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PRESSEKONFERENZ/1310: Treffen von Merkel, Hollande, Junker und Portier, 28.09.2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Mittwoch, 28. September 2016
Pressestatements anlässlich eines Treffens von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit dem Präsidenten der Französischen Republik, Herrn François Hollande, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Jean-Claude Juncker, und dem Vorsitzenden des European Round Table of Industrialists, Herrn Benoît Potier, am 28. September 2016 in Berlin

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben heute die fünfte Zusammenkunft des European Round Table mit dem französischen Präsidenten, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, natürlich dem Chef des ERT, Herrn Potier, und mir. Wir haben diese Gesprächsrunde ins Leben gerufen, um die Digitalisierung zu beschleunigen und in Europa zu implementieren. Wir wissen, dass es dabei um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents, der Europäischen Union geht. Wir wissen, dass es dabei um zukünftige Arbeitsplätze geht. Ich glaube, wir können sagen, dass unsere Sitzungen einiges in Bewegung gebracht haben.

In der Rede des Präsidenten der Europäischen Kommission zur Lage der Union hat das Thema digitale Agenda eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Vieles ist durchaus auch auf die Diskussionen zurückzuführen, die wir in diesem Kreise geführt haben. Wir das sage ich jedenfalls für die deutsche Bundesregierung zu werden alles tun, um die Gesetzgebungsakte, die die Kommission jetzt auf den Weg gebracht hat, beschleunigt im Europäischen Rat und in den Fachministerräten zu beraten und dann möglichst schnell zusammen mit dem Europäischen Parlament zu Ergebnissen zu kommen. Die Kommission hat sich hier eine sehr ambitionierte Agenda vorgenommen.

Ein Thema, das wir immer wieder besprochen haben, sind Fragen des Wettbewerbsrechts. Auch hier gibt es inzwischen sehr konkrete Gesprächskontakte und auch Absichten der Beschlussfassung für die Kommission. Dies könnte die Gesamtsituation in der Europäischen Union verbessern.

Wir wissen, dass wir als Mitgliedstaaten hier eine große Verantwortung haben. Deutschland und Frankreich hatten eine digitale Tagung der Wirtschaftsminister, die zusammen mit der Wirtschaft durchgeführt wurde. Wir wissen, dass wir unsere Beiträge leisten müssen, zum Beispiel wenn es um das Ausrollen des 5G-Netzes geht. Insofern sind wir hier auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Kommission und unseren Mitgliedstaaten angewiesen.

Wir werden heute aus aktuellem Anlass darüber hinaus noch über die Gesamtsituation in der Europäischen Union nach dem Referendum in Großbritannien sprechen. Wir werden deutlich machen, dass wir, die 27 Mitgliedstaaten, auch nach dem Treffen in Bratislava entschlossen sind, die wirtschaftliche Entwicklung zum Wohle der Menschen in unseren Ländern und deren Arbeitsplätze fortzusetzen, und dass wir dafür eine anspruchsvolle Arbeitsplanung haben. Deshalb noch einmal herzlich willkommen an alle, die heute hier sind!

P Hollande: Wie Angela es bereits gesagt hat, räumen wir der digitalen Agenda bereits seit dem Jahr 2014 gemeinsam mit Deutschland und Frankreich eine hohe Priorität ein. Aus diesem Grund sind wir heute zu unserem fünften Treffen mit den Unternehmen des ERT in Berlin. Im Laufe dieser Treffen wollten wir das formalisieren, was wir die Herausforderung der digitalen Wirtschaft Europas nennen können. Das ist eine Herausforderung für die Industrie. Das ist natürlich ganz besonders wichtig für die Dynamik in Europa, aber auch für die europäische Gesellschaft, da dies eine ganze Reihe von Beziehungen von Mensch zu Mensch verändern wird. Aber auch die Entscheidungen, die auf persönlicher und wirtschaftlicher Ebene getroffen werden, werden von Bedeutung sein.

Ich betone, wie wichtig es ist, Hochgeschwindigkeitsnetze, 5G-Standards zu entwickeln. Wir wollen die digitalen Unternehmen dabei auf ihrem Weg begleiten, damit es auch Investitionen in Start-ups geben kann. Wir haben gemeinsam mit der Europäischen Kommission daran gearbeitet. Dank dieser Zusammenarbeit und dieses Impulses ist es der Europäischen Kommission möglich, am 5. September eine Überprüfung der Telekommunikationsrichtlinie vorzustellen. Für uns wird hiermit eine ganz wichtige Etappe beschritten.

Die Europäische Kommission hat ebenfalls den Wunsch geäußert, dass auch im Bereich des Wettbewerbs bestimmte Mechanismen angepasst werden, damit wir führende europäische Unternehmen, europäische Champions haben, die sich auf europäischer Ebene und auch weltweit behaupten können. Natürlich gibt es Wettbewerber auch außerhalb der Europäischen Union, die für uns eine Konkurrenz darstellen. Aus diesem Grund müssen wir in der Lage sein, nicht nur zu reagieren, sondern uns auch weiterzuentwickeln, um vor ihnen zu sein.

Natürlich möchte ich auch auf die Fragen eingehen, die alle beschäftigen: Wie können wir der Europäischen Union der 27 einen neuen Impuls geben? Wie können wir das Verhältnis zu Großbritannien gestalten? Bei dem informellen Treffen in Bratislava haben wir nicht nur einen Zeitplan ausgearbeitet, sondern auch einen Arbeitsplan mit sehr konkreten Maßnahmen in den bereits bekannten Bereichen Sicherheit, Schutz, Beschäftigung, Jugend, Forschung und Wissen sowie Digitalisierung der Wirtschaft.

Gemeinsam mit Großbritannien warten wir darauf, dass sich die britische Regierung an die Europäische Union wendet und Artikel 50 ausruft. Wir sagen Großbritannien natürlich auch, dass wir mit diesem befreundeten Land arbeiten wollen, aber natürlich zu Bedingungen, die ganz klar definiert werden müssen. Denn sollte es da ein unklares Verhältnis geben, dann wäre das nicht gut, weder für die britische Wirtschaft noch für die Europäische Union. Das ist auch heute Abend unsere Geisteshaltung.

P Juncker: Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist das dritte Mal innerhalb einer Frist von, glaube ich, 15 Monaten, dass wir uns in dieser Runde treffen. Gemeinsam mit den Vertretern der Wirtschaft kommt es uns darauf an, deutlich zu machen, dass die digitale Marktwirtschaft unterwegs ist, dass sie perfektioniert und verbessert werden muss. Dies ist kein wie kann ich das sagen? geschlechtsneutrales Thema, sondern ein Thema, das sehr sexy ist, vor allem dann, wenn wir aus den 28 nationalen Märkten einen gemeinsamen europäischen Digitalmarkt gestalten. Dann wird dies ein zusätzliches Wachstum in Höhe von etwa 450 Milliarden Euro bringen, und dass wir das tun, ist angesichts der wirtschaftlichen Lage, in der wir uns befinden, jede Mühe wert.

Das Thema Vernetzung wird heute Abend eine Rolle spielen. Die Kommission hat deutlich gemacht, dass wir kostenloses WiFi in alle Regionen, Städte, Kommunen und Dörfer der Europäischen Union bringen möchten. Dies ist ein Vorgang, der insgesamt Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro zur Folge haben wird. Das ist ein in diesem Bereich doch sehr erhebliches Konjunkturprogramm, wenn man sich das überlegt. Diese Investitionen sind nicht alle gesichert, aber wir sind dabei zu versuchen, die Investitionslücke, die es auch in diesem Bereich gibt, zu schließen. Der europäische Investitionsplan macht dies in Teilen möglich, weil insgesamt 12 Prozent der bisher im Rahmen des sogenannten EFSI-Programms getätigten Investitionen dem digitalen Bereich zugeführt werden würden. Wir machen auf diesem Weg nicht nur weiter, sondern stärken mit der Umsetzung dieses Planes eigentlich den anteiligen Part der digitalen Industrie.

Wir haben nach jahrelanger Diskussion im Jahr 2016, im laufenden Jahr, eine europäische Datenschutz-Grundverordnung durch das Europäischen Parlament und den Rat verabschieden können. Damit stellen wir sicher, dass das Datenschutzniveau gewährleistet ist und dass Europa nicht einen Flickenteppich für Unternehmen bildet, die sich das Land aussuchen können, in dem das Datenschutzniveau am niedrigsten ist.

Auch die Industrie ist gefordert - für die Industrie und die Arbeitnehmer im industriellen Bereich. Die Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen wird in den nächsten fünf Jahren einen zusätzlichen Umsatz in Höhe von 110 Milliarden Euro zur Folge haben.

Ich freue mich auf das Gespräch heute Abend.

Potier: Als der Vorsitzende des European Round Table of Industrialists möchte ich zunächst der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Merkel, sehr herzlich für die heutige Einladung danken. Ich freue mich, mit dem französischen Präsidenten und dem Präsidenten der Kommission, Herrn Juncker, hier zu sein.

Europa sieht sich großen Herausforderungen gegenüber, und wir, die führenden Vertreter der europäischen Unternehmen, sind der Auffassung, dass wir weiterhin daran mitwirken sollten, Europa zu stärken und zu fördern, um so die Europäische Union zu stärken. Die EU sollte darauf abzielen, der attraktivste Ansatz und Vorschlag für eine friedliche und soziale Zusammenarbeit und wirtschaftlichen Wohlstand zu sein.

Um das zu erreichen, muss Europa im Bereich der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie bei der Herbeiführung von Wachstum und Sicherheit mehr leisten. Dies macht es erforderlich, dass wir den Binnenmarkt stärken. Wir sollten ihn nicht schwächen, sondern stärken. Wir müssen die Regeln anpassen, wo immer das notwendig ist, und die Freizügigkeit in den Bereichen der Güter, der Dienstleistungen und des Kapitals sicherstellen.

Die Vollendung des digitalen Binnenmarkts, über die wir ja auch heute noch diskutieren werden, ist ein wichtiges Beispiel dafür, ein Schlüsselbeispiel dafür, wie europäische Zusammenarbeit jedem nutzen wird. Europa sollte versuchen, hierbei eine globale Führungsrolle im Hinblick auf die digitale Revolution zu spielen, indem es sehr schnell einen europäischen Rahmen schafft und die Standards für den Binnenmarkt im digitalen Bereich auch abstimmt und harmonisiert. Das wird der Wirtschaft sicherlich einen weiteren Impuls geben und neue Arbeitsplätze in allen Bereichen schaffen. Die Digitalisierung bietet neue Chancen für Innovation und für den Einsatz neuer Technologien. Europa, das sich ja als innovationsgetriebene Volkswirtschaft betrachtet, sollte diese Chancen nutzen, sie ergreifen und sie zu einem echten Wettbewerbsvorteil gestalten.

Ich möchte hier insbesondere die Rollen von Unternehmen, von Start-ups und kleinen Unternehmen herausstreichen; denn sie sind ein wichtiges Element in dem Gewebe der Industrielandschaft Europas. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Innovation in der Industrie und sind von großer Bedeutung, wenn es um die Schaffung der nächsten Generation der Industriechampions in Europa geht. Hier muss Europa seine Anstrengungen sicherlich verstärken, mehr Start-ups gründen, ihre Möglichkeiten, zu wachsen, unterstützen und vor allem dafür sorgen, dass sie in Europa bleiben und Europa nicht verlassen.

Was nun die Absicht des Vereinigten Königreichs anbetrifft, die EU zu verlassen, so müssen wir, die Mitglieder es ERT, darauf hinarbeiten, Großbritannien so eng wie möglich an den Binnenmarkt anzubinden, und zwar in Anbetracht seiner geographischen Lage, aber auch in Anbetracht der Bedeutung des Vereinigten Königreichs; denn es ist Teil einer integrierten Wertschöpfungskette. Europa, die europäische Volkswirtschaft und die Bürger Europas können sich einen Stillstand nicht leisten. Auch anderen Volkswirtschaften geht es gut, und sie schreiten mit großen Schritten voran. Sie zwingen uns zu einem Wettbewerb, und deshalb sollten wir unsere Anstrengungen verstärken, die darauf abzielen, Europa zu einem attraktiven Investitionsstandort zu machen, einem Ort, an den die Menschen gehen, um zu studieren, zu arbeiten, innovativ tätig zu sein, Waren und Güter zu produzieren und Märkte zu öffnen.

Wir sollten prüfen, wie wir den Binnenmarkt vervollständigen und vollenden können. Wir sollten unser Bildungssystem auf die Zukunft vorbereiten. Wir sollten auch Investitionen in kohlenstoffarme Technologien vornehmen. Wir müssen hierbei stabile und glaubwürdige Beziehungen mit unseren wichtigsten Handelspartnern verfolgen; das ist eine wichtige Voraussetzung. Wir sollten gleichzeitig eine moderne Wettbewerbspolitik verfolgen, die auch die globalen Dimensionen der Wirtschaft berücksichtigt. Der European Round Table of Industrialists ist bereit, mit Ihnen darauf hinzuarbeiten, mit Ihnen, den Politikern und Regierungen.

Mittwoch, 28. September 2016

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Quelle:
Pressestatements anlässlich eines Treffens von Bundeskanzlerin Dr. Angela
Merkel mit dem Präsidenten der Französischen Republik, Herrn François
Hollande, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn
Jean-Claude Juncker, und dem Vorsitzenden des European Round Table of
Industrialists, Herrn Benoît Potier, am 28. September 2016 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2016

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