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AUSSEN/1335: Erklärung des SPD-Parteivorstandes zum Konflikt zwischen der Ukraine und Russland


SPD-Pressemitteilung vom 10. März 2014

Erklärung des SPD-Parteivorstandes zum Konflikt zwischen der Ukraine und Russland



In seiner heutigen Sitzung hat der SPD-Parteivorstand folgende Erklärung verabschiedet:

I.

Die jüngsten dramatischen Entwicklungen auf der ukrainischen Halbinsel Krim haben zur schwersten Krise in Europa seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes geführt. 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges und der Überwindung der Block-Konfrontation ist die Gefahr einer erneuten Spaltung Europas real.

Europa steht gefährlich nahe an der Schwelle zu einer militärischen Auseinandersetzung. Wer diesen Konflikt weiter schürt, gefährdet den Frieden in Europa und riskiert eine Krise, deren Folgen weit über Europa hinausreichen würden.

Hundert Jahre nach Beginn des ersten Weltkrieges muss gelten: militärische Gewalt darf nie wieder Mittel der Politik werden. Wir appellieren deshalb an alle Konfliktparteien, alles für eine Beruhigung der Lage zu tun und jede weitere Eskalation zu vermeiden. Als dem Frieden verpflichtete Partei hat die SPD stets in ihrer Außenpolitik auf die Prinzipien der Entspannung, des Dialoges und der Zusammenarbeit gesetzt, um Konfrontationen zu entschärfen und Wege für eine friedliche Konfliktlösung zu öffnen. Unsere Überzeugung ist: Diese Prinzipien einer Friedens- und Entspannungspolitik müssen jetzt auch Wegweiser für die notwendigen Schritte hin zu einer Lösung des aktuellen Konfliktes in der Ukraine sein.

II.

Das russische Vorgehen in Bezug auf die Krim ist inakzeptabel und mit dem Völkerrecht nicht vereinbar. Jede direkte oder indirekte Unterstützung extremistischer und separatistischer Kräfte in der Region gefährdet die Sicherheit und Stabilität auf der Krim und in anderen Landesteilen der Ukraine und muss unterbleiben. Die militärischen Drohgebärden müssen ein Ende haben. Das staatliche Gewaltmonopol der Ukraine muss wieder hergestellt werden.

Russland ist aufgefordert, die territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren und alles zu unterlassen, was Abspaltungstendenzen auf der Krim befördert. Die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine kann auch nicht per Referendum ausgehebelt werden. Wir rufen die russische Führung auf, das internationale Völkerrecht und die bestehenden internationalen Abkommen und bilateralen Verträge zwischen Russland und der Ukraine zu achten. Die zusätzlich in die Region entsandten russischen Truppen müssen zurückgezogen werden.

Wir appellieren an die russische Führung, in direkte Gespräche mit der legitimen, aus der Mitte des ukrainischen Parlaments hervorgegangenen Regierung der Ukraine einzuwilligen.

III.

Am 21.02.2014 haben die Außenminister des Weimarer Dreiecks in einem schwierigen Verhandlungsprozess eine Vereinbarung zwischen der damaligen ukrainischen Führung und der Opposition vermittelt, mit der es gelungen ist, die Eskalation der Gewalt zu stoppen und weiteres Blutvergießen zu verhindern.

Die in dieser Vereinbarung verankerten Prinzipien bleiben auch nach der Flucht von Janukowitsch die entscheidende Richtschnur zur Lösung der schweren innenpolitischen Krise der Ukraine. Die neue ukrainische Führung muss sich an diesen Prinzipien orientieren:

Es gilt eine inklusive Regierung zu bilden. Die Rechte nationaler Minderheiten müssen geachtet und aktiv geschützt werden. Militanter Antisemitismus und Rechtsextremismus dürfen in der neuen ukrainischen Ordnung keinen Platz haben. Eine neue Verfassung, die die Rechte der jeweiligen Opposition wahrt, muss erarbeitet, und freie und faire Präsidentschaftswahlen müssen vorbereitet werden. Radikale Kräfte müssen mit rechtstaatlichen Mitteln eingedämmt werden zum Schutz von Menschen- und Bürgerrechten sowie der Demokratie in der Ukraine. Die Ereignisse auf dem Maidan im Februar 2014, die zu mehr als 80 Toten und vielen hundert Verletzten geführt haben, müssen aufgearbeitet, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

IV.

Angesichts der unübersichtlichen Situation auf der Krim muss es jetzt zunächst darum gehen, durch Beobachter, die von allen Seiten als legitim anerkannt werden, eine objektive Einschätzung der Lage in der Region zu gewinnen, auch um zu verhindern, dass die Situation durch gezielte Desinformation weiter destabilisiert wird. Wir unterstützen deshalb mit Nachdruck die "fact finding mission" zur Aufklärung der Lage auf der Krim durch die OSZE.

Die intensiven diplomatischen Bemühungen zur Einsetzung einer hochrangigen internationalen Kontaktgruppe müssen entschlossen fortgeführt werden, um direkte Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zu erleichtern: Eine friedliche Lösung der Krim-Krise kann nur auf dem Wege von Verhandlungen erreicht werden. Sollte dies nicht gelingen, haben die europäischen Staats- und Regierungschefs gestufte Maßnahmen der Europäischen Union angekündigt. Umso dringlicher stellt sich die Notwendigkeit, auf dem Verhandlungswege jetzt Erfolge zu erzielen.

Die ukrainische Regierung braucht unsere aktive Unterstützung bei der Vorbereitung freier und demokratischer Wahlen sowie bei der Bewältigung der enormen Strukturreformen, vor denen das Land steht. Dazu gehört z.B. auch die Unterstützung beim Verwaltungsaufbau des Landes, bei der Stabilisierung der rechtstaatlichen Strukturen, der Umsetzung des notwendigen demokratischen Prozesses oder der Gewährleistung der Grundversorgung für die Menschen, etwa im Gesundheitsbereich.

Die Stabilisierung der Ukraine wird nur gelingen, wenn die beträchtlichen wirtschaftlichen Probleme des Landes bewältigt werden. Hierzu braucht es aktive finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, um ein wirtschaftliches Auseinanderbrechen des Landes mit fatalen politischen und sozialen Folgen zu verhindern. Das Hilfspaket der Europäischen Union in Höhe von insgesamt 11 Milliarden Euro ist hierzu ein wichtiger Beitrag. Die wirtschaftliche Unterstützung muss den Menschen überall im Land, auch auf der Krim zu Gute kommen.

Europa steht an einer Wegscheide. Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um eine erneute Spaltung unseres Kontinents und einen Rückfall in längst überwunden geglaubte Konfrontationsmuster zu verhindern. Europa braucht dazu auch eine kohärente, ambitionierte Russland-Strategie. Diese ist umso wichtiger, weil bei vielen internationalen Herausforderungen eine konstruktive Rolle und Einbeziehung Russlands weiterhin wichtig ist. Beim aktuellen Konflikt geht es um Frieden in Europa. Und darüber hinaus geht es auch um die künftige Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft zur Lösung von Krisen und Konflikten weltweit.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 069/14 vom 10. März 2014
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2014