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PRESSEKONFERENZ/1651: Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Macron, 19.04.2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Donnerstag, 19. April 2018
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Macron


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, wir freuen uns, sie heute hier im Humboldt-Forum, das im Entstehen ist, begrüßen zu können. Ich freue mich sehr, dass Emmanuel Macron, der französische Präsident, meine Einladung angenommen hat, denn dies ist ein sehr europäisches Projekt und es ist ein Projekt, in dem wir darstellen wollen, dass wir Teil einer großen globalen Welt sind und diese Globalisierung auch formieren wollen, gestalten wollen. Das ist etwas, was Frankreich und Deutschland eint.

Dass wir hier in einem Gebäude sind, das nach den Gebrüdern Humboldt als Humboldt-Forum bezeichnet wird, zeigt ja auch die so enge deutsch-französische Zusammenarbeit in den Bereichen der Kultur und der Wissenschaft, und zwar nicht erst in unseren Zeiten, sondern auch in früheren Zeiten. Wilhelm von Humboldt und Alexander von Humboldt sind ohne Paris überhaupt nicht zu denken. Andererseits haben wir uns gegenseitig auch befruchtet. Das wird sich auch in der Arbeit dieses Humboldt-Forums niederschlagen, das ja dann Ende nächsten Jahres fertig sein wird.

Wir werden im nächsten Jahr auch den 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt feiern. Sehr vieles von dem, was uns heute so ganz neu erscheint - dass es eine gemeinsame Welt gibt, die verbunden ist - ist von Alexander von Humboldt und Wilhelm von Humboldt wirklich schon herausgefunden worden, und zwar sowohl in der Sprachforschung von Wilhelm von Humboldt als auch in den großen Exkursionen von Alexander von Humboldt.

Wir wissen, dass wir dieses Gebäude mit der Aufforderung besuchen, heute auch unseren Beitrag dazu zu leisten, dass sich gerade unsere Länder, aber auch Europa gut entwickeln. Deshalb werden wir heute nicht nur diese Begegnung hier im Humboldt-Forum haben, sondern werden im Anschluss natürlich beginnen zu arbeiten. Wir haben festgelegt, dass wir bis Mitte des Jahres, also zum Juni-Rat, wichtige zentrale Entscheidungen treffen wollen, die mit einer Wiederbelebung Europas und damit, den Bürgerinnen und Bürger Europas eine Antwort auf die großen Fragen der Zeit zu geben, verbunden sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Europa ganz zentral ein Friedensprojekt, und die vielen Jahrzehnte des Friedens für unsere Bürgerinnen und Bürger in Europa sind ja auch etwas geschichtlich-historisch ganz Besonderes. Oft wird das, weil es so selbstverständlich erscheint, gar nicht mehr so wahrgenommen. Aber wir wissen angesichts der Kriege, die um uns herum stattfinden - ich nenne nur das Stichwort des schrecklichen Krieges in Syrien -, was auch unweit von Europa an Gefahren lauert.

Deshalb ist die Neubegründung Europas, die Neugestaltung Europas eben mehr als nur das Friedensprojekt; es muss vielmehr auch ein Projekt sein, das zeigt, dass wir unsere Werte nur gemeinsam weltweit durchsetzen können und unsere Interessen nur gemeinsam weltweit vertreten können, wenn wir europäisch zusammenarbeiten. Unsere Vielfalt sollte uns dabei bereichern und nicht stören.

Insoweit haben wir heute noch wichtige Probleme zu besprechen. Wir wollen bis zum Ende des Juni möglichst große Fortschritte beim gemeinsamen europäischen Asylsystem haben - eine der großen Herausforderungen, die gelöst werden muss, damit wir die Freizügigkeit innerhalb unseres europäischen Raums erhalten können. Wir brauchen eine gemeinsame Außenpolitik. Wir werden heute sehr intensiv darüber sprechen, was wir tun können, um gerade auch in Syrien oder mit Blick auf die Ukraine einen Beitrag zu leisten. Wir müssen außerdem unsere Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickeln. Hier gibt es das Thema Bankenunion, hier gibt es aber auch das Thema der zukünftigen Stabilität, der Wettbewerbsfähigkeit und all dieser Fragen.

Es gibt natürlich immer auch unterschiedliche Ausgangspunkte der Meinungen von Deutschland und Frankreich. Wir brauchen Debatten, wir brauchen offene Debatten und wir brauchen zum Schluss auch die Fähigkeit zum Kompromiss. Das ist die Welt, in der wir leben und in der wir arbeiten wollen. Nur so werden wir auch ein wichtiger Faktor in einer großen Welt sein, in der andere Staaten natürlich auch eine zentrale Rolle spielen.

Insofern danke schön, lieber Emmanuel Macron, danke schön, Herr Präsident, dass wir uns heute hier in Berlin treffen können! Wir werden hart arbeiten und werden dann am 19. Juni einen deutsch-französischen Ministerrat mit wichtigen Ressorts haben, die die ganzen Bereiche der Außenpolitik, Verteidigungspolitik und Asylpolitik umfassen, aber eben auch das Thema Wissenschaft, Forschung und Innovation, denn da wird der Wohlstand von morgen entschieden. Das wird zwischen uns sehr intensiv vorbereitet. Ein Schritt dazu ist der heutige Aufenthalt.

Herzlich willkommen!

P Macron: Vielen herzlichen Dank, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, für diese Einladung. Ich bin sehr froh, dass ich heute hier sein kann und dass wir den Austausch mit der wirklich begeisternden Besichtigung des Humboldt-Forums beginnen konnten, mit den Erklärungen und dem Blick, den wir haben konnten, und auch mit der gemeinsamen Wahrnehmung dieses schönen Projektes. Ich denke, es ist ein schöner Beginn dieses Arbeitstreffens, dass wir uns in diesem hochsymbolischen Gebäude treffen. Das ist ein universelles, aber auch deutsches Projekt. Das sagt auch sehr viel über unseren gemeinsamen Ehrgeiz, nämlich unser Europa gemeinsam aufzubauen, mit einer gemeinsamen Sicht des Universalismus. Das ist das Ziel, das wir hier in diesem Gebäude sehen, denn die Kultur bietet uns auch die Möglichkeit, unsere Länder zu stärken; das ist mir auch sehr wichtig. Es ist insofern eine hervorragende Idee, gemeinsam hier im Humboldt-Forum unser Arbeitstreffen zu beginnen. Ich habe auch den Vorschlag gemacht, dass wir beispielsweise über die Rückgabe von Kulturgütern sprechen und auch gemeinsam europäisch darüber nachdenken; denn das ist ein wichtiges Thema. Ich denke, dass wir auch den nichteuropäischen Zivilisationen Zugang bieten sollten. Das ist die Entscheidung, die Sie hier getroffen haben.

Die Kultur ist ein gemeinsamer Kampf, den wir miteinander führen; das ist für unsere Gesellschaften und unsere Bevölkerung. Beispielsweise ist auch das Urheberrecht in diesem Zusammenhang sehr wichtig, gerade in einer Welt mit viel Wandel. Das ist das, was die Kreativen auch von uns erwarten.

Sie haben es ja auch sehr gut gesagt, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin: Wir leben in einem Moment des europäischen Abenteuers, das wirklich einzigartig ist - einzigartig deswegen, weil unsere gemeinsame Souveränität von der Weltordnung getestet wird, auf einen Prüfstand gestellt wird. Es gibt die Handelsherausforderungen, die großen technologischen und klimatischen Umbrüche, und auch innerhalb unserer Staaten entstehen Zweifel und entstehen sehr stark nationalistische Visionen. Gerade aus diesem Grund ist der Moment, in dem wir uns jetzt hier befinden, absolut entscheidend für die Zukunft unseres Europas. In der Vergangenheit hat es Vorgänger gegeben, die gerade die Kraft gehabt haben, sich dem bösen Wind entgegenzustellen. Ich glaube, das erwartet man auch heute von uns, und zwar in verschiedensten Bereichen.

Die Frau Bundeskanzlerin hat eben auch an den wichtigen Termin erinnert, den wir im Juni haben und für den wir ein gemeinsames Ziel haben, nämlich eine gemeinsame Vision zu den großen Themen zu präsentieren - darüber werden wir auch gleich und auch in den nächsten Wochen noch miteinander sprechen -: zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, zur Bankenunion, zum Thema der Migration, zu unserer gemeinsamen Sicherheit, zu unserer Außenpolitik, zur Verteidigungspolitik, zum Digitalen, zur Energie, zur Innovation. In all diesen Bereichen müssen wir gemeinsame Antworten bringen, entweder zu den Herausforderungen von gestern und heute, denen wir jetzt schon gegenüberstehen, oder aber auch den Herausforderungen von morgen, damit wir die Zukunft vorbereiten können. Dazu haben wir uns verpflichtet, und das werden wir bis zum Europäischen Rat im Juni tun. Wir wissen, dass da noch sehr viel Arbeit vor uns liegt, aber ich denke, das ist politische Arbeit, bei der wir sehen müssen, dass wir eben eine gemeinsame Sicht auf Europa und auf unsere bilaterale Beziehung haben.

Auf diesem Weg haben wir einen wichtigen Meilenstein, nämlich den deutsch-französischen Ministerrat, der am 19. Juni in Deutschland stattfinden wird. Parallel dazu findet auch noch die Vorbereitung dessen statt, was wir bilateral mit dem neuen Élysée-Vertrag und den neuen bilateralen Projekten ausarbeiten wollen, die auch als Grundlage, als Anker für diesen gemeinsamen Wunsch für Europa, den wir haben, dienen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie werden es verstanden haben: Uns mangelt es nicht an Arbeit. Es mangelt uns auch nicht an dem Willen. Ich denke, dass die beste Ehrerbietung, die wir Humboldt bieten können, ist, dass wir sehen, dass diese titanische Arbeit eben auch getan werden kann und dass sie Erfolg haben kann. - Vielen herzlichen Dank, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Angela, für diese Einladung!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Staatspräsident, Sie werden ja bald auch beide nach Washington reisen. Haben Sie eine gemeinsame Botschaft an Herrn Trump? Was sind Ihre Erwartungen, was den internationalen Handel angeht, was den Iran angeht und was insbesondere Syrien angeht? Dort ist Frankreich mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten aktiv. Möchten Sie dort ein stärkeres Engagement von Deutschland?

Ich habe eine Frage an die Bundeskanzlerin. Vor einem Jahr ist der Staatspräsident ein erstes Mal gekommen. Sie haben Hermann Hesse zitiert und gesagt: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. - Der Zauber hält natürlich nur so lange an, wie auch Ergebnisse da sind. Wirkt der Zauber noch? Sind die Ergebnisse auch gegeben?

BK'in Merkel: Als ich das damals zitierte, wusste ich noch nicht ganz genau, dass die Bildung einer Regierung so lange dauert. Deshalb haben wir den Zauber ein bisschen konserviert und ihn ein paar Monate weggelegt, aber jetzt kommt er wieder. Um ihn zu beleben, habe ich die heutige Einladung hierhin ausgesprochen, und ich glaube, das hat wieder ein Stück Zauber mitgebracht, auch hinsichtlich der historischen Aufgabe, die wir haben.

Deshalb bin ich sehr gewiss, dass wir auch gute Ergebnisse erzielen werden, und zwar in der ganzen Breite; mir ist das sehr, sehr wichtig. Europa wird sich ja nur dann präsentieren, wenn wir auch in allen Bereichen, die die Menschen interessieren, wirklich vorankommen. Wir haben gesehen: Emmanuel Macron, der französische Präsident, hat jetzt gerade seinen Europa-Dialog begonnen. Wir werden das in Deutschland am 7. Mai tun. Wir werden diese Dialoge gemeinsam führen, vielleicht auch einmal gemeinsam eine Veranstaltung mit Deutschen und Franzosen machen und dann auch daraus die Schlussfolgerungen ziehen. Das soll also kein Elitenprojekt sein, sondern es soll ein Projekt sein, das den Menschen zugutekommt.

Es wird in der nächsten Woche zwei Reisen - sowohl vom französischen Präsidenten als auch von mir - in die Vereinigten Staaten von Amerika geben, aus meiner Perspektive erst einmal, um deutlich zu machen: Die transatlantische Partnerschaft ist uns wichtig, selbst wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt. Für mich ist es eine der ersten Reisen, die ich nach der Wiederwahl zur Bundeskanzlerin mache, und das war mir ein wirkliches Bedürfnis und ist mir ein Bedürfnis. Wir haben eine Zeit, in der es auch Differenzen gibt, und natürlich werden wir diese Differenzen auch sicherlich miteinander besprechen. Wir werden heute auch darüber reden, wie wir hierbei auch die europäische Perspektive einbringen können. Aber aus meiner Perspektive sage ich auch: Das transatlantische Bündnis ist angesichts vieler nicht demokratischer Entwicklungen auf dieser Welt ein großer Schatz, den ich jedenfalls auch hegen und pflegen möchte.

P Macron: Die Bundeskanzlerin hat eben auf die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen hingewiesen, und wir werden uns heute auch noch darüber austauschen können, welche gemeinsame Botschaft wir mitbringen wollen.

Zu den Handelsthemen glaube ich sagen zu können, dass wir beide die Achtung des multilateralen Rahmens und der Welthandelsorganisation vertreten und dass wir die europäische Philosophie vertreten, die auch die Kommission in Bezug auf die Ausnahmeregelungen für die Europäische Union vertreten hat. Ich denke, wir haben hier gemeinsame Sorgen und gemeinsame Anliegen, weil wir eine transatlantische Schicksalsgemeinschaft haben. Jetzt werden eben, was insbesondere Aluminium und Stahl angeht, chinesische Überkapazitäten hergestellt, und ich denke, dass wir hier gemeinsam und in Achtung der Welthandelsorganisation daran arbeiten, dabei dann vorankommen zu können. Das ist auch von den Chinesen so angenommen worden, und in dieser Hinsicht gibt es auch eine Konvergenz der europäischen Länder und der Vereinigten Staaten von Amerika.

Auch in Bezug auf den Iran haben wir eine gemeinsame Position, insbesondere eben auch mit dem Vereinigten Königreich. Durch das JCPOA könnten wir zu einer gemeinsamen Aktivität hinsichtlich der Ballistik kommen. Im internationalen Bereich hatten wir hier vor drei Jahren schon etwas einrichten können. Das JCPOA reicht nicht an sich und nicht allein aus, um die Beziehungen mit dem Iran verfolgen zu können, aber ich denke, wir werden in der Region weiter in einem Kontext arbeiten, in dem es hier nicht zu Ärgerlichkeiten kommt.

Zu Syrien: Es gibt eine internationale Legitimität, noch bevor die gezielte militärische Aktion stattgefunden hat. Darüber haben wir uns auch mehrfach mit der Bundeskanzlerin ausgetauscht. Aber im operativen Rahmen - in den drei Fällen, in denen das in den Vereinigten Staaten, im Vereinigten Königreich und in Frankreich beschlossen worden ist - brauchten wir eben auch einen Rahmen, der vertraulich ist, ohne dass wir jetzt noch mehrere Wochen lang auf eine parlamentarische Debatte warten. Das heißt, Theresa May hat das entschieden. Das war nicht unbedingt immer die Wahl, aber sie hat das eben gesagt, um effizient zu sein. In Deutschland ist das aus Verfassungsgründen eben nicht möglich. Wir tauschen uns weiterhin über dieses Thema aus. Wir wollen hinsichtlich des Themas Syrien auch weiterhin diplomatisch und humanitär zusammenarbeiten. Aber es gibt eben Besonderheiten, und daher war es jetzt nicht möglich, noch mehr als das zu tun, was wir gemacht haben.

Frage: Herr Präsident, ich hätte ganz gerne einen Punkt angesprochen, der der größte Streitfall zwischen Deutschland und Frankreich beziehungsweise zwischen Ihnen und der Bundeskanzlerin zu sein scheint, nämlich die Reform der Eurozone. Die Bundeskanzlerin hatte neue Gesprächsformate wie einen "Jumbo-Rat" oder "Wettbewerbsrat", bestehend aus Finanz- und Wirtschaftsministern, für die Eurozone ins Gespräch gebracht. Wie stehen Sie zu diesen neuen Formaten? Bringt das etwas im Vergleich zu den Vorschlägen, die Sie für die Eurozone gemacht haben? Sehen Sie die Kanzlerin und Deutschland eher - das ist die Diskussion hier in Deutschland - in einer Bremserrolle?

Frau Bundeskanzlerin, der Präsident ist Ihnen ja schon bei Ihrer Idee entgegengekommen, Kommunen in Europa, die Flüchtlinge aufnehmen, mit finanziellen Hilfen zu unterstützen. Vielleicht können Sie noch einmal skizzieren, wo Sie eigentlich dem französischen Präsidenten entgegenkommen wollen.

Da es einige Unklarheiten gab, können Sie vielleicht sagen, wie Ihre Idee eines europäischen Währungsfonds eigentlich organisiert werden soll - "intergovernmental" oder innerhalb der EU-Verträge?

BK'in Merkel: Ich kann beginnen. Die Iran-Frage möchte ich so beantworten, dass ich sehr erfreut bin, dass wir hierbei sehr eng zusammenarbeiten und dass die Frage des Abkommens aus meiner Sicht eine wichtige Frage ist, dass man aber nicht alles auf das Abkommen reduzieren kann, sondern dass natürlich zum Beispiel auch das ballistische Raketenprogramm des Irans ein Grund der Besorgnis ist. Insofern werden wir hierzu eine gemeinsame Haltung vertreten. Großbritannien fühlt sich dieser gemeinsamen Haltung genauso verpflichtet.

Ich denke, es geht um sachgerechte Lösungen. Dafür bringt jeder seinen Beitrag ein. Bei dem gemeinsamen europäischen Asylsystem haben wir eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten. Dabei geht es ja nicht nur darum, dass Kommunen unterstützt werden. Natürlich ist es immer besser, für die, die etwas tun, Anreize zu setzen und ihnen auch zu helfen als über Bestrafungen zu reden. Ich denke, das ist auch vom europäischen Prinzip her ganz wichtig.

Wir wissen, dass uns die Geografie in eine sehr, sehr unterschiedliche Lage bringt. Länder wie Italien, Griechenland und zum Teil Spanien haben natürlich ganz andere Herausforderungen zu bewerkstelligen. Deutschland hat viele Jahre lang so getan, als könne uns nichts passieren, da wir in der Mitte Europas leben. Aber wir merken jetzt, dass das so nicht geht und dass es hier eine gemeinsame Verantwortung braucht. So sehe ich den französischen Vorschlag.

Was die Reform der Eurozone anbelangt, so sind wir gemeinsam der Meinung, dass die Eurozone noch nicht ausreichend krisenfest ist. Hierzu gibt es französische, aber auch deutsche Vorschläge. Denn Wolfgang Schäuble hat zum Beispiel den Vorschlag gemacht, nicht mehr so stark vom IWF abhängig zu sein wie in der Vergangenheit, sondern europäische Kriseninstrumente wie den ESM in Zukunft stärker zu nutzen. Das heißt nicht, gegen den IWF zu arbeiten. Wir werden zum Beispiel dessen ökonomische Kenntnis weiterhin brauchen.

Ein Gegenstand, den wir sehr zügig abarbeiten werden - ich bin da sehr optimistisch -, ist die Frage, wie wir die Bankenunion fertigstellen. Die Kapitalmarktunion ist gar kein Problem. Wir sind bereit - auch das ist die deutsche Position -, in einer vielleicht nicht unmittelbaren, aber in einer ferneren Zukunft auch ein gemeinsames Einlagensicherungssystem zu machen. Aber wir wollen gern, dass Haftung und Risiken durchaus zusammengehalten werden.

Ich denke, wir sind uns auch darüber einig, dass es in Europa Solidarität braucht, dass aber natürlich auch Wettbewerbsfähigkeit notwendig ist. Warum sind denn die Programme Irlands, Spaniens und Portugals erfolgreich gewesen? - Weil sie eine Mischung aus Solidarität und eigener nationaler Anstrengung waren. Die nationalen Aufgaben liegen angesichts der nationalen Zuständigkeiten natürlich genauso auf dem Tisch. Ich denke, wir bringen zum Teil andere Aspekte ein, aber ich denke, dass die Summe unserer Vorschläge zum Schluss zu einem guten Ergebnis kommen kann.

P Macron: Die beiden Themen, die Sie angesprochen haben, stehen wirklich im Herzen der Politik, die wir im Juni ansprechen wollen. Ich denke, es geht jetzt nicht darum, dass wir über das eine oder über das andere Instrument sprechen, sondern es geht darum, dass wir sicher sind, welches Ziel wir erreichen wollen, und dass wir ein politisches Ziel haben. Man kann natürlich Ausschüsse, Instrumente usw. schaffen. Dazu gibt es verschiedenste technische Vorschläge, die vielleicht auch schon von den Ministern gemacht wurden. Aber wir müssen wissen, was das Ziel ist.

Im Wirtschafts- und Währungsbereich müssen wir bessere Verbindungen zwischen Verantwortung und Solidarität herstellen. Nach der Krise hat man, wie die Bundeskanzlerin schon gesagt hat, Elemente der Verantwortung eingeführt. Wir müssen einen Sockel haben, dass die Mitgliedsstaaten selbst Verantwortung für Reformen und für eine Wettbewerbspolitik haben. Wir müssen auf europäischer Ebene und in der Eurozone diese Wettbewerbspolitik durch Investitionen stärken, die beispielsweise für Sprunginnovationen oder für künftige Technologien angemessen sind.

Wir brauchen aber auch eine Solidarität in einer Währungsunion. Keine Währungsunion könnte überleben, wenn es nicht auch Konvergenzelemente gäbe. Wir müssen und wollen daran arbeiten, mehr Anreize zu schaffen, um eine gute Solidarität in der Währungsunion zu haben, das heißt, eine Konvergenz zwischen den Mitgliedsstaaten, und dass wir die Mitgliedsstaaten bei dieser Konvergenz begleiten. Dafür brauchen wir gute Instrumente und gute Techniken. Aber das sollten wir wirklich anstreben. Wir brauchen eine wirtschaftliche und finanzielle Souveränität. Das habe ich gesagt. Wir brauchen mehr Souveränität und Kohäsion. Wir müssen hier eine Konvergenz schaffen können, die wir noch nicht haben.

Die Bankenunion gehört auch zu diesen Konvergenz- und Soliditätselementen. Wir werden in den nächsten Wochen noch sehen, wie wir diese Bankenunion letztendlich herstellen können, auch in der Verbindung zwischen Verantwortung und Solidarität. Die Solidarität funktioniert nicht, wenn die Verantwortung von den eigenen Akteuren nicht wirklich übernommen wird. Dabei kann es immer wieder irgendwelche Zwischenfälle geben - moralische Zwischenfälle, wie die Ökonomen sagen -, aber man kann eben auch nicht vorankommen, wenn es nicht gleichzeitig auch Solidarität gibt, die diesen Sockel festigt.

Die gleiche Philosophie gilt auch für unsere Diskussionen zum Thema der Migration. In den letzten Jahren hatten wir mehrere größere Migrationsphänomene. Der Migrationsdruck ist nach wie vor hoch. Sie kommen aus dem Nahen und Mittleren Osten oder aus Afrika. Wir müssen daher eine Einigung finden, bei der wir auch Verantwortung für jeden Mitgliedsstaat haben - das sind die Regeln, die wir in Schengen haben, und auch die Überarbeitung von Dublin, die wir einrichten wollen -, aber wir müssen gleichzeitig auch Elemente für eine externe und interne Solidarität haben. Ich habe einen Vorschlag für eine Modalität gemacht.

Aber vor allem ist es wichtig, dass wir uns über das Ziel einig sind. Wir wollen interne Solidarität erreichen. Wir sind durch die Quotenaufteilung blockiert. Es gibt die Einreiseländer. Dort muss man den Zustrom ab einer bestimmten Menge aufteilen. Dann können beispielsweide die Gemeinden, die sich dafür melden, mit beteiligt werden.

Das heißt, wir brauchen eine externe Solidarität zum Schutz unserer Außengrenzen. Wir müssen mehr in den Schutz unserer Außengrenzen investieren. Aber wir müssen auch unsere Aufnahmeregelungen harmonisieren, und wir müssen eine interne Solidarität haben. Wir können nicht einem Land allein die Last der Aufnahme und der Integration überlassen.

BK'in Merkel: Von meiner Seite aus will ich, weil schon der kleinste Vorschlag zu Aufregung führt, noch etwas zur Idee sagen, dass zwei Ministerräte manchmal zusammentreffen. Zum Beispiel gab es zum Bereich der Migration einmal ein Treffen der Innen- und der Außenminister, ganz in dem Sinne, wie es der französische Präsident eben gesagt hat. Es gibt gemeinsame Treffen der Verteidigungs- und der Außenminister. Dass sich, um einmal die Diskussionslage zu betrachten und ohne irgendjemandem etwas wegzunehmen, auch einmal zwei Gruppen, nämlich Wirtschafts- und Finanzminister, treffen, gilt eigentlich nur der Frage: Wie können wir unsere Politik kohärenter gestalten? Wie wollen Sie zwischen den Ländern Kohärenz, die der Präsident genannt hat, erreichen - und wir müssen sie erreichen -, wenn der Austausch nicht auch einmal zwischen den Ressorts geführt wird. Das tun wir in unseren nationalen Regierungen jeden Tag. Das muss aus meiner Sicht auch in Europa zur Selbstverständlichkeit werden.

Donnerstag, 19. April 2018

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Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen
Präsidenten Macron am 19. April in Berlin
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/04/2018-04-19-pk-merkel-macron.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2018

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