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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2021: 25 Jahre Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 08 - Oktober 2013

25 Jahre Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten

Birgit Wille: "Wir sorgen mit unserer Arbeit für Rechtsfrieden"



Vor 25 Jahren war es eine bundesweit neue Idee des damaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm: Nach skandinavischem Vorbild sollte es auch in Schleswig-Holstein eine "Ombudsstelle" geben, einen Anlaufpunkt für Bürger, die sich von Ämtern und Behörden schlecht behandelt fühlen. Das Beratungsangebot der im September 1988 eingerichteten Bürgerbeauftragten stößt seitdem auf große Resonanz. Im vergangenen Vierteljahrhundert haben mehr als 64.000 Bürger hier Rat gesucht. Statistisch gesehen gehen jeden Tag zehn Anfragen bei der heutigen Bürgerbeauftragten Birgit Wille und ihren Mitarbeitern ein. Birgit Wille ist nach Eugen Glombig (1988-1993) und Siegrid Warnecke (1994-2001) die dritte Amtsinhaberin. Im Gespräch mit der Landtagszeitschrift blickt sie zurück - und fordert konkrete Schritte von Verwaltung und Politik.


Landtag: 25 Jahre Bürgerbeauftragte bedeutet auch: 25 Jahre Probleme mit dem Sozialrecht. Ist das für Sie dennoch ein schönes Jubiläum, Frau Wille?

Birgit Wille: Ja, wir freuen uns. Die Stelle war ja anfangs nicht ganz unumstritten. Aber inzwischen unterstützen alle Fraktionen im Landtag unsere Arbeit und halten sie für notwendig und wichtig. Zudem stellen wir fest, dass die Bürgerinnen und Bürger gerne zu uns kommen, trotz ihrer Probleme. Sie fühlen sich aufgehoben und gut beraten. Und auch bei den Verwaltungen haben wir eine große Akzeptanz.


Landtag: Andererseits könnte man auch von einem traurigen Jubiläum sprechen, weil immer mehr Bürger Probleme haben und sich an Sie wenden. In einer perfekten Welt müsste es die Einrichtung nicht geben...

Birgit Wille: Ich glaube nicht, dass wir eine solche perfekte Welt einmal erreichen werden. Konflikte wird es immer geben. Nur: Wie man sie bearbeitet, das ist das Entscheidende. Keiner darf ständig den Kürzeren ziehen, alle müssen auf gleicher Augenhöhe miteinander kommunizieren. Insofern sorgen wir durch unsere Arbeit auch für Rechtsfrieden. Wir geben den Bürgern das Vertrauen in die Verwaltung und das politische System zurück.


Landtag: Sie beklagen die Regelungsdichte und die Kleinteiligkeit im Sozialrecht. Wer hat Schuld daran?

Birgit Wille: Den Begriff Schuld würde ich nicht verwenden. Es hat einfach viele Veränderungen in der Gesellschaft gegeben. Gerade im Bereich des Lebens mit Kindern hat es eine große Ausdifferenzierung gegeben - sei es das Elterngeld, das Paket für Bildung und Teilhabe, das Betreuungsgeld oder der Kinderzuschlag. Vor 25 Jahren gab es das alles noch nicht, da war alles noch ziemlich übersichtlich.


Landtag: Scharfe Kritik üben Sie an den Behörden: Ein einfacher, unbürokratischer Kontakt sei oft nicht erwünscht, sagen Sie...

Birgit Wille: Da muss man differenzieren. Im Behördenhandeln hat sich grundsätzlich viel verbessert, etwa bei den Einwohnermeldeämtern oder bei den Kfz-Zulassungsstellen. Aber wenn Sie zum Beispiel Ihr Jobcenter oder Ihre Kindergeldkasse erreichen wollen, dann wird es Ihnen als Antragsteller zum Teil sehr schwer gemacht. Sie bekommen kaum Kontakt zu Ihrem Sachbearbeiter, es werden Call-Center vorgeschaltet, oder Sie werden auf bestimmte Zeiten verwiesen, zu denen dann aber doch keiner da ist.


Landtag: Sie fordern ein "Recht auf gute Verwaltung" in der Verfassung. Wie ist die Reaktion in der Landespolitik?

Birgit Wille: Wir haben diesen Vorschlag im Sonderausschuss zur Verfassungsreform eingereicht, und ich bin guter Hoffnung, dass dieses Recht in der Verfassung verankert wird. Der Bürger hätte dann ein verfassungsmäßiges Recht darauf, beraten, informiert und angehört zu werden und in absehbarer Zeit eine Entscheidung von einer Behörde zu bekommen. Das wäre ein Qualitätsschritt in unserem demokratischen System.

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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 08 im Oktober 2013, S. 14
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Referat für Öffentlichkeitsarbeit, Düsterbrooker Weg 70, 24105 Kiel
Tobias Rischer, Referatsleiter
Telefon: 0431/988-11 16
E-Mail: tobias.rischer@landtag-ltsh.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2013