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NORDRHEIN-WESTFALEN/2296: Diskussion über das Landesbeamtengesetz (Li)


Landtag intern 8/2017
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Befördern - aber wie?
Diskussion über das Landesbeamtengesetz

von Susanne Ellert


5. September 2017 - Der Landtag hat das Landesbeamtengesetz geändert. Anlass war Kritik an der Beförderungsregelung für Beamtinnen und Beamte. Bereits Anfang September hatten sich Sachverständige zu dem Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP geäußert.


Der Gesetzentwurf Drs. 17/78, Drs. 17/542 und Drs. 17/611 wurde am 13. September 2017 in zweiter Lesung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP und AfD angenommen. SPD und Grüne stimmten dagegen.

Die Kritik von CDU und FDP hatte sich an Paragraf 19 Absatz 6 des von der rot-grünen Vorgängerregierung verabschiedeten Gesetzes entzündet. Gegen die Regelung gebe es verfassungsrechtliche Bedenken, begründeten die Fraktionen. Der Paragraf besagte, Frauen seien "bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen". Hierbei war es bereits ausreichend, wenn die jeweils aktuelle Bewertung gleichwertig war. Frühere Qualifikationen wurden demnach nicht beachtet. Das widerspreche, so die Fraktionen von CDU und FDP, dem im Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes verankerten Leistungsprinzip. Dieses besage, dass jeder Deutsche "nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte" habe.

In einer Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses hatten Sachverständige den Gesetzentwurf zuvor unterschiedlich bewertet.

Der Landesverband NRW der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG NRW) hielt die Änderung des Landesbeamtengesetzes der früheren rot-grünen Regierung für dringend notwendig. Die Formulierung "bei im Wesentlichen gleicher Eignung" führe bei der Polizei zu erheblichen Problemen, da Beurteilungen zuvor auf einer anderen Grundlage zustande gekommen seien. Dadurch seien Männer in der Beförderungsliste nach hinten gerutscht, und Frauen werde unterstellt, sie würden nur wegen ihres Geschlechts befördert.

Auch der Deutsche Beamtenbund Nordrhein-Westfalen (DBB NRW) begrüßte in der Anhörung den Gesetzentwurf. Das Gesetzesvorhaben sei jedoch nur als erster Schritt zu sehen. Darüber hinaus müsse es u. a. weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben. Teilzeitbeschäftigte würden häufig schlechter bewertet und hätten dadurch kaum Aussichten auf Führungspositionen, so Roland Staude, Vorsitzender des DBB NRW. Da 95 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen seien, treffe es vor allem diese.

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW nahm schriftlich Stellung. Sie hielt es zwar für konsequent, bei gleicher Qualifizierung allein nach der aktuellen dienstlichen Beurteilung und dem darin enthaltenden gleichwertigen Gesamturteil zu entscheiden. Die Formulierung "bei im Wesentlichen gleicher Eignung" hielt sie jedoch für verfassungsrechtlich bedenklich. Daher unterstützte sie den Gesetzentwurf von CDU und FDP.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) war hingegen der Ansicht, dass die rot-grüne Regelung beibehalten werden solle. Die vorherige Gesetzeslage habe die Gleichstellung der Beamtinnen und Beamten nicht erfüllt. Die stellvertretende Vorsitzende des DGB NRW, Dr. Sabine Graf, forderte zudem ein umfassenderes Konzept, in dem u. a. Schulungen von Vorgesetzten zur Genderkompetenz vorgesehen seien.

"Drahtseilakt"

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros (BAG) lehnte die Gesetzesänderung ab. Bundessprecherin Christel Steylaers betonte, dass die Weiterentwicklung des Rechts Zeit brauche und auch ein verfassungsrechtlicher Drahtseilakt sei. "Quoten sind unbeliebt, aber manchmal der einzige Weg, um Nachteile auszugleichen", so Steylaers. Die BAG bedauere, dass es keine verfassungsrechtliche Prüfung des rot-grünen Gesetzes mehr geben werde.

Dr. Martin Heidebach vom Institut für Politik und Öffentliches Recht der Universität München sah eine Änderung der Regelung als verfassungsrechtlich nicht notwendig an. Er widersprach damit vor allem einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, das den infrage stehenden Paragrafen 19 Absatz 6 des rot-grünen Gesetzes als verfassungswidrig eingestuft hatte.

Professor Dr. Christian von Coelln vom Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungs-, Wissenschafts- und Medienrecht an der Universität Köln begrüßte die Änderung. Die kritisierte Regelung zur Beförderung sei nicht mit dem verfassungsrechtlichen Leistungsgrundsatz vereinbar gewesen.

Auch der Rechtsanwalt Mark Fröse hielt die Gesetzesänderung für sinnvoll. In der vorherigen Praxis würden relevante Einzelbewertungen nicht beachtet.

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Quelle:
Landtag intern 8 - 48. Jahrgang, 19.09.2017, S. 7
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2017

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