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INNEN/2367: Verabschiedung der Resolution "Miteinander. Für Deutschland"


SPD-Pressemitteilung 459/12 vom 9. Dezember 2012

Miteinander. Für Deutschland



Der außerordentliche Bundesparteitag der SPD hat am 9. Dezember 2012 einstimmig folgende Resolution verabschiedet:

Deutschland steht trotz der Krise gut da. Die Menschen in unserem Land haben in den vergangenen Jahren Enormes geleistet. Ihnen ist es zu verdanken, dass es Deutschland heute vergleichsweise gut geht. Sozialstaat, Sozialpartnerschaft und aktive Wirtschaftspolitik haben sich in der Krise der Finanzmärkte als Garanten von Stabilität und Erfolg erwiesen. Deutschland ist ein starkes Land mit großen Potentialen.

Aber dennoch ist etwas aus dem Lot geraten in unserem Land: Gehaltsexzesse auf der einen Seite und Armut trotz Arbeit auf der anderen Seite lassen unsere Gesellschaft auseinanderdriften. 6 Millionen Menschen arbeiten für weniger als 8 Euro in der Stunde. Vor allem Alleinerziehende, aber auch viele Familien mit Kindern drohen in eine Armutsfalle zu geraten. Viele Menschen sind verunsichert, fühlen sich abgehängt und verlieren den Glauben an den Aufstieg in und mit der Gesellschaft.

Die Ungleichheit hat einen Preis. Ob Kommunen oder Infrastruktur, ob Energie oder Internet, die Modernisierung unseres Landes gerät ins Stocken. Weil Investitionen schwach sind und Binnenkaufkraft fehlt, gerät das Wachstum in eine Schieflage. Diese Schieflage trägt zur Krise in Europa bei, die zunehmend auch Deutschlands Arbeitsplätze und Wirtschaft bedroht.

Die aktuelle Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP lebt von der Substanz. Sie sorgt nicht vor. Sie ignoriert die konkreten Probleme der Menschen im Alltag, verleugnet die zunehmende gesellschaftliche Spaltung und verschleiert die Ursachen der Krise in Europa. Sie versagt bei der Energiewende und bei der Pflegereform gleichermaßen. Die Hoteliersteuer, das Betreuungsgeld, Samthandschuhe für Steuerhinterzieher und Banken, die leere Worthülse von der "Bildungsrepublik", die Blockade bei der Frauenquote, der Etikettenschwindel beim Mindestlohn, der unverantwortliche Export deutscher Panzer in Krisengebiete sind nicht nur Ärgernisse, sondern zeigen den Realitätsverlust und die fehlende Wertorientierung der selbstausgerufenen "besten Regierung seit der Wiedervereinigung".

Die Politik von CDU, CSU und FDP verschärft die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft. Die Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und die Vertiefung der Zwei-Klassen-Medizin sind weder sozial, noch marktwirtschaftlich. Sie sind Ausdruck einer Politik der Gleichgültigkeit gegen soziale Verwerfungen, der Abgehobenheit und einer Politik des Taktierens von Getriebenen. Die Bundesregierung hätte jetzt die Chance, Vorsorge für Deutschland und Europa zu treffen und unsere Gesellschaft nachhaltig umzusteuern. Ihr fehlt aber die große Linie, die Vorstellung von einer besseren Gesellschaft und einer besser funktionierenden Wirtschaft in Deutschland und für Europa. CDU, CSU und FDP haben über drei Jahre nur am Zusammenraufen der Koalition, nicht am Zusammenhalt des Landes gearbeitet.

Damit es besser wird, braucht es eine andere Politik. Eine Politik der klaren Alternative. Eine Politik des Miteinanders. Eine Politik, die sich auf Werte stützt. Eine Politik, die mehr Demokratie wagt. Eine Politik für mehr Gerechtigkeit in Deutschland. Eine Politik, die die zunehmende soziale Spaltung nicht achselzuckend zur Kenntnis nimmt. Eine Politik, die erkennt, dass die derzeitige Spaltung unserer Gesellschaft das Fundament unseres Zusammenlebens gefährdet. Eine Politik, die den inneren Zusammenhalt stärken will. Eine Politik für eine bessere Gesellschaft. Eine Politik, in der keine und keiner zurückgelassen wird.

Dafür müssen wir unser Land wieder ins Gleichgewicht bringen. In der Wirtschaft, in der Gesellschaft und in unserer Demokratie müssen wir eine neue Balance schaffen. Dafür wollen wir zuallererst, dass die soziale Marktwirtschaft wieder "Wohlstand für alle" und nicht Reichtum für wenige bringt. Dafür müssen wir in Bildung, Kinderbetreuung und gute Gesundheitsvorsorge investieren. Das geht angesichts der Staatsverschuldung nur über eine gerechte Besteuerung: Hohe Vermögen, hohe Einkommen und große Erbschaften sollen, ebenso wie die Verursacher der Krise - die Banken -, stärker zu einem handlungsfähigen Gemeinwesen und zur Bewältigung der Kosten der Krise herangezogen werden. Unsere Steuerpolitik ist darauf ausgerichtet, ungerechte Privilegien zu beseitigen und unsere Gesellschaft als Ganzes zu stärken.

Für ein neues Gleichgewicht brauchen wir eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Arbeit muss sich wieder lohnen. Gerechte Löhne, eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sowie eine gestärkte Mitbestimmung sind Grundvoraussetzungen einer erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft. Die Spaltung auf dem Arbeitsmarkt muss überwunden werden. Deshalb müssen wir Tarifverträge stärken und brauchen den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern müssen wir genau so überwinden, wie die zwischen Leiharbeitern und Stammbelegschaften. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf braucht gute Arbeit und eine soziale Infrastruktur. Dazu gehören mehr unbefristete, gut entlohnte und sozial abgesicherte Arbeitsverhältnisse ebenso wie familienfreundliche Arbeitszeiten. Wir wollen, dass die Familie partnerschaftlich miteinander organisiert werden kann. Alleinerziehende sollen respektiert und gefördert werden. Alle, Frauen und Männer, sollen Familienarbeit und Berufstätigkeit miteinander vereinbaren können. Kinder und Karriere dürfen sich nicht länger ausschließen. Jeder noch so bunte Lebensentwurf soll in Deutschland verwirklicht werden können. Dafür brauchen wir eine deutlich bessere Betreuungsinfrastruktur für Kinder und eine verlässliche und an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Pflege.

Wir stehen mit all dem für eine andere, eine moderne Gesellschaft: Familie ist für uns dort, wo Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen. Deshalb werden wir die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Gleichstellung muss vorangebracht und das Ehegattensplitting umgestaltet werden, so dass es den vielfältigen Lebensentwürfen eines modernen Landes entspricht und besonders Familien mit Kindern fördert. Gleichstellung braucht auch eine harte Quote für Frauen in Unternehmen und keine weichen Besserungsversprechen auf Unternehmensseite. Aus der wohlfeilen Klage über Fachkräftemangel muss das handfeste Engagement für Chancengleichheit werden.

Bildung hat für uns höchste Priorität. Wir müssen massiv in die Bildung investieren. Der Emanzipationsauftrag von Bildung muss besser mit dem wirtschaftlichen Ziel von Ausbildung in Einklang gebracht werden. Die verengte ökonomische Sicht auf Bildung hat die Erkenntnis verdrängt, dass Bildung Zeit und gemeinsames Lernen braucht. Bildung verkümmert, wenn sie einfach instrumentalisiert wird. Miteinander Lernen beginnt sehr früh und legt den Grundstein für den weiteren, erfolgreichen Bildungsverlauf eines Kindes. Kitas haben einen Bildungs- und nicht nur einen Betreuungsauftrag. Deshalb sind wir für verstärkte Investitionen, finanziert über eine gerechte Steuerpolitik.

Deutschlands Zukunft liegt in seiner Vielfalt. Vielfalt bedeutet Chancen aber auch Herausforderungen. Integration bedeutet für uns, dass unabhängig von der Herkunft so früh wie möglich Grundlagen für ein gesellschaftliches Miteinander, für Ein- und Aufstiege gelegt werden. Potenziale entdecken, Talente fördern, individuell Perspektiven schaffen, Leistung ermöglichen, um diese zum Wohl der Gesellschaft einbringen zu können - dafür steht die deutsche Sozialdemokratie.

Ein neues Miteinander können wir nur in Kommunen mit guter kultureller, sozialer, integrativer Infrastruktur sowie Angeboten für Partizipation und Engagement schaffen. Und mit einer Gesellschaft, die weiß, dass die Chancen jedes Einzelnen auch immer vom Fortkommen aller anderen abhängen. Wir wollen daher die Kommunen auch finanziell stärken.

Auch in der Pflege- und Gesundheitspolitik brauchen wir einen Systemwechsel. Die zunehmende Zwei-Klassen-Medizin muss beendet werden durch eine Bürgerversicherung , in der alle miteinander füreinander einstehen. Wir müssen in Prävention investieren, um Krankheit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden. Denn Gesundheit zu fördern sichert Chancengleichheit und stärkt unsere Gesellschaft. Sie steigert die Lebens- und Arbeitsqualität und fördert nicht nur das eigene Glück, sondern auch die Leistungskraft unserer Wirtschaft. Es geht uns um den gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung und verlässlichen Pflegeleistungen und um medizinischen Fortschritt für alle, um eine gute Pflege für alle Bürgerinnen und Bürger und bessere Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung der Arbeit in Gesundheit und Pflege.

In der sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit und im Alter wird sozialer Zusammenhalt erlebbar. Dauerhafte und gut entlohnte Arbeit ist die Voraussetzung für ein sozial sicheres Leben im Alter nach dem Ausscheiden aus dem Berufs- und Erwerbsleben. Arbeitslosigkeit darf kein dauerhaftes Schicksal sein. Krankheit und Erwerbsminderung dürfen nicht zu Armut führen und ein langes Erwerbsleben muss im Alter anerkannt werden. Nur im Miteinander der Menschen und der Generationen können die grundlegenden Lebensrisiken und das Alter abgesichert und soziale Spaltung verhindert werden.

Pflege, Gesundheit, soziale Sicherheit, Bildung, Gleichstellung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine gerechte Steuerpolitik, nicht zuletzt aber gute Arbeit, gerechte Löhne und Mitbestimmung auf Augenhöhe sind das "Soziale", das unsere Marktwirtschaft braucht, um wieder eine "Soziale Marktwirtschaft" zu werden. Aber auch unsere Wirtschaft braucht bei aller derzeitiger Stärke eine bessere und andere Politik. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Zusammenspiel von aktiver und ökologischer Industriepolitik, innovativem Mittelstand und einem Dienstleistungssektor mit Beschäftigung von hoher Qualität. Eine gute Industrie- und Dienstleistungspolitik ist ein Innovationsmotor, erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze.

Allen voran muss die Energiewende besser gemanagt werden. Die chaotische Energiepolitik der Bundesregierung ist das größte Investitionsverhinderungsprogramm seit der Wiedervereinigung. Nur eines ist hier noch sicher: steigende Energiepreise. Die SPD wird einen Masterplan umsetzen, bei dem die Kosten der Energiewende niemanden überfordern. Das heißt, eine sozialverträgliche Preisentwicklung für Privathaushalte und Unternehmen, bei konsequentem Ausbau der Erneuerbare Energien und konsequentem Netzausbau. In den Kommunen wird die Energiewende vor Ort seit mehr als zehn Jahren umgesetzt, diese Entwicklung werden wir stützen. Eine höhere Innovationskraft und Innovationsgeschwindigkeit bei ressourcenschonenden Technologien erneuert die Produktionsbasis Deutschlands und macht sie zukunftsfest. Nachhaltigkeit und CO2-Einsparung ist dabei kein nachgelagertes Ziel, sondern muss im Fokus einer jeden Politik der Vorsorge sein.

Einen fundamentalen Wandel brauchen wir nicht zuletzt auf den Finanzmärkten. Das Finanzsystem ist so überdiskutiert wie unterreguliert. Die Dominanz der Finanzmärkte treibt ganze Staaten vor sich her und schadet unserer Wirtschaft. Wir müssen Finanzmärkte in die Schranken der sozialen Marktwirtschaft weisen, sie strukturell regulieren und sicherstellen, dass sie ihre Grundfunktionen für die Gesellschaft und die Wirtschaft erbringen. Die Besteuerung von Finanzgeschäften ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Aber wir müssen weiter gehen. Aufsicht und Regulierung müssen in europäischer Zusammenarbeit geschehen. Deutschland muss mit seinen Partnern in Europa auf eine effektive Finanzmarktregulierung hinwirken. Dazu gehört als Risikovorsorge ein bankenfinanzierter Bankenrettungsfonds, deutlich höhere Eigenkapitalquoten von Banken und die Trennung des Einlagen- und des Investmentbanking.

Die derzeitige Krise im Euroraum geht auf die Krise der Finanzmärkte zurück und ist eine fundamentale gemeinsame Herausforderung für alle Mitgliedstaaten der EU. Es geht darum, ob ein soziales und demokratisches Europa eine Zukunft hat, oder Europa von den Märkten dominiert wird. Das bisherige Krisenmanagement der Bundesregierung ist gescheitert. Die tiefer liegenden Ursachen der Krise werden systematisch ausgeblendet. Die Methode Merkel heißt: Immer größere Rettungspakete, gekoppelt an Sparprogramme für die betroffenen Krisenstaaten. Die Folgen sind einbrechendes Wachstum, wachsende Arbeitslosigkeit und ein Scheitern des Schuldenabbaus. Eine echte Lösung der Krise durch einen umfassenden Ansatz ist daher dringend erforderlich: Neben den notwendigen Sparanstrengungen brauchen wir in Europa nachhaltige und starke Impulse für Wachstum- und Beschäftigung. Zudem muss die europäische Wirtschafts- und Finanzunion durch eine Sozialunion flankiert werden. An diesen europapolitischen Zielen wollen wir entschlossen arbeiten: Für uns ist die europäische Integration Kopf- und Herzenssache.

Genauso selbstverständlich ist für uns das überzeugte Eintreten für Frieden und Verständigung weltweit. Zügellose Waffenexporte in Krisengebiete und an Länder, die die Menschenrechte missachten, lehnen wir entschieden ab. Deutschland muss wieder zu einer restriktiven Praxis bei Rüstungsexporten zurückkehren und die Kontrolle durch den Deutschen Bundestag gestärkt werden.

In Deutschland müssen sich Leistung und Arbeit wieder lohnen. Eine konsequente Politik für eine neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, für Investitionen und Bildung, für soziale Sicherheit und ein modernes Familienbild braucht eine klare Vorstellung von einer besseren Gesellschaft. Die SPD hat eine solche Vorstellung, die seit 150 Jahren auf unseren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität basiert. Auch im 21. Jahrhundert.

Wir wollen das Vertrauen der Menschen gewinnen für eine klare Alternative zur Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP. Vertrauen erwächst aus Überzeugung und Begründung, aus Konsistenz und Erkennbarkeit. Wir wollen eine Richtungsentscheidung über Wirtschaft und Gesellschaft, ohne dabei Maß und Mitte aus dem Blick zu verlieren. Dafür brauchen wir den ganzen Regierungswechsel und eine rot-grüne Bundesregierung.

Die SPD ist die Partei in der Mitte der Gesellschaft und für das Miteinander in Deutschland. Wir kennen die Sorgen und Nöte der Menschen, genauso wie ihre Hoffnungen und Potenziale. Seit 150 Jahren machen wir Politik für eine bessere Gesellschaft. Darauf bauen wir auf, daran knüpfen wir an - miteinander und geschlossen mit Peer Steinbrück in unserer Mitte.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 459/12 vom 9. Dezember 2012
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2012