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PRESSEKONFERENZ/1683: Statement von Kanzlerin Merkel am zweiten Tag des G7-Gipfels in Kanada, 09.06.2018 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Charlevoix - Samstag, 9. Juni 2018
Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel am zweiten Tag des G7-Gipfels in Kanada

- unkorrigiertes Protokoll -


BK'IN DR. MERKEL: Guten Tag, meine Damen und Herren! Der G7-Gipfel neigt sich dem Ende zu, und ich möchte als Erstes dem Gastgeber Justin Trudeau ganz herzlich danken. Er hat diesen Gipfel hier mit seiner Mannschaft ganz wunderbar organisiert, ihn auch thematisch sehr breit aufgestellt und uns auch in eine Region Kanadas geführt, die landschaftlich natürlich wunderschön ist und uns einen kleinen Einblick in die landschaftliche Gestaltung dieses Landes gibt.

Wir werden jetzt im Anschluss noch ein großes Outreach-Treffen haben, bei dem das Thema der Gesundheit der Ozeane, der Meere und der Küstenregionen eine herausragende Rolle spielt. Über dieses Thema haben wir uns auch eben in der Sitzung verständigt. Hier ist es sehr, sehr wichtig, dass wir auch anspruchsvolle Ziele haben. Das wesentliche Thema ist hierbei der Plastikmüll in den Ozeanen. Wir haben uns verpflichtet, bis 2030 die Verwertbarkeit oder Recyclebarkeit von Plastikmüll und, wo immer möglich, auch den Ersatz von Plastikverpackungen in unseren Ländern zu erreichen. Das ist eine Erklärung, die wir als 6+1 verabschieden werden. Das heißt, die Vereinigten Staaten sind zwar im Grundsatz für den Schutz der Ozeane, wollen sich aber an quantifizierbaren Zielen in diesem Zusammenhang nicht beteiligen.

Im Hauptteil des Gipfels ging es natürlich um die klassischen Themen, die wir haben, nämlich Handel, Klima, Weltwirtschaft und natürlich auch die außenpolitischen Herausforderungen. Es gab dabei sehr offene, zum Teil auch sehr kontroverse Diskussionen. Nach menschlichem Ermessen wird es ein Abschlusskommuniqué geben; zumindest haben wir uns im Bereich des Handels auf für uns wichtige Fragen einigen können. Hierbei war für mich ja besonders wichtig, dass wir einen Rückbezug auf vorherige Gipfel nehmen, und wir beziehen uns auf die Frage des Hamburger Abschlussprogramms, in dem der multilaterale Handel ja auch vorkommt und beschrieben wird. Für uns war wichtig, dass es ein Bekenntnis zum regelbasierten Handel gibt, dass wir weiterhin gegen Protektionismus vorgehen, dass wir auch die Welthandelsorganisation reformieren wollen - das ist unsere gemeinsame Überzeugung -, und dass wir darauf hinarbeiten, Zölle zu reduzieren, nicht-tarifäre Handelshemmnisse zu beseitigen und auch Subventionen zu reduzieren.

Das sind also gemeinsam geteilte Überzeugungen, wenngleich - das will ich ganz offen sagen - die Tücke dabei im Detail liegt. Deshalb werden viele der aktuell stattfindenden Handelsdiskussionen gerade auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika trotz dieses gemeinsamen Bekenntnisses auch weitergehen. Deshalb war diese sehr offene Diskussion auch notwendig.

Wir haben den Klimatext, das Bekenntnis zum Pariser Abkommen, in der Konfiguration sechs zu eins verabschiedet, ähnlich wie es schon in Hamburg der Fall war. Das zeigt natürlich, dass es hierüber auch unterschiedliche Meinungen gibt. Es gibt gemeinsame Aussagen zu der Frage des Umgangs mit dem Iran im Hinblick auf die ballistischen Raketen und auch die regionalen Intentionen, insbesondere im Hinblick auf Syrien und den Jemen. Auf der anderen Seite bleibt natürlich die Differenz bestehen, dass wir, zumindest die Europäer, im Iran-Abkommen bleiben wollen und auch hoffen, dass der Iran seine Verpflichtungen weiterhin erfüllt, während die Vereinigten Staaten von Amerika dieses Abkommen ja verlassen haben.

Wir haben Aussagen zu der Umsetzung des Minsker Abkommens getroffen. Wir haben auch Aussagen zu der Notwendigkeit der Lösung anderer Verpflichtungen, internationaler Komplikationen und Krisen getroffen. Wir wünschen uns natürlich alle, dass es in den Gesprächen, die der amerikanische Präsident jetzt in Singapur mit dem nordkoreanischen Machthaber führen wird, Fortschritte bezüglich der Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel gibt, und darüber haben wir am gestrigen Abend auch sehr ausführlich gesprochen.

Wir haben auch über das Thema Russland-Teilhabe gesprochen. Ich habe es gestern schon gesagt und will das gerne wiederholen: Aus meiner Sicht müssen signifikante Fortschritte bei der Umsetzung des Abkommens von Minsk erreicht werden - da sind wir leider noch nicht -, um die Möglichkeit zu eröffnen, dass auch Russland wieder an einem solchen Tisch Platz nimmt. Deshalb sehe ich eine unmittelbare Teilnahme nicht.

Nächstes Jahr wird Frankreich das G7-Treffen ausrichten, und wir freuen uns natürlich, dass dann auch viele der Themen wieder aufgenommen werden, die hier jetzt noch im Rahmen sogenannter Commitments, also Verpflichtungen, verabredet wurden. Einen großen Beitrag spielte dabei die Frage von Frauen; darüber haben wir heute Morgen auch in zwei Sitzungen mit dem Ratgeberrat, den sich Justin Trudeau genommen hat, bei einem Frühstück gesprochen. Hierbei geht es um Bildung für Frauen, um Zugang zu anspruchsvollen Jobs, um Gesundheit für Frauen und um die Frage, wie wir die Gewalt gegen Frauen eindämmen können. Das ist also auch ein sehr umfassendes Bekenntnis zur Gleichberechtigung im umfassenden Sinne.

Es geht dann im Weiteren noch um eine gemeinsame Vision für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz - natürlich ein zentrales Thema für die Zukunft -, um ein Bekenntnis zu innovativer Entwicklungsfinanzierung - jeder von uns weiß, dass wir hier auch noch weitere Schritte gehen müssen -, um ein Bekenntnis zum Schutz der Demokratie vor Bedrohungen aus dem Ausland, um ein Bekenntnis zur Beendigung von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt im digitalen Kontext - also eine Facette des gesamten Kapitels der Gleichberechtigung -, wiederum auch um eine Erklärung für die Bildung von heranwachsenden Mädchen und Frauen in Entwicklungsländern - auch eine Facette aus dem Bereich der Geschlechtergerechtigkeit - und dann eben jetzt um das große Thema der gesunden Ozeane, Meere und Küstenregionen, das eben jetzt in der dreistündigen Diskussion mit den sogenannten Outreach-Teilnehmern diskutiert wird. Das heißt, dass vor allen Dingen auch mit denen diskutiert wird, die betroffen sind, zum Beispiel die kleinen Inselstaaten, und das wird noch einmal ein sehr spannender Höhepunkt des gesamten G7-Gipfels sein.

FRAGE BLANK: Frau Bundeskanzlerin, der US-Präsident hat bei seiner vorzeitigen Abreise von hier gesagt, er gebe dem Verhältnis zu Ihnen die Bestnote 10. Jetzt würde ich Sie gerne fragen: Wie bewerten Sie auf einer Skala von 1 bis 10 das Verhältnis zu Herrn Trump?

Eine zweite Frage zu einem Fall, der ganz Deutschland bewegt: Der Verdächtige im Mordfall Susanna wird noch heute nach Deutschland zurückgebracht werden. Wie beurteilen Sie den Fall? Welche Auswirkungen hat der Fall auf das Verhältnis zwischen Migranten und Deutschen zuhause?

BK'IN DR. MERKEL: Zuerst einmal gehöre ich nicht zu denen, die Benotungen vornehmen. Aber ich darf auch von meiner Seite sagen, dass ich mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump ein sehr offenes und direktes Verhältnis pflege. Wir haben auch am Rande dieses Gipfels und bei der Arbeit an dem Kommuniqué sehr viel und sehr intensiv miteinander gesprochen. Es gibt erkennbare Meinungsverschiedenheiten, aber es gibt eben auch die Möglichkeit, direkt und dann sozusagen sehr persönlich mit ihm zu sprechen, und das schätze ich.

Was die Frage des abscheulichen Mordes an Susanna anbelangt, will ich sagen, dass dieser Mord ganz Deutschland und auch mich sehr tief erschüttert hat. Das unfassbare Leid, das der Familie und dem Opfer widerfahren ist, berührt jeden und erfasst auch mich. Ich kann jetzt nur sagen, dass es gut ist, dass der mutmaßliche Täter gefasst wurde und wahrscheinlich auch nach Deutschland zurückkehrt. Die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und den kurdischen Sicherheitsbehörden hat in diesem Zusammenhang gut funktioniert.

Zu den weiteren Details kann ich mich jetzt naturgemäß nicht äußern. Allerdings ist ein solches abscheuliches Vorkommnis natürlich für viele Menschen auch ein Grund, sehr sorgenvoll zu sein, und wir leiden mit der Familie. Auf der anderen Seite ist das eine Aufforderung an uns alle, erstens die Integration sehr ernst zu nehmen und unsere Werte auch immer wieder deutlich zu machen, aber eben auch jede Straftat Recht und Gesetz entsprechend zu ahnden. Wir können nur zusammenleben, wenn wir uns alle an unsere Gesetze halten, und deshalb muss die Justiz hier natürlich, wenn diese Dinge bewiesen sind, auch mit aller Klarheit ein Urteil sprechen.

FRAGE DR. RINKE: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben auf die Gemeinsamkeiten in der Abschlusserklärung hingewiesen, was den Handel angeht. Nun hat Herr Trump bei seiner Abschlusspressekonferenz sogar damit gedroht, den Handel mit der EU komplett einzustellen, falls die EU in dem Streit mit den, wie er findet, benachteiligten USA nicht nachgebe. Herr Conte hat eben gesagt, dass er doch dafür sei, dass Russland zum G8-Rahmen hinzustößt. Muss man aus beiden Aussagen nicht den Schluss ziehen, dass der G7-Gipfel eigentlich kein wirkliches Ergebnis gebracht hat, wenn zumindest Herr Trump und Herr Conte auf die Positionen zurückfallen, die sie vorher hatten und Herr Trump seine Position sogar noch verschärft?

BK'IN DR. MERKEL: Das Kommuniqué ist erst einmal von allen vereinbart worden; jedenfalls war der Stand so, als ich die Diskussion abgeschlossen habe. Ich gehe also davon aus, dass wir einen gemeinsamen Text zum Handel haben.

Zweitens löst das - das habe ich ja eben auch schon gesagt - die Probleme nicht im Detail, und da gibt es zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union unterschiedliche Auffassungen. Wir haben verabredet, dass wir die Dinge jetzt auch bewerten werden. Aber diese unterschiedlichen Auffassungen sind nicht aus der Welt; das hatte ich ja in meinen eingehenden Bemerkungen bereits gesagt. Insofern steht uns im konkreten Falle noch manche Diskussion bevor, bei der wir auf der europäischen Seite glauben, dass wir uns entsprechend der internationalen Regeln verhalten, aber auch weiterhin durchaus dazu bereit sind, in Gespräche einzutreten.

Was jetzt die Meinung des italienischen Premierministers anbelangt, so ist ja auch kaum davon auszugehen, dass er seine Meinung zwischen gestern und heute völlig ändert. Die Mehrzahl der hier Anwesenden war jedenfalls der Meinung, dass wir Fortschritte im Bereich der Umsetzung des Abkommens von Minsk und in der Ukraine brauchen, und ich bin sehr dankbar dafür, dass auch der italienische Ministerpräsident gesagt hat, dass er sich zwar wünscht, dass die Sanktionen eines Tages aufhören, aber dass man dafür auch Fortschritte in Sachen Minsk braucht. Das ist eine wichtige Botschaft des italienischen Ministerpräsidenten. - Herzlichen Dank!

(Ende: 12.13 Uhr)

Samstag, 9. Juni 2018

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Quelle:
Pressestatement von Bundeskanzlerin Angela Merkel
am zweiten Tag des G7-Gipfels in Kanada, 9. Juni 2018
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2018/06/2018-06-08-statement-merkel-g7-2.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2018

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