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PRESSEKONFERENZ/1619: Statement von Kanzlerin Merkel zum informellen Treffen des Europäischen Rates am 23.2.2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Brüssel - Samstag, 24. Februar 2018
Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel zum informellen Treffen des Europäischen Rates am 23.2.2018


BUNDESKANZLERIN MERKEL: Meine Damen und Herren, der informelle Rat ist soeben zu Ende gegangen. Wir haben uns heute in einer ersten Gesprächsrunde mit institutionellen Fragen beschäftigt, wie es auch geplant war. Es gibt darin Übereinstimmung, dass die Zahl der Parlamentssitze leicht vergrößert wird. Wir haben über das Thema der Spitzenkandidaten gesprochen. Die Realität ist so, dass es das Spitzenkandidatenkonzept der Parteien gibt. Wir haben als Europäischer Rat allerdings gesagt, dass sich daraus kein vollständiger Automatismus ableiten kann, wer genau dann der Vorschlag des Europäischen Rates für den Kommissionspräsidenten ist. Aber natürlich kennen wir die Vertragslage und wissen, dass es eine Übereinstimmung und ein Übereinkommen mit dem Europäischen Parlament geben muss.

Einhellig begrüßt wurde das Konzept der Bürgerdialoge innerhalb unserer Mitgliedsstaaten. Ich denke, es wird auch Veranstaltungen geben, in denen sich mehrere Ministerpräsidenten gegenseitig besuchen und auch die Diskussion über Europa führen. Ich habe vorgeschlagen das ist auch auf Zustimmung gestoßen , dass die Ergebnisse dieser Bürgerdialoge in einem Rat Ende des Jahres diskutiert und daraus gegebenenfalls auch Schlussfolgerungen für unsere Arbeit gezogen werden sollten.

Wir haben dann darüber gesprochen, wie es mit der Finanziellen Vorausschau weitergeht. Hierzu gab es eine sehr umfassende und sehr konstruktive Diskussion. In der Frage, wann wir die mittelfristige Finanzielle Vorausschau für die nächste Periode verabschieden können, haben wir heute noch keine abschließende Bewertung vorgenommen. Wir wollen uns natürlich beeilen, aber wir haben gesagt, wir wollen erst den Kommissionsvorschlag Anfang Mai und dann noch die entsprechende Strukturfondsverordnung sehen, um uns dann bis zum Sommer ein Bild davon machen zu können, was man schaffen kann und ob man es noch mit diesem Europäischen Parlament schaffen kann oder ob das Werk zu ambitioniert ist. Aber der gute Wille war auf allen Seiten da.

Ich habe deutlich gemacht, dass wir aus meiner Sicht darauf schauen müssen, dass wir gegebenenfalls auch stärker entbürokratisieren. Die Gemeinsame Agrarpolitik ist ein Riesenblock. Sie ist in den vergangenen Jahren in Ihrer Umsetzung immer bürokratischer geworden. Wenn man auf der einen Seite bestimmte Mittel vielleicht neu bewerten muss, dann muss man auf der anderen Seite auch schauen, wo wir Flexibilitäten haben, um mit den begrenzten Mitteln klarzukommen.

Es muss ein politischer Haushalt werden darin herrschte große Übereinstimmung , und es muss ein Haushalt sein, der den zukünftigen Prioritäten Rechnung trägt. Dazu gehören Forschung, Investitionen, künstliche Intelligenz das nenne ich nur als Stichworte in Zeiten der Digitalisierung. Dazu gehören die außenpolitischen Aufgaben denken Sie etwa an die Verantwortung für Afrika heute Vormittag bzw. auch der Außengrenzschutz. In Bezug auf all diese Fragen gab es ein hohes Maß an Übereinstimmung.

Präsident Macron und ich haben heute mit Blick auf die schreckliche Lage in Ost-Ghouta und allgemein in Syrien einen Brief geschrieben. Das heißt, wir haben den russischen Präsidenten eindringlich aufgefordert, alles zu tun, damit heute im UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet werden kann, einen Waffenstillstand zu erreichen, bei dem auch ein humanitärer Zugang für Hilfskräfte möglich ist. Hunderttausende Menschen leben unter absolut desaströsen humanitären Bedingungen. Ich hoffe sehr, dass es heute Abend gelingt, eine solche Resolution zu verabschieden. Der Brief von Emanuel Macron und mir soll die Dringlichkeit unterstreichen. Wir werden an dieser Frage natürlich dran bleiben.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie sagten: kein Automatismus bei den Spitzenkandidaten. Ist denn zumindest das Prinzip der Spitzenkandidaten jetzt von allen akzeptiert worden, also auch von Herrn Macron?

Sollte der nächste Kommissionspräsident aus den Reihen der ehemaligen Ministerpräsidenten kommen, also diese Erfahrung mitbringen?

MERKEL: Wir haben nicht darüber gesprochen, welches Profil der Kandidat, den wir vorschlagen, haben sollte. Ich sage noch einmal: Es ist breit akzeptiert worden, dass es eine bestimmte Realität gibt. Aber es wurde auch darauf hingewiesen, dass es im zukünftigen Europäischen Parlament keine einfachen Mehrheiten gibt. Das heißt, wir können gar nicht wissen, wer mit wem eventuelle Koalitionen eingeht. Man kann nicht einfach sagen, es wird der Kandidat der stärksten Partei, sondern man muss schauen, wie sich Mehrheitsverhältnisse in einem solchen Parlament bilden können. Das verbirgt sich hinter der Aussage: Es gibt keinen Automatismus für einen bestimmten. Es wurde darauf hingewiesen, dass auch bei nationale Regierungsbildungen zum Teil nicht die stärkste Partei den Regierungschef stellt. So etwas ist auch im Zusammenhang mit Mehrheitsbildungen im Europäischen Parlament möglich.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gestern in Ihrer Regierungserklärung davon gesprochen, dass das Thema der Migration auch bei den Strukturhilfen berücksichtigt werden soll. War das heute Gegenstand der Diskussion mit den anderen Staats- und Regierungschefs? Haben Sie dazu Nachfragen bekommen?

MERKEL: Nein, ich habe dazu keine Nachfragen bekommen, aber ich habe in meinem eigenen Beitrag darauf hingewiesen. Man kann ja auf der einen Seite fragen, wie sich die Frage der Flüchtlingspolitik auf die Höhe der Strukturfondsmittel auswirkt. Aber es kann ja auch anders herum sein. Der schwedische Ministerpräsident hat es heute ebenso gemacht wie ich und gesagt, es gibt Länder, die in erhöhtem Maße mit der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen beschäftigt sind. Das zieht finanzielle Notwendigkeiten nach sich, etwa Beschulung, Unterbringung, Umschulung, Lehre, Ausbildung. Das wiederum kann dann eine neue Aufgabe sein, die von einigen Ländern vielleicht mehr, von anderen weniger erledigt wird und dann Einfluss auf den zukünftigen Haushalt hat. Es muss nicht immer im Sinne einer negativen Verbindung sein, sondern es kann auch in einem positiven Zusammenhang sein. Das habe ich heute ergänzend auch noch einmal in die Debatte eingebracht. Aber darüber ist nicht vertieft diskutiert worden. Herzlichen Dank.

Samstag, 24. Februar 2018

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Quelle:
Pressestatement von Bundeskanzlerin Merkel zum informellen Treffen
des Europäischen Rates am 23.2.2018 in Brüssel
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/02/2018-
02-23-pk-merkel-eropaeischer-rat.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2018

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