bundesregierung verurteilt den erneuten und durch nichts zu rechtfertigenden völkerrechtswidrigen Raketentest Nordkoreas von heute Nacht in aller Schärfe. Wir werden es nicht hinnehmen, wenn Pjöngjang zum wiederholten Mal absichtlich die Sicherheit von Nachbarstaaten gefährdet. Nordkorea hat mit diesem Test erneut geltende Beschlüsse der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vorsätzlich verletzt. Das kann und wird die internationale Staatengemeinschaft nicht tolerieren. Das Regime in Pjöngjang sollte auch nicht meinen, durch eine immer raschere Folge von Verstößen gegen das Sanktionsregime der Vereinten Nationen einen Gewöhnungseffekt zu erzielen. Das Gegenteil ist der Fall: Das rücksichtslose Verhalten Nordkoreas wird nur weiter bewirken, dass der Druck und die Beharrlichkeit der internationalen Gemeinschaft gegen diese untersagten Aktivitäten zunehmen und eine internationale Isolation Nordkoreas näher rückt.

Deutschland fordert Nordkorea nachdrücklich auf, von weiteren Provokationen nunmehr Abstand zu nehmen. Wir werden dies den Nordkoreanern wieder direkt über die gebotenen Kanäle sehr deutlich machen. Wir schließen uns der heutigen Erklärung der Außenminister Japans, Chinas und Südkoreas ausdrücklich an.

Frage : Ich möchte die Gelegenheit nehmen, von der Bundesregierung ihre Haltung zum Thema allgemeine Wehrpflicht zu erfragen. Ist eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht für die Bundesregierung eine Option?

SRS'in Demmer: Nein.

Frage : Direkt daran anschließend: In Bezug auf die Konzeption Zivile Verteidigung hat dpa gestern berichtet, dass von der Bundesregierung eine Wiedereinführung der Wehrpflicht erwogen werde. Das steht nicht in der Konzeption. Das ist auch nicht im Kompetenzbereich des Bundesinnenministers. Ist auf einer anderen Ebene darüber gesprochen worden?

Nannt: Ich kann aus der Sicht des Verteidigungsministeriums etwas dazu sagen. Wie Sie wissen, ist die Wehrpflicht seit fünf Jahren ausgesetzt. Es gibt keinerlei Überlegungen, diese wieder einzuführen. Insofern kann ich die Ausführung von Frau Demmer nur bestätigen.

Frage : Frau Demmer, wenn Sie schon so überzeugt Ja sagen - also Ja zur Aussetzung, Nein zu einer Wiedereinführung -, warum schafft die Bundesregierung die Wehrpflicht dann nicht grundsätzlich ab, statt sie nur auszusetzen?

SRS'in Demmer: Es war eine grundsätzliche Erwägung, sie auszusetzen. Daran haben wir jetzt keinen Zweifel. Daran, wie wir das umgesetzt haben, besteht kein Zweifel. Das wollen wir jetzt nicht ändern.

Zusatzfrage : Herr Nannt, wenn doch eine Aussetzung das Regel-Ausnahme-Verhältnis ändert, warum erfolgt dann, wenn sie erfolgreich ausgesetzt ist - die Bundesregierung scheint das als erfolgreich zu beurteilen -, nicht doch der logische Schritt zu sagen: "Wir schaffen sie ab"? Was spricht dagegen?

Nannt: Der Schutz der Bevölkerung ist ein Kernbestandteil der Aufgaben des Staates. Um das vielleicht einmal deutlich zu machen: Der Gesetzgeber hat 2011 entschieden, dass die einschränkenden Regeln, also die Wehrpflicht, außerhalb des Spannungs- und Verteidigungsfalls nicht gelten. Es ist natürlich wichtig, dass man Vorsorge trifft. Das Konzept zur zivilen Vorsorge ist nicht in unserer Zuständigkeit. Die Aussetzung der Wehrpflicht gibt es deswegen, weil wir sie aufgrund der Sicherheitslage nicht benötigen. Aber natürlich ist es im Rahmen der Vorsorge für den Spannungs- und Verteidigungsfall wichtig, dass wir die Wehrpflicht noch weiter als Fortbestand haben.

Frage : Ich habe eine Frage an das BMF. Ist im Zusammenhang mit der neuen Konzeption Zivile Verteidigung eine Änderung der mittelfristigen Finanzplanung im Hinblick auf Mittel dafür erforderlich?

Kolberg: Das ist mir nicht bekannt.

Frage: Meine Frage betrifft Berichte, wonach Frau Merkel bei dem nächsten G20-Gipfel in China mit Präsident Hollande und Präsident Putin die Lage in der Ukraine besprechen wird. Können Sie dies bestätigen, Frau Demmer?

SRS'in Demmer: Es wird am Rande, wie bei jedem Gipfel, Gespräche geben. In welchem Format sich die Kanzlerin dort trifft, steht aber noch nicht fest.

Zusatzfrage: Das heißt, das Treffen ist noch nicht bestätigt und noch nicht besprochen worden?

SRS'in Demmer: Ich kann Ihnen einfach nicht sagen, in welchem Format die Kanzlerin das Thema dort besprechen wird.

Frage: Frau Demmer, ich habe eine Frage bezüglich der Reise der Kanzlerin nach Warschau und der Begegnung mit den Regierungschefs der Visegrád-Staaten. Ich würde gerne wissen, wie die Bundesregierung zurzeit die Haltung der Visegrád-Staaten im Hinblick auf die EU-Flüchtlingspolitik bewertet und was sich die Kanzlerin von dieser Reise am Freitag erwartet.

SRS'in Demmer: Wie der Kollege Seibert hier schon mehrfach erläutert hat: Alle Treffen, die sich die Kanzlerin in dieser Woche vorgenommen und schon absolviert hat, dienen der Vorbereitung des informellen Treffens zur Zukunft der EU am 16. September in Bratislava. Es geht darum, den Reflexionsprozess, der schon angestoßen worden ist, in Bezug auf die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten, also ohne Großbritannien, anzuschieben und weiter zu begleiten. Die Treffen dienen der Vorbereitung dieses Treffens in Bratislava.

Zusatzfrage: Wie ist die Bewertung der Haltung?

SRS'in Demmer: Bei solchen Treffen wird genau das besprochen. Bei 27 Mitgliedstaaten sind nicht immer alle einer Meinung. Diese Treffen dienen der Vorbereitung, um am Ende ein zukunftsfähiges Europa zu haben.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Die Türkei ist heute nach Nordsyrien vorgedrungen. Wie beurteilen Sie, dass sich nun ein neuer Player auf dem Schlachtfeld tummelt im Zusammenhang mit den Zielen, nämlich der Bekämpfung des IS?

Gleich noch eine Zusatzfrage: Wie beurteilen Sie, dass nun möglicherweise auch kurdische Kämpfer im Fadenkreuz der Türkei sind und dass das unter Umständen neue Komplikationen verursachen wird?

Schäfer: Ich kann nicht recht erkennen, dass es einen neuen Spieler oder, wie Sie sagen, einen neuen Player gibt, sondern die Spieler sind die gleichen, aber die Art und Weise, wie man spielt, hat sich tatsächlich verändert.

Die Türkei handelt, so denke ich, im Einklang mit den Zielen und Absichten der Anti-ISIS-Koalition, wenn sie auch mit militärischen Mitteln gegen Ziele vorgeht, die vom IS gehalten werden. Es ist der internationalen Gemeinschaft und der Anti-ISIS-Koalition in den letzten Monaten mit vereinten Kräften ziemlich erfolgreich gelungen, den IS in Syrien und im Irak zurückzudrängen. Aber selbst im Norden Syriens - nicht nur in Aleppo, aber gerade in Aleppo -, in dem sich zurzeit die Kampfhandlungen fokussieren, gibt es noch immer Strongholds und Orte, an denen auch der IS Fuß gefasst hat. Ich denke ganz grundsätzlich, dass es gut ist, dass sich die Anti-ISIS-Koalition und in diesem Fall auch ein wichtiger Partner, ein wichtiger Teil der Anti-ISIS-Koalition, nämlich die Türkei, sehr aktiv an dem Kampf gegen ISIS beteiligt.

Ansonsten vielleicht nur in ein paar Sätzen einige grundsätzliche Anmerkungen zu der Lage in Syrien. Manche in den letzten Tagen und Wochen haben die Lage in Aleppo mit Auschwitz verglichen. Das habe ich mit einiger persönlicher Bestürzung gelesen, weil ich nicht glaube, dass man das miteinander vergleichen kann. Wenn man schon historische Parallelen heranzieht, dann ist es gar nicht falsch - manche Ihrer Kollegen haben das in den letzten Tagen auch getan -, die Lage in und um Syrien mit historischen Umständen rund um den 30-jährigen Krieg zu vergleichen. Aber mir scheint die Lage in Syrien noch viel komplizierter zu sein, als sie vor 350 Jahren hier in Europa, auch hier in Deutschland war.

Die Spieler in Syrien sind viel vielfältiger und auch viel diverser, auch viel extremer. Aber auch die Zahl und die Interessensunterschiede der Spieler von außen, zu denen auch die Türkei gehört, sind größer als damals. Man muss einfach die Sorge haben und konstatieren, dass sowohl bei den Spielern im Inland, in Syrien, als auch bei den ausländischen Mächten - zumindest noch nicht bei allen - noch nicht hinreichend deutlich klar geworden ist, dass es einfach keine militärische Lösung geben kann, sondern der Kampf will ausgetragen werden. Es gibt keine hinreichende kritische Masse von Mächten aus Syrien und um Syrien herum, die wirklich bereit sind, sich an das zu halten, was im Wiener Prozess und in München im Februar 2016 vereinbart worden ist.

Das wird uns, die Bundesregierung und auch den Außenminister nicht davon abhalten, auf der Grundlage der Prozesse, die vereinbart worden sind, und der inhaltlichen Vereinbarungen für humanitären Zugang und vieles andere mehr alles dafür zu tun, um die Unschuldigen, die Kinder, die Frauen und die Alten, auch die Männer, die unschuldig in das Kreuzfeuer der unterschiedlichen Interessen des syrischen Regimes und der Extremisten kommen, so weit das auch nur irgend geht zu schützen. Das ist unsere Aufgabe. Da fühlen wir auch unsere Verantwortung. Ich glaube, wir haben in den letzten Jahren, Monaten, Wochen und Tagen gezeigt, dass das ein Anliegen der Bundesregierung ist, das sie mit aller Kraft verfolgt.

Zusatzfrage: Ich habe eine Nachfrage zum Thema Kurden. Kann es im Interesse der Bundesregierung sein, dass mit der Türkei nun möglicherweise ein Partner, wie Sie sagen, die kurdischen Anti-IS-Kämpfer gleich mit ins Visier nimmt?

Schäfer: Es ist offensichtlich, dass eine der wichtigen Interessen der Türkei darin besteht, dass auf der anderen Seite der türkisch-syrischen Grenze kein Gebiet entsteht, das unter totaler Kontrolle der Kurden steht - das muss man so zur Kenntnis nehmen -, weil jedenfalls die Türkei - zu Recht oder zu Unrecht - davon ausgeht, dass es Verbindungen zwischen der auch von uns als terroristische Organisation angesehenen PKK auf türkischer Seite und jedenfalls Teilen der Kurden auf syrischer Seite gibt. Wir respektieren das. Wir sind auch der Meinung, dass es das legitime Recht der Türkei ist, gegen diese terroristischen Umtriebe vorzugehen. Insoweit unterstützen wir die Türkei dabei.

Ansonsten gilt - da möchte ich nur an das anschließen, was ich eben etwas grundsätzlicher gesagt habe -: Gerade im Norden Syriens gibt ein solches Wirrwarr an unterschiedlichen Fraktionen und kämpfenden Teilen. Es ist fast so, dass einzelne Straßenkreuzungen von einzelnen Milizen beherrscht oder umkämpft werden. Auch in Aleppo etwa gibt es Teile, die von der Regierung im Westen der Stadt gehalten werden. Es gibt kleine Teile von Aleppo, die von Kurden beherrscht werden, und dann den großen Teil des Ostteils der Stadt, der eingekesselt ist, in dem eine humanitäre Katastrophe dräut. Es gibt so viele unterschiedliche Fraktionen.

Wir können nur immer wieder mit dem Appell nach vorne gehen und sagen: Haltet euch an die Wiener Vereinbarung, an das, was in München im Februar vereinbart worden ist!

Es ist ganz wichtig, dass die russische und die amerikanische Regierung miteinander zu Vereinbarungen kommen. Sie wissen vielleicht, dass es seit Tagen, seit Wochen hinter den Kulissen intensive Beratungen und Verhandlungen zwischen Washington und Moskau gibt mit dem Ziel, eine Lösung für Aleppo zu finden. Es ist der dringende Appell der Bundesregierung, das, was auch die russische Regierung vor einigen Tagen konzediert hat, jetzt umzusetzen, nämlich dass die 48-stündige Waffenruhe eingerichtet wird und genutzt wird, damit die Menschen in Aleppo versorgt werden können.

Zu Ihrer konkreten Frage: Das, was wir dort in den letzten Tagen beobachtet haben, ist unbestreitbar eine weitere Eskalation, ein neues Spielfeld für militärische Auseinandersetzungen und sicherlich kein Element, das uns dem Frieden in Syrien und einer politischen Lösung näherbringt.

Frage : Herr Schäfer sprach eben von der Verwirrung, die zum Teil vor Ort vorherrscht. Dann würde mich jetzt doch interessieren, ob die Aktivitäten der Türkei irgendeine Auswirkung auf die Aufklärungstätigkeiten der Bundeswehr vor Ort haben, ob es sozusagen Einschränkungen oder sogar eine Stärkung bei der Erkenntnisweiterleitung gibt.

Nannt: Wenn man einmal sieht, dass es vor einigen Wochen den Putsch gab, im Rahmen dessen wir aufgrund der Stromversorgung ein paar Einschränkungen hatten, muss man sagen, dass wir unseren Auftrag jetzt ganz routiniert durchführen. Wir leisten dort auch regelmäßig und ganz normal unsere Aufklärungsflüge beziehungsweise die Betankung. Es gibt da keinerlei Einschränkung.

Ansonsten haben wir im Bereich der Aufklärung - das haben wir, glaube ich, auch hier im Rahmen der Bundespressekonferenz schon häufiger gesagt - dieses Verfahren der doppelten Überprüfung, also dass wir einen, wie wir das bezeichnen, Red-Card-Holder haben, einen Schiedsrichter, der quasi prüft, wenn die Aufträge kommen, ob sie konform sind, und der eben auch die Aufklärungsergebnisse, wenn wir sie herausgeben, darauf prüft, ob sie konform sind. Insofern gibt es da jetzt überhaupt keine Veränderung aufgrund der Punkte, die Sie gerade angesprochen haben.

Zusatzfrage : Gibt es also keine Veränderung bezüglich dessen, was sich jetzt durch die aktuellen militärischen Aktivitäten der Türkei in Nordsyrien ergibt?

Nannt: Nein, weil wir unseren Prozess eben natürlich so aufgestellt haben - ich sage einmal, aus gutem Grunde -, wie wir ihn aufgestellt haben. Insofern gibt es überhaupt gar keine Einschränkungen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Landwirtschaftsministerium: Was sagen Sie denn zu dem Vorhaben der Umwelt- und Bauministerin, die Möglichkeiten von Landwirten beim Bau von Anlagen einzuschränken?

Urban: Vielen Dank für die Frage. Gestatten Sie mir vielleicht vorweg einige einordnende Bemerkungen dazu, wenn Sie mir kurz das Mikrofon geben. Sie spielen ja hier auf das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz an, in dessen Rahmen zumindest nach unserem Kenntnisstand bestimmte Überlegungen eingebracht worden sind. Wichtig ist für uns, dass wir zwischen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf der einen Seite und zwischen den baurechtlichen Zulässigkeiten von Tierställen auf der anderen Seite unterscheiden.

Tatsache ist: Beim Bau von Tierställen, um vielleicht bei diesem konkreten Beispiel zu bleiben, tauchen immer wieder Diskussionen auf. Unser Ziel ist es dabei aber, jeweils einen intelligenten Interessenausgleich zu schaffen. Dieses privilegierte Baurecht im Außenbereich, das ebenfalls Gegenstand dieses Entwurfs ist, wurde eben gerade dafür geschaffen, Konflikte zwischen der Wohnbevölkerung auf der einen Seite und den Tierhaltern auf der anderen Seite zu entschärfen, was Emissionen, Geräuschpegel sowie An- und Abfahrtsgeräusche angeht, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Gleichwohl wurde die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit dieser Tierhaltungsanlagen im Außenbereich erst 2013 vor allem für gewerbliche Ställe verschärft. Die Referenzperiode ist sehr kurz, sodass es jetzt auch einmal abzuwarten gilt, wie sich die Verschärfung von 2013 denn auswirkt. Beim Neubau von Ställen - das will ich vielleicht bei dieser Gelegenheit auch noch kurz gesagt haben - findet das Tierwohl deutlich mehr Berücksichtigung. Gleichzeitig kommen die Ställe aus den Ortskernen heraus, was ja ursprünglich auch das Ansinnen dieses privilegierten Baurechts in den unbeplanten Außenbereichen gewesen ist. Dementsprechend wird auf der einen Seite den Interessen der Wohnbevölkerung und auf der anderen Seite auch dem Tierwohl Rechnung getragen.

Wir sind schon der Meinung, dass wir, ohne hier der Ressortabstimmung vorgreifen zu wollen, die Entwicklungsperspektive der Landwirtschaft nicht blockieren wollen; denn Kernaufgabe der Landwirtschaft ist und bleibt die Ernährungssicherung. Dazu gehört auch die tierische Veredelung. In Deutschland produzieren wir qualitativ hochwertige Produkte, die sehr stark nachgefragt sind. Wir werden uns diesen Entwurf in Gänze anschauen und im Rahmen der Ressortabstimmung als Bundeslandwirtschaftsministerium dann an geeigneter Stelle auch die Anmerkungen dazu kundtun.

Frage: Ich möchte das Bundesfinanzministerium und das Bundeswirtschaftsministerium etwas fragen. Es gibt neue amtliche Zahlen bezüglich der öffentlichen Haushalte. Es gibt für das erste Halbjahr einen hohen Überschuss in Höhe von mehr als 18 Milliarden Euro.

Das Finanzministerium gefragt: Was tun Sie denn mit dem vielen Geld? Ein Großteil davon landet ja auch beim Bund. Heißt das letztendlich, dass man die Spielräume für Steuerentlastungen jetzt wirklich größer als bisher veranschlagen kann?

Das Wirtschaftsministerium gefragt: Ist diese Finanzentwicklung nicht ein Argument dafür, die Forderung nach einer Forcierung von Investitionen insbesondere auch im Breitbandbereich jetzt noch einmal stärker zu betonen und angesichts der guten Haushaltslage nachzulegen?

Kolberg: Heute hat das Statistische Bundesamt Zahlen für alle vier Ebenen - also Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen - vorgelegt, und darin wurde die Tendenz der Zahlen, die auch schon vorlagen, bestätigt, nämlich eine positive Haushaltsentwicklung. Wir sehen diese Entwicklung im Grunde als Ausweis einer soliden Haushaltspolitik an. Trotzdem müssen wir im Auge behalten, und darauf weist auch das Statistische Bundesamt selbst hin, dass aus dem Halbjahresergebnis nicht einfach auf das Ganzjahresergebnis geschlossen werden kann. Man muss vielmehr beachten, dass der Finanzierungssaldo in der zweiten Jahreshälfte strukturbedingt geringer ausfällt. Daher gilt für uns weiterhin, dass es jetzt, also erst zur Mitte des Jahres, zu früh ist, um über den Abschluss des Haushalts 2016 zu reden oder zu spekulieren. Abgerechnet wird am Ende des Jahres, und diese Entwicklung bleibt im Grunde genommen abzuwarten.

Alemany: Ich kann mich dem Kollegen inhaltlich eigentlich voll anschließen. Die Berechnungen zur Jahresmitte sind keine aussagekräftigen Indikatoren für das Finanzierungssaldo am Jahresende.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass unsere öffentlichen Haushalte sowie auch unsere Wirtschaftsstruktur sehr solide sind. Natürlich eröffnet uns das insgesamt und grundsätzlich gesehen Spielräume für wichtige Zukunftsinvestitionen. Wie Sie schon sagten, ist die Digitalisierung beziehungsweise der Ausbau schneller Infrastruktur natürlich eine davon.

Zusatzfrage : Gibt es kein Argument dafür, jetzt in irgendeiner Weise etwas offensiver an solche Investitionen heranzugehen? Ich hatte nach einem Nachschlag gefragt. Das wird vom Bundeswirtschaftsministerium nach den Zahlen nicht so verstanden, wenn ich das richtig verstehe.

Alemany: Das hängt immer davon ab, was Sie unter "offensiv" verstehen. Unser Ministerium ist beim Ausbau von Netzen und von Infrastrukturen, die unsere Volkswirtschaft in Zukunft wettbewerbsfähiger machen werden, sehr engagiert. Sie kennen ja vielleicht noch unsere Digitale Strategie 2025, die mit Vorschlägen für Finanzierungen auch schon den Gigabit-Ausbau als Ziel in den Fokus genommen hat. Das bleibt natürlich weiterhin auf unserer Agenda.

Kolberg: Vielleicht darf ich das noch ergänzen: Wir müssen dabei wirklich vorsichtig bleiben. Auch wenn die Steuereinnahmen jetzt also erfreulich sind, sind ja bereits zusätzliche, weitere Ausgaben beschlossen worden, die bei der Haushaltsaufstellung sozusagen noch gar nicht bekannt waren. Lassen Sie mich nur die Verpflichtungen aus der Syrien-Konferenz nennen, die Übernahme der Kosten für die Unterkünfte der Flüchtlinge, die Integrationspauschale und das Vorziehen der Spitzabrechnung der tatsächlichen Kosten der Erstunterbringung. Das sind zusätzliche Kosten, die auch noch berücksichtigt werden müssen.

Frage: Herr Kolberg, können Sie ganz kurz noch einmal die Größenordnungen dieser Maßnahmen und vielleicht auch der absehbaren Maßnahmen wie der jetzt im Sicherheitsbereich vorgesehenen vielen Stellen benennen?

Kolberg: Hinsichtlich der Syrien-Konferenz kommen ungefähr 627 Millionen Euro zusammen, hinsichtlich der Übernahme der Kosten der Unterkunft 400 Millionen Euro, hinsichtlich der Integrationspauschale 2 Milliarden Euro und hinsichtlich des Vorziehen der Spitzabrechnung - das ist jetzt aber noch nicht ganz klar - mindestens 1 Milliarde Euro.

In dem Bereich, nach dem Sie jetzt gefragt haben - darüber haben wir ja auch schon beim letzten Mal geredet -, gibt es ja ohnehin schon zusätzliche Ausgaben. Es gibt im Moment auch weitere Gespräche; darauf hat das letzte Mal auch das Innenministerium hingewiesen. Wir werden jetzt genau hinschauen, in welchen Bereichen dort noch weitere Ressourcen notwendig sind, um den Schutz der Menschen in unserem Land sicherzustellen, und dann werden wir uns anschauen, welche Zahlen das erzeugen wird.

Zusatzfrage: Aber können Sie in etwa eine Größenordnung nennen? Ich glaube ja, wir reden hier über etwa 14.000 oder 15.000 Stellen.

Kolberg: Das BMI strebt zusätzliches Personal in mittlerer vierstelliger Größenordnung an, und hierüber steht das BMI auch bereits mit uns in Kontakt. Zu Einzelheiten und Zahlen kann ich jetzt aber noch nichts sagen.

Frage: Es gibt ein neues Gutachten vom ifo Institut aus Dresden - diese Frage richte sich an das Wirtschaftsministerium -, wonach die ostdeutsche Wirtschaft auf Dauer wohl nicht mit der westdeutschen Wirtschaft gleichziehen kann. Empfohlen wird ein neues Fördersystem, eine neue Förderpolitik, die in die Richtung geht, sich nicht auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern auf einzelne Wachstumszentren zu konzentrieren. Wie ist Ihre Reaktion darauf? Können Sie sich dem anschließen? Geht die Politik möglicherweise schon in diese Richtung? Sehen Sie diesen etwas pessimistischen Tenor des Gutachtens grundsätzlich als richtig an?

Alemany: Zunächst vorweggenommen: Externe Prognosen kommentiere ich nicht.

Ich kann Ihnen aber einmal ganz grundsätzlich etwas zu unserer Haltung gegenüber Ostdeutschland und der Wirtschaftskraft darlegen: In der Tat ist es so, dass trotz großer Fortschritte beim Aufbau Ost und auch bei der Bewältigung des dortigen Strukturwandels die Disparitäten weiter fortbestehen. Ich kann Ihnen da eine Zahl nennen. Zum Beispiel liegt die Wirtschaftskraft pro Einwohner, wie unsere Experten schätzen, immer noch um 30 Prozent niedriger als im Westen. So gesehen betrachten wir die Entwicklung immer mit großer Aufmerksamkeit. Unsere Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Frau Gleicke, tut das mit besonderem Engagement.

Unser Ziel ist es, den Angleichungsprozess weiter zu beschleunigen. Dafür gibt es ja nun ein System, das sich bewährt hat. Frau Gleicke hat auch schon oftmals öffentlich verdeutlicht: Es bedarf auch weiterhin der Förderung strukturschwacher Regionen, die eben mehrheitlich in Ostdeutschland liegen. Bis Ende des Jahrzehnts ist das noch über den Solidarpakt II geregelt. Innerhalb von 15 Jahren werden dafür insgesamt 156 Milliarden Euro aufgewendet worden sein. Ich kann Ihnen ein Beispiel aus unserem Bereich nennen, was diese Gemeinschaftsaufgabe GRW angeht: Damit werden ja auch strukturschwache Gebiete in Ost und West gefördert. Das sind 600 Millionen Euro pro Jahr. Auch der Mindestlohn hat ein Übriges zur Erholung der Entwicklung beigetragen. Insgesamt geht es aber eher um strukturschwache Gebiete, also um konglomerierte Regionen.

Frage : Ich würde gerne noch einmal das Bundeswirtschaftsministerium nach der gestrigen Pressekonferenz der TTIP- und CETA-Kritiker etwas fragen. Die Forderung, CETA nachzuverhandeln, kommt ja nun nicht nur vonseiten der außerparlamentarischen Kritiker, sondern auch aus der Partei des Wirtschaftsministers selbst. Mich würde interessieren: Gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung irgendeine realistische Chance dafür, bei diesem CETA-Prozess noch einmal in Nachverhandlungen einzutreten? So es sie gäbe, würde das Bundeswirtschaftsministerium solche Bemühungen unterstützen oder wahrnehmen?

Alemany: Danke für die Frage. Wir haben die Pressekonferenz natürlich auch verfolgt. Wie Sie wissen - das ist auch keine Neuigkeit -, gibt es Befürworter und Gegner des Abkommens. Die Argumente sind bekannt. Insofern hat die Pressekonferenz jetzt auch keine neuen Argumente in die Diskussion eingeführt.

Wichtig ist uns eine sachliche Diskussion darüber, welche Regeln und Standards wir für uns und für den Freihandel in der Zukunft setzen müssen. Dafür ist das Abkommen mit Kanada, wie auch unser Minister Gabriel häufig und nachhaltig betont hat, eine sehr gute Blaupause, ein sehr fortschrittliches, gutes und wichtiges Abkommen.

Zu dem Einzelpunkt, der auch gestern noch einmal thematisiert wurde, ohne dass ich einzelne spezifische Äußerungen aus der Partei oder aus anderen Bereichen kommentieren möchte: Es ist so, dass der Text grundsätzlich auf Deutsch vorliegt, und der gilt. Jetzt läuft die Meinungsbildung in den ganzen Mitgliedstaaten und in den Parlamenten, so auch in Deutschland. Dann wird es vom Ablauf her im September einen informellen Handelsrat geben, bei dem aber noch keine Beschlüsse gefällt werden werden. Auch im Rahmen dieser Plattform wird es sicherlich Gelegenheit dazu geben, unter den Mitgliedstaaten eine Meinungsbildung vorzunehmen und eine Position festzulegen. Abgeschlossen und ratifiziert ist ein Abkommen dann, wenn es der Rat und das Europäische Parlament sowie die Mitgliedsländer und ihre Parlamente beschlossen haben.

Zusatzfrage : Ich wollte eigentlich, um daran zu erinnern, Ihren Kommentar zum Punkt der Möglichkeit von Nachverhandlungen hören.

Wenn ich schon dran bin, würde ich auch gerne fragen, was für eine Position der Bundeswirtschaftsminister zu dem Punkt hat, das Abkommen zumindest in Teilen vorläufig in Kraft zu setzen, auch wenn der Ratifizierungsprozess noch nicht abgeschlossen ist.

Alemany: Zum Thema Nachverhandlungen war meine Antwort: Es gibt einen Text, und der wird jetzt in den Mitgliedstaaten beraten und dann beschlossen werden. Es gibt kleinere technische Regularien, was zum Beispiel die Geschäftsordnungen usw. angeht, die in einzelnen Ausschüssen erst zwischen den Vertragsparteien erarbeitet werden müssen, aber das ist jetzt keine Neuverhandlung des Textes.

Zum Thema einer vorläufigen Anwendbarkeit: Wie Sie wissen, kann die Kommission ja nur EU-only-Abkommen oder EU-only-Bereiche in die vorläufige Anwendbarkeit aufnehmen. Wie Sie auch wissen, sehen es die Mitgliedstaaten so, dass CETA ein gemischtes Abkommen ist, dem die nationalen Parlamente und Mitgliedstaaten erst einmal zustimmen müssen. Das ist alles ein Bereich, der im Herbst beschlossen werden soll und für den es jetzt im September einen informellen Handelsministerrat geben wird, bei dem diese Dinge auch besprochen werden werden.

Frage : Herr Dimroth, die Verwirrung um das, was gestern Herr de Maizière und Herr Cazeneuve zum Thema "Verschlüsselung" besprochen haben oder auch nicht besprochen haben, ist bei mir noch nicht ganz aufgelöst. Das französische Dokument ist in der Zusammenfassung ein bisschen anders als das deutsche.

Macht man Hintertüren sozusagen zur Pflicht, respektive verbietet man Verschlüsselung, vielleicht starke Verschlüsselung und ihre Interpretation, sodass man sozusagen um die Verschlüsselung herum arbeitet? Wie kommt das? Welcher Meinung sind Sie? Auf was hat man sich gestern tatsächlich geeinigt?

Dimroth: Vielen Dank für die Frage. - Was den ersten Teil der Frage betrifft, ist es nach meinem Kenntnisstand so, dass sich diese Divergenzen, die Sie hier ansprechen, nicht auf die jeweils offiziell veröffentlichten Dokumente der deutsch-französischen Erklärung von gestern Abend beziehen - da verweise ich Sie auf die entsprechenden Veröffentlichungen auf den offiziellen Webseiten -, sondern möglicherweise der Unterschied, der von Ihnen gerade benannt wurde, auf Presseäußerungen des französischen Innenministers zurückzuführen ist, aber eben nicht in den offiziellen Erklärungen enthalten ist - weder in der deutschen noch in der französischen Sprachfassung; in der deutschen ist das jedenfalls nicht der Fall.

Ganz grundsätzlich bleibt es dabei: Unsere Position ist bekannt, manifestiert und unverändert. Wir fordern keinerlei Abänderung der Ihnen bekannten Krypto-Eckpunkte, die die Bundesregierung beschlossen hat, die nach wie vor Grundlage unseres Tuns sind. Wir treten geradezu für gute und schwer zu durchbrechende Verschlüsselung ein, um die Datensicherheit der Bürger zu gewährleisten. Das fördern wir aktiv über das BSI und empfehlen es an jeder Stelle. Davon rücken wir keinen Millimeter ab.

Wir wollen, um es ganz deutlich zu sagen, auch keine Backdoors, keine Schlüsselhinterlegung, sondern unser Ansatz ist, die Sicherheitsbehörden so zu ertüchtigen und aufzustellen, dass sie das, was sie gesetzlich schon dürfen, dann auch können, indem nämlich andere Wege gefunden werden, beispielsweise im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung Inhalte zu generieren.

Noch einmal: Auf Grundlage der bestehenden gesetzlichen Regelungen unter Beachtung der sehr strengen verfahrensmäßigen Voraussetzungen, die in jedem Einzelfall vorliegen müssen, ist eine Abkehr von der Krypto-Politik der Bundesregierung nicht ins Auge genommen und auch nicht mit dieser deutsch-französischen Erklärung von gestern Abend umfasst.

Zusatzfrage : Wenn Sie "im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regelungen" sagen, dann heißt das, dass Sie eine Neuregelung der entsprechenden Befugnisse zu eben Quellentelekommunikationsüberwachung etc. weiterhin als nicht geboten ansehen?

Dimroth: Ich verweise Sie auf den Maßnahmenkatalog des Innenministers, der gerade vor wenigen Tagen ausgeführt hat, dass eine rechtstaatlich möglichst eindeutige Rechtsgrundlage für die Quellentelekommunikationsüberwachung erforderlich ist. Sie wissen aber ebenso gut wie ich, dass das keine Befugnis wäre, die in die von Ihnen erfragte Richtung geht. Sondern genau das ist ein Instrument, mit dem wir das erreichen wollen, was ich skizziert habe, nämlich die Sicherheitsbehörden in die Lage zu versetzen, das, was sie können, auch zu dürfen, nämlich auch kryptierte Kommunikation abzugreifen, ohne dass wir an die Krypto-Eckpunkte heran müssten und unsere grundsätzliche Linie hier infrage stellen würden.

Frage : Meine Frage richtet sich, denke ich, an das Gesundheitsministerium. Was hält denn das Gesundheitsministerium von dieser Forderung nach einer staatlichen Abgabe auf zuckerhaltige Getränke? Pläne dazu gibt es offenbar in England. Foodwatch erhebt so eine Forderung.

Berve-Schucht: Zuständig für diese Frage ist das Landwirtschafts- beziehungsweise das Ernährungsministerium; tut mir leid.

Urban: Vielen Dank für diese Frage. - Vielleicht vorab erst einmal eine einordnende Bemerkung: Wir reden hier über einen Nahrungsbestandteil, der für sich genommen erst einmal nicht in der Überdosierung gesundheitsschädlich ist, aber gesundheitliche Folgewirkungen haben kann und bei vielen Menschen leider auch hat.

Grundsätzlich lehnt Bundesernährungsminister Schmidt eine politische Steuerung des Konsums durch Strafsteuern für vermeintlich ungesunde Lebensmittel ab. Die Strafsteuern ändern in der Regel nichts am Ernährungsverhalten der Menschen. Andere Länder haben von solchen Maßnahmen - ich erinnere an die Fettsteuer Dänemarks - längst wieder Abstand genommen.

Wir halten einen ganzheitlichen und nicht auf einzelne Nährstoffe bezogenen Ansatz für sinnvoll, um einen gesundheitsförderlichen Lebensstil oder Ernährung zu fördern. Grundsätzlich begrüßen wir es natürlich, die Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Aber einfach den Preis für etwas künstlich nach oben zu bringen, führt nicht automatisch zu einer besseren Ernährung. Deswegen geht für uns der Ansatz in die falsche Richtung.

Wir setzen auf eine Reihe von Maßnahmen, um eben die besagten Elemente zu fördern. Das ist einmal der Punkt Transparenz. Dazu wird ab Dezember 2016 die Nährwertangabe verpflichtend auf Verpackungen sein. Im Rahmen unseres Programms "IN FORM - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung" fördert das BMEL vielfältige Ansätze und eine Verbesserung sowohl der Ernährungsbildung als auch des Essensangebots. Ich erinnere hier an unsere umfangreichen Maßnahmen im Bereich der Schul- und Kitaverpflegung. Gleichzeitig arbeiten wir an einer Strategie zur Reformulierung von Lebensmitteln im Hinblick auf Fertigprodukte. Dieser Ansatz zielt darauf ab, den Zucker-, Salz- und Fettgehalt von Lebensmitteln durch eine Änderung der Zusammensetzung zu reduzieren.

In dem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal daran erinnern, dass der Bundesernährungsminister das Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil vor allem bei Kindern und Jugendlichen stärken möchte. Deshalb fordert er: Ernährungs- und Verbraucherbildung muss wieder verstärkt in die Schulen, am besten als eigenes Schulfach. Dadurch lässt sich by the way auch die Wertschätzung von Lebensmitteln wieder steigern und die Lebensmittelverschwendung bekämpfen.

Vielleicht auch im Hinblick auf die heutige Studie noch eine ergänzende Aussage: Es geht hier um eine Strafsteuer, und man will einen zusätzlichen Geldbetrag schaffen und Produkte künstlich verteuern. Einige der in der Studie enthaltenen und bewerteten Getränke, zum Beispiel Energydrinks, liegen ganz deutlich im Hochpreissegment, werden aber trotzdem konsumiert. Deswegen sehen wir ganz klar, dass die Preiserhöhungen definitiv nicht dazu führen werden, die Menschen zu einer Verhaltensänderung zu bringen. Der Bundesernährungsminister betont bei jeder Gelegenheit: Jeder soll und darf essen, was ihm schmeckt und was ihn glücklich macht - das allerdings in Maßen. Es kommt immer - so bemüht er Paracelsus in diesem Zusammenhang gerne - auf die Dosis an.

Frage: Eine Frage an das Arbeitsministerium. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet heute unter Berufung auf eine Stellungnahme der Bundesregierung, dass immer mehr Bezieher von Hartz IV in Zwangsrente geschickt werden, und zwar zum Teil mit erheblichen Abschlägen. Die SPD hat schon länger gefordert, dass es eine Verordnung geben soll, die diese Praxis beendet. Wird es diese Verordnung geben? Gibt es bisher einen entsprechenden Entwurf der Bundesregierung? Wenn es diese Verordnung geben wird, wann wird das der Fall sein?

Küchen: Danke für die Fragen. - Da muss ich einmal zwei Sachen geradeziehen. Die Zahlen betreffen die Leute über 63, die aus dem SGB-II-Bezug herausfallen. Das ist nicht ganz damit gleichzusetzen, dass sie in den Rentenbezug hineinfallen.

Unsere Antwort auf die Kleine Anfrage ist meines Wissens schon veröffentlicht. Wenn sie veröffentlicht ist, schicke ich sie Ihnen gerne zu; dann müssen Sie nicht so lange suchen.

Es gibt Überlegungen in der Koalitionsarbeitsgruppe, was den flexiblen Übergang in die Rente angeht. Dort ist, wie Sie wissen, verankert, die Unbilligkeitsregelung bei diesen Konstellationen zu erweitern. Mehr kann ich dazu von hier aus nicht sagen, denn es gibt Arbeiten an einem Fraktionsentwurf. Daran sind wir sozusagen nur formell beteiligt. Das liegt inhaltlich in der Hoheit der Fraktionen.

Zusatzfrage: Es ist im Moment kein Entwurf, der schon bei Ihnen im Ministerium vorliegt beziehungsweise an dem gearbeitet wird, sodass man davon ausgehen kann, dass noch in dieser Legislaturperiode in dieser Richtung etwas passiert?

Küchen: Da sind die Fraktionen am Zug. Wir leisten natürlich, wie bei anderen Gesetzvorhaben auch, formell Unterstützung. Aber inhaltlich liegt die Hoheit bei den Fraktionen. Deswegen müsste ich Sie bitten, Ihre Fragen an die Fraktionen zu richten.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage zu einem anderen Thema an Sie. Der Armuts- und Reichtumsbericht ist demnächst wieder zu erwarten. Wann ist das der Fall? Kann man das schon absehen? Gehen Sie davon aus, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklafft?

Küchen: Da erwischen Sie mich schlicht und einfach ohne ein Datum; das müsste ich Ihnen nachliefern. Ich kann gerne überprüfen, wann das ansteht.

Was die Erwartungen angeht, kann ich diesen hier schlechterdings nicht vorweggreifen. Ich bitte dafür um Verständnis. Sie wissen, dass es in den letzten Jahren in Deutschland eine gewisse Stabilisierung gab, was diese Schere angeht. Von daher würde ich sagen: Lassen Sie uns die Arbeiten erst einmal abwarten.

Ich bekomme gerade eine Mitteilung, was das Datum angeht: Ende 2016/Anfang 2017 wäre es so weit.

Mittwoch, 24. August 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 24. August 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/08/2016-08-24-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2016

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