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PRESSEKONFERENZ/1535: Merkel und der Emir von Katar, Sheik Tamim bin Hamad Al Thani, 15.09.2017 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift Pressekonferenz im Bundeskanzleramt - Freitag, 15. September 2017
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Emir von Katar, Sheik Tamim bin Hamad Al Thani

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute der Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, bei uns zu Gast ist. Er ist sozusagen auf der Reise in Richtung der Generalversammlung der Vereinten Nationen und hat in Deutschland Station gemacht. Er wird heute Nachmittag auch nach Paris fliegen.

Sie wissen vielleicht, dass dieser Besuch schon länger geplant war, aber - auch wegen der Situation in der Region - im Juli nicht stattfinden konnte. Umso erfreuter bin ich, dass wir heute ein sehr offenes, sehr intensives Gespräch geführt haben. Im Mittelpunkt standen natürlich die Situation am Golf, der Konflikt zwischen Katar und einigen seiner Nachbarstaaten, sowie natürlich auch die Situation in der Region im Hinblick auf Libyen, aber auch auf Syrien.

Wir sehen mit Sorge, dass auch 100 Tage nach Beginn dieses Konflikts noch keine Lösungen sichtbar sind. Wir haben darüber gesprochen, dass sich die Akteure baldmöglichst an einen Tisch setzen sollten. Deutschland ist nicht Partei in diesem Konflikt, aber Deutschland möchte entsprechend seiner Werte auch dazu beitragen, dass dieser Konflikt gelöst werden kann, und zwar auch so gelöst werden kann, dass dabei auch alle ihr Gesicht wahren können. Wir werden natürlich unsere vielfältigen Gesprächskontakte auch weiterhin nutzen, um vielleicht einen indirekten Beitrag zur Lösung des Konflikts zu ermöglichen. Der Emir hat mir aber auch noch einmal deutlich gemacht, dass er von katarischer Seite alle Bemühungen unternehmen möchte, um in diesem Konflikt voranzukommen.

Wir unterstützen die Vermittlungsbemühungen Kuwaits. Wir haben auch darüber gesprochen, dass wir Kuwait auf jeden Fall dazu animieren sollten, diesen schwierigen Vermittlungspfad auch weiter zu gehen. Wir schätzen - das will ich von deutscher Seite sagen - auch sehr die amerikanischen Bemühungen um Vermittlung in diesem Konflikt.

Wir haben natürlich darüber gesprochen, dass die Bekämpfung terroristischer Tendenzen und terroristischer Organisationen sehr, sehr wichtig ist. Hierzu hat mir der Emir auch noch einmal deutlich gemacht, dass auch Katar von seiner Seite aus alles tun will, um den internationalen islamistischen Terrorismus zu bekämpfen. Wir hoffen, dass der gute Wille von allen Seiten doch da sein wird, um diesen Konflikt zu lösen; denn es gibt riesige Herausforderungen in der Region. Wenn ich allein daran denke, dass im Jemen wahrscheinlich 650 Menschen an Cholera erkrankt sind, dann haben wir humanitäre Verpflichtungen, und dann haben wir andere Aufgaben zu lösen. Deshalb wäre es gut, wenn sich die Dinge im Golf-Kooperationsrat wieder positiv entwickeln würden.

Wir werden miteinander im Gespräch bleiben und sind froh, dass unsere bilateralen Beziehungen von diesen Unstimmigkeiten im Golf-Kooperationsrat nicht beeinflusst sind. Sie sind sehr gut. Sie sind stark. Das bedeutet auch, dass wir durchaus eine Vielzahl von wirtschaftlichen Kontakten haben und dass wir diese Kontakte auch durchaus weiterentwickeln wollen.

Meine Bitte an den Emir ist also, weiterhin alles zu tun, um einen Beitrag dazu zu leisten, dass wir uns wieder auf die Lösung der dramatischen Herausforderungen dort konzentrieren können. Deutschland wird versuchen, dabei hilfreich zu sein.

Emir Al Thani: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin! Natürlich möchte ich zunächst sagen, dass ich mich freue, dass ich hier in Deutschland sein kann. Ich danke Ihnen für die Gastfreundschaft. Wie Sie bereits gesagt haben, waren die Gespräche sehr gut, sehr offen und sehr eindeutig.

Wir haben über die Krise am Golf zwischen Katar und seinen Nachbarn gesprochen. Wie Sie wissen, sind nun seit Beginn der Krise mehr als 100 Tage verstrichen, und wir haben darüber gesprochen, dass Katar bereit ist, sich an einen Tisch zu setzen, um diesen Konflikt zu lösen. Wir danken den deutschen Bemühungen in diesem Zusammenhang. Ich habe der Frau Bundeskanzlerin auch für ihre grundsätzliche Rolle sowie für die Unterstützung dabei gedankt, diesen Konflikt an einem Verhandlungstisch zu lösen. Wir kennen Ihre Werte. Wir danken Ihnen dafür. Ich danke auch für die Unterstützung der kuwaitischen Initiative von Emir Sabah, die Katar auch von Anfang an unterstützt hat. Wir werden sie auch weiterhin unterstützen, damit wir zu einer Lösung kommen, die alle Seiten befriedigt.

Wir haben ebenso auch über verschiedene Punkte gesprochen, so die Krise in Libyen und die Rolle Katars in Libyen. Wir haben auch darüber gesprochen, dass Katar die international anerkannte Einheitsregierung unterstützt.

Wir haben auch über die syrische Krise gesprochen. Was Syrien angeht, so ist das eine große Krise, die die ganze Welt betrifft. Wir brauchen eine politische Lösung, die auch alle Seiten in Syrien befriedigt.

Wir haben ebenfalls über die sehr guten Beziehungen zwischen Katar und Deutschland - über die wirtschaftlichen Beziehungen, die kulturellen Beziehungen - sowie über die Möglichkeiten der Entwicklung dieser Beziehungen gesprochen.

Die Frau Bundeskanzlerin hat ebenfalls über die Terrorbekämpfung gesprochen. Wir alle tun dies. Das ist für uns eine große Priorität. Aber wir müssen uns auf die Wurzeln des Terrorismus konzentrieren, auf die Gründe für den Terrorismus. Vielleicht haben wir und einige andere arabische Staaten da unterschiedliche Ansichten. Es geht darum, die Wurzeln des Terrorismus abzuschneiden. Wir müssen aber alle den Terrorismus bekämpfen.

Ich danke Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, für diesen freundlichen Empfang, und ich hoffe, dass unsere freundschaftlichen Gespräche anhalten werden. Vielen Dank!

Frage: Meine Frage geht an Sie, Frau Bundeskanzlerin: Wie bewerten Sie die Liste mit den 13 Forderungen, die die Golfstaaten Katar vorgelegt haben?

BK'in Merkel: Schauen Sie, ich glaube, dass wir diesen Konflikt, und das ist im Augenblick ein Problem, nicht in der Öffentlichkeit lösen werden, indem jetzt jeder auf der Welt dazu Stellung nimmt, wie man eine Liste bewertet. Das, was wir schaffen müssen, und darüber haben wir auch gesprochen, ist vielmehr, dass es Gespräche gibt, die nicht jeden Tag in der Zeitung stehen und von denen nicht alles immer wieder sofort publiziert wird. Das ist natürlich auch eine Frage überhaupt der Akzeptanz oder eine Frage danach, wie man faire Verhandlungsergebnisse erzielen kann. Die erzielt man nicht auf dem Marktplatz, sondern die erzielt man allgemein, indem man ruhig miteinander spricht und versucht, faire Kompromisse zu finden. Deshalb möchte ich dazu nicht direkt Stellung nehmen, aber es indirekt sagen: Gespräche, die nicht sofort in der Zeitung stehen, können nur zum Erfolg führen. Alles andere wird nicht zum Erfolg führen.

Frage: Ich habe eine Frage an den Emir. Ihr Land ist substanziell an wichtigen deutschen Unternehmen wie Deutsche Bank und VW beteiligt, die aber alle im Moment in schwierigen Situationen sind. Sind Sie trotzdem an diesem Investment interessiert oder mit Ihrem Investment in deutsche Firmen eher unzufrieden? Fordern Sie Konsequenzen innerhalb dieser Firmen?

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben eben gesagt, dass Lösungen oft hinter den Kulissen erzielt werden. Aber sind der Empfang des Emirs und auch diese Pressekonferenz nicht Zeichen dafür, dass sich Deutschland in diesem Konflikt doch eher an die Seite Katars als an die Saudi-Arabiens stellt? Heißt das, dass Sie die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 anders als vorher jetzt vorbehaltlos unterstützen und Deutschland auf jeden Fall daran teilnehmen wird?

Emir Al Thani: Was die katarischen Investitionen in Deutschland angeht, ist unser Vertrauen in deutsche Unternehmen und in die deutsche Wirtschaft sehr groß. Es gibt eine strategische Partnerschaft zwischen uns und den deutschen Unternehmen. Es ist eine natürliche Sache, dass einige große Firmen manchmal schwierige Phasen haben. Das ist etwas sehr Normales. Aber wir werden unseren Standpunkt, was die Investitionen in Deutschland betrifft, nicht ändern. Wir werden diese weiter fortführen.

BK'in Merkel: Wir nehmen nicht einseitig Partei; das habe ich schon gesagt. Wir wollen aber natürlich das, was in unserem Rahmen möglich ist, zur Deeskalation beitragen. Wir stehen auch im permanenten Gespräch mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wenn sich die Gelegenheit ergeben wird, dann werden wir auch Gäste empfangen. Das ist also nicht daran gekoppelt, dass derjenige, der jetzt hier ist, unser einziger Gesprächspartner ist. Auch zur Vorbereitung dieses Gesprächs haben wir uns natürlich bei allen Seiten erkundigt. Ich glaube trotzdem, dass ich mich sehr darüber gefreut habe, dass es diesen Besuchswunsch gibt und dass wir das direkte Gespräch führen konnten, weil das allemal besser ist, als immer nur übereinander zu reden. Man kann sich dabei austauschen, und deshalb finde ich das richtig.

Was die Fußball-Weltmeisterschaft anbelangt, so war das heute kein Thema. Meine Positionen dazu sind, glaube ich, so, dass wir wollen, dass die Gastarbeiter besser behandelt werden. Da ist ein Reformprozess in Katar in Gang gekommen, und ich wünsche mir, dass dieser Reformprozess auch fortgesetzt wird.

Freitag, 15. September 2017

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem Emir von Katar,
Sheik Tamim bin Hamad Al Thani, am 15.09.2017
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2017/09/2017-09-15-pk-merkel-emir-von-katar.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2017

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