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INNEN/2395: Rede Norbert Bude "Rahmenbedingungen der Kommunalpolitik nachhaltig gestalten"


SPD-Pressemitteilung 060/13 vom 15. Februar 2013

Rede von Norbert Bude, Oberbürgermeister von Mönchengladbach zum Thema: Zukunft schaffen - Die Rahmenbedingungen der Kommunalpolitik nachhaltig gestalten

bei der Bundesdelegiertenversammlung der Bundes-SGK am Freitag, dem 15. Februar 2013, in Würzburg.



- Es gilt das gesprochene Wort -

Meine Rede heute ist kein Debüt in der SGK. Seit meiner ersten Wahl in den Rat der Stadt Mönchengladbach vor beinahe 24 Jahren bin ich SGK-Mitglied. Ein Debüt ist aber meine Rede als Kandidat für das Amt des Vorsitzenden der Bundes-SGK, woran ich sicherlich vor 24 Jahren nicht gedacht habe. Als ich daher im letzten Herbst gefragt wurde, ob ich dazu bereit sei, habe ich mich darüber sehr gefreut. Ich fühle mich geehrt, dass mich der Vorstand der Bundes-SGK für dieses wichtige Amt in der kommunalen Familie der Sozialdemokratie vorgeschlagen hat.

Denn gute Kommunalpolitik braucht beides:

- Engagement und vernünftige Politik in unseren Städten, Kreisen und Gemeinden

und

- das gemeinsame Eintreten für kommunale Interessen sowie die Gestaltung nachhaltiger Rahmenbedingungen für die kommunale Selbstverwaltung.

Ich denke, ich brauche hier niemanden davon zu überzeugen, wie viel Begeisterung und persönliche Erfüllung ein Mandat im Rat und im Kreistag, als Bürgermeisterin oder Landrat bereitet. Das Gestalten von Lebensumständen und gesellschaftlichen Verhältnissen erleben wir nirgendwo so unmittelbar wie in Kommunalparlamenten und Rathäusern. Dennoch reicht das nicht aus, wenn wir - zumal als Sozialdemokraten - erfolgreich sein wollen. Im Föderalstaat gibt es keinen Bereich sozialer Politik, der nicht von Landes- und Bundesgesetzen abhängig wäre. Natürlich werden die dafür maßgeblichen Gesetze stets von wohlmeinenden und nicht minder überzeugten Menschen und im Idealfall sogar von Mitgliedern sozialdemokratischer Regierungen und ihren Koalitionen gemacht. Trotzdem mag es vorkommen, dass hierbei nicht immer die Praktikabilität von Entscheidungen mitgedacht wird und unerwünschte Folgen berücksichtigt werden - von der Finanzierung kommunaler Aufgaben einmal ganz abgesehen. Kurz gesagt: Kommunalpolitik findet nicht auf einer einsamen Insel statt, sondern im Geflecht staatlicher Zuständigkeiten und Entscheidungen.

Deshalb habe ich die Mitgliedschaft in der SGK, die die Rahmenbedingungen von Kommunalpolitik aus sozialdemokratischer Perspektive gestalten will, immer als notwendig und selbstverständlich empfunden. Das gilt im Übrigen auch für das Engagement im Nordrhein- Westfälischen und im Deutschen Städtetag, seitdem ich im Oktober 2004 zum ersten Mal zum Oberbürgermeister von Mönchengladbach gewählt wurde. Gute Kommunalpolitik muss immer über die Grenzen des eigenen Wirkungskreises hinausblicken, vor allem aber den Kontext des eigenen Handelns nicht nur beachten, sondern ihn selbst mitgestalten. Dabei geht es nicht um eine Frontstellung nach dem Motto "Ihr da oben, Wir da unten". Es geht eher um die Verpflichtung zu einer Art kommunaler Außenpolitik. Denn wenn wir nicht selbst unsere Stimme erheben und Einfluss nehmen, müssen wir damit rechnen, dass dies andere tun, ohne dass damit zwangsläufig unsere Interessen und die der Menschen in unseren Städten und Gemeinden ausreichend Berücksichtigung finden. Und überhaupt muss es gerade Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern zutiefst widerstreben, die konkreten Umstände ihres Handelns lediglich hinzunehmen und darauf in einem von außen vorgegebenen Rahmen zu reagieren.

Das Amt des Vorsitzenden der Bundes-SGK besitzt in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige Funktion und birgt große Verantwortung. Das gilt vor allem deshalb, weil in der SGK nicht nur die Belange der großen Städte oder eines Bundeslandes gebündelt werden. Unsere Aufgabe als kommunalpolitische Vereinigung ist Politik für Stadt und Land. Jenseits der parteipolitischen Prägung unterscheidet uns das ganz wesentlich von der Tätigkeit der einzelnen Spitzenverbände. In einem Antrag zu den Entwicklungschancen ländlicher Räume, den wir heute noch behandeln werden, heißt es dazu:

Es gilt, eine wachsende Disparität zwischen den Kommunen, zwischen Stadt und Land zu vermeiden, da sie erhebliche Konflikte und Verteilungsprobleme nach sich zieht.

Und an anderer Stelle formuliert die Bundes-SGK:

Deshalb geht ein vereinfachter Gegensatz und Verteilungskonflikt zwischen Stadt und Land fehl. Sozialdemokratische Strukturpolitik muss stattdessen Strukturschwäche adressieren und gegebene Stärken nutzen - unabhängig davon, wo sie zutage treten.

Für mich sind das keine Allgemeinplätze. Dahinter verbirgt sich für mich ein zutiefst sozialdemokratischer Grundsatz, neudeutsch ein "Mission Statement" für die Arbeit der Bundes-SGK. Denn wir tarieren in unserer Organisation nicht nur die gelegentlich widerstreitenden Interessen von Stadt und Land, von großen und kleinen Kommunen, von strukturschwachen und prosperierenden Gemeinden aus. Nein, wir sehen im solidarischen Ausgleich und in der gemeinschaftlichen Schaffung von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt einen notwendigen Zusammenhang und einen politischen Handlungsansatz. Indem wir Konzepte formulieren, die diesen Zusammenhang adressieren, tragen wir zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und zu ihrer nachhaltigen Entwicklung bei.

Gerade deshalb ist der Vorsitz der Bundes-SGK für mich eine ganz besonders spannende Herausforderung. Ich sagte schon, dass ich seit 1989 in der Stadtpolitik von Mönchengladbach aktiv bin: zunächst als Ratsmitglied, später zusätzlich als Fraktionsgeschäftsführer, als Bezirksvorsteher eines Stadtbezirks und seit 2004 als Oberbürgermeister. Ein echtes Stadtkind also, jedoch umgeben von Landkreisen, mit denen wir eng zusammen arbeiten. Daher bin ich von der Richtigkeit einer solidarischen Kommunalpolitik für Stadt und Land überzeugt. Und als Sozialdemokrat weiß ich, dass wir nur gemeinsam stark sind. Daran mitzuwirken und von den unterschiedlichen Perspektiven der SGK in den unterschiedlichen Regionen unseres Landes zu profitieren, reizt mich sehr.

Stephan hat in seiner Rede beeindruckend geschildert, mit welcher Energie und welchem Erfolg die SGK in den vergangenen Jahren unsere gemeinsamen Interessen verfolgt hat. Das gilt insbesondere für die finanziellen Rahmenbedingungen - etwa durch die Übernahme der Kosten der Grundsicherung durch den Bund. Sicher wird dieser Themenbereich ein wesentlicher Bestandteil auch meiner Arbeit sein. Die über Jahre entstandene und stetig wachsende Schieflage der Kommunalfinanzen, die gewaltige Schere zwischen armen und reichen Kommunen, müssen zunächst und vor allen Dingen durch eine weitere ausgabenseitige Entlastung bekämpft werden. Die Übernahme der Grundsicherung war hier ein erster wichtiger Schritt. Ich betone aber, dass ein weiterer folgen muss, wenn die angestrebten Stabilisierungseffekte nachhaltig sein und bei allen ankommen sollen. Deshalb kämpfen wir ohne Wenn und Aber für die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Reform der Eingliederungshilfe und für die Übernahme eines wesentlichen Teils der hier entstehenden Kosten durch den Bund. Und das ist beileibe keine Luxusausgabe, die man gleichauf mit mehr oder minder wünschenswerten Aufgaben und Projekten diskutieren könnte. Vielmehr geht es hier um die sozialstaatliche Basisfinanzierung. Solange Jahr für Jahr - selbst bei Rekordsteuereinnahmen - Kassenkredite in Milliardenhöhe dazu dienen, Pflichtleistungen und Sozialausgaben zu finanzieren, stellt sich die Frage nach der Bestandskraft des Sozialstaates.

Ich will das mit einem Bild verdeutlichen. Die Bundesrepublik erscheint mir häufig wie ein durchaus gutverdienender Klient einer kommunalen Schuldnerberatung. Sein Problem ist freilich, dass er über seine Verhältnisse lebt und inzwischen ganz grundlegende Kosten nicht mehr begleichen kann: er zahlt verspätet seine Miete und lässt beim Lebensmittelhändler um die Ecke anschreiben. Der Schuldnerberater aber würde angesichts dieser Lage sicher nicht zuerst darüber nachdenken, wie sich künftig die beiden jährlichen Urlaube finanzieren lassen. Stattdessen ginge es zuallererst darum, Grundkosten zu bestreiten und neue Ausgaben vorerst aufzuschieben. Wenn wir bei den Kommunalfinanzen und hier vor allem bei den Soziallasten zu keiner Änderung kommen, wäre das aber gerade so, als ob die Schuldenberatung ihrem Klienten Mallorca statt Miete und DVD-Player statt Essensrechnung empfehlen würde. Oder anders ausgedrückt: die kommunalen Sozialleistungen sind die Netto-Kalt-Miete des Sozialstaates. Und ich sage sehr deutlich: Sie sind nicht verhandelbar und bedürfen deshalb der solidarischen und gesamtstaatlichen Mitfinanzierung.

Auch wenn buchstäblich gilt, dass ohne Geld alles nichts ist, erschöpft sich Kommunalpolitik und die Arbeit der Bundes-SGK jedoch nicht im Kampf um solide Kommunalfinanzen. Und das aus gutem Grund. Denn gute Kommunalpolitik ist im besten Sinne unternehmerisch. Es geht Tag für Tag um neue Projekte und nicht selten um Wagnisse. Wir alle hier gehen sie trotz unsicherer Rahmenbedingungen täglich ein, um für unsere Stadt eine ökonomische Perspektive zu schaffen, um die Mobilität in unserem Kreis trotz des demographischen Wandels aufrecht zu erhalten und um in der ländlichen Gemeinde die Gesundheitsversorgung zu sichern. Wir Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind daher Unternehmer im eigentlichen Sinne. Als Sozialdemokraten verstehen wir darunter natürlich mehr als die wirtschaftliche Tätigkeit unserer städtischen Betriebe. Wir unternehmen etwas für die Menschen in unseren Kommunen, für ihre Lebensverhältnisse und -bedingungen, für ihre Zukunftschancen und für ihre Teilhabe und persönliche Entfaltung. Natürlich benötigen wir dafür Geld, aber ebenso notwendig sind Ideen und der Mut, Neues zu wagen.

Nicht umsonst waren wir es, die Städte, Gemeinden und Kreise, die schon in den 1990er Jahren neue Verwaltungsformen und Haushaltstechniken ausprobierten. Auch waren es die Kommunen, die sich früh in Vergleichsringen miteinander messen ließen, vor allem aber voneinander lernen wollten, den Weg nach vorne wagten und wichtige Reformansätze erprobten - etwa in der Sozialpolitik, wo die Hilfe zur Arbeit bei der Einführung des SGB II Pate stand. Was ich damit verdeutlichen möchte, ist, dass gerade auch im Sozialstaat Innovationen häufig von unten, von den Kommunen, ausgehen und wir handlungsfähige Kommunen als Laboratorien guter Sozialpolitik dringend brauchen.

Ich komme damit auf meine einleitenden Bemerkungen und das Motto dieser Bundesdelegiertenversammlung zurück: Kommunen stärken, Zukunft schaffen. Mit Blick auf die Aufgabe der Bundes-SGK möchte ich hinzufügen: Zukunft schaffen und die Rahmenbedingungen der Kommunalpolitik nachhaltig gestalten. Erlaubt mir, dass ich im Folgenden einige Themen und Handlungsfelder anspreche, die mir für eine gute sozialdemokratische Politik in unseren Kommunen besonders wichtig scheinen. In wesentlichen Teilen spiegeln sie sich auch in den Anträgen wider, die wir heute und morgen beschließen wollen:

- Die solidarische Gesellschaft hat ihren Ort vor allem in den Kommunen.

- Fortschritt, Solidarität und Gerechtigkeit als zentrale Versprechen der sozialen Demokratie sind von intakten und lebensfähigen Kommunen abhängig.

- Sie sind gleichermaßen Basis und Werkbank der sozialen Demokratie. Die Stärkung unserer Städte, Gemeinden und Kreise und die Lösung ihrer Probleme sind uns deshalb ein Kernanliegen.

All dies findet sich im Investitions- und Entschuldungspakt für die Kommunen in Deutschland, den die Bundes-SGK vorbereitet und die SPD auf ihrem Konvent im Sommer 2012 beschlossen hat. Stephan ist darauf bereits ausführlich eingegangen. Wichtig ist mir an dieser Stelle daher weniger die finanzielle Dimension des Beschlusses, sondern das in den vorgenannten Passagen ausgedrückte Bekenntnis der Sozialdemokratie zur Kommunalpolitik. Mich begeistert daran nicht der bloße Anspruch, dass die SPD die Kommunalpartei sei, sondern dass ein zwingender Zusammenhang zwischen Sozialdemokratie und der aktiven Selbstverwaltung in Städten, Gemeinden und Kreisen hergestellt wird: Ohne die Kommunen wird es eine gerechte Gestaltung von Lebensverhältnissen und Teilhabe schlechterdings nicht geben. Zugespitzt formuliert stellt sich also gar nicht die Frage, ob es eine spezifisch sozialdemokratische Kommunalpolitik gibt. Vielmehr muss gute Kommunalpolitik, die sich den Belangen der örtlichen Gemeinschaft verpflichtet fühlt, auch sozialdemokratisch sein.

Ich betone das deshalb, da sich in den großen kommunalen Herausforderungen der nächsten Jahre auch solche der SPD widerspiegeln. Es geht um bezahlbares Wohnen, um gute Arbeit und Bildung, faire Löhne, um Gleichberechtigung und Integration, um gutes Leben im Alter und um Inklusion, um eine lebenswerte Umwelt und eine nachhaltige Politik angesichts des Klimawandels. Ich könnte diese Liste noch sehr lange fortsetzen und doch wichtige Teilbereiche übersehen. Mir geht es daher mehr um die grundlegenden und verbindenden Themen, denen wir uns in den kommenden Jahren stellen müssen und wo wir als Bundes-SGK Akzente setzen sollten. Wichtig sind mir vor allem die folgenden Punkte:

(1) Wir brauchen mehr gesellschaftlichen, aber auch regionalen Ausgleich in Deutschland. Dies verlangt Bereitschaft zur Solidarität und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit.

(2) Wir müssen Investitionen in Teilhabe, Integration, Bildung und Innovation mobilisieren. Ein wesentlicher Teil davon sind und bleiben öffentliche und kommunale Investitionen. Privat vor Staat als die reine Lehre ist mit uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht zu machen.

(3) Wir brauchen eine Kultur der Beteiligung und Wertschätzung bürgerschaftlicher Interessen und zivilen Engagements.

(4) Schließlich müssen wir lernen, in erweiterten und neuen Strukturen zu denken und zu handeln. Dies schließt vor allem auch die europäischen Rahmenbedingungen der Kommunalpolitik ein.

Der demographische Wandel und wachsende Unterschiede zwischen Stadt und Land, prosperierenden und strukturschwachen Regionen machen es überdeutlich: wir brauchen in Deutschland mehr Solidarität und Ausgleich. Notwendig sind strukturpolitische Strategien und Konzepte, um dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaft in sozialer, aber ebenso in räumlicher und regionaler Hinsicht zu begegnen. Für uns Kommunale bedeutet das, dass wir uns trotz heterogener Interessen der Debatte um eine solidarische Weiterentwicklung der föderalen Finanzordnung stellen müssen. In der kommenden Legislaturperiode steht die Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs an und in Verbindung damit erneut die Diskussion unserer föderalen Ordnung. Horizontale Umverteilung bleibt dabei notwendig. Allerdings werden wir Zukunftsaufgaben wie den demographischen Wandel, den Klimaschutz oder die Energiewende nur dann erfolgreich lösen, wenn der Bund stärker in die finanzielle Mitverantwortung tritt. Zugleich brauchen wir, anstatt sie aus egoistischen oder verfassungsästhetischen Gründen zu bekämpfen, mehr und nicht weniger Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Ebenen - ich komme darauf zurück.

Gute Rahmenbedingungen für eine nachhaltige und friedvolle gesellschaftliche Entwicklung in unserem Land und seinen Kommunen sind nicht zum Nulltarif zu haben. Damit wir die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können, müssen wir investieren - in soziale und ökonomische Teilhabe, in die Integration von Menschen, die zu uns kommen, und in Bildung und Innovationen, die unseren Wohlstand aufrecht erhalten. Dafür benötigt der Staat und benötigen seine Kommunen Ressourcen. Die Steuerpolitik der SPD ist von daher zwingend. Zum Beleg ein paar Beispiele:

- Wir müssen in den Sozialstaat investieren und seine Leistungen besser steuern, um die Wirkung seiner Leistungen für bedürftige Menschen zu verbessern. Im Ergebnis können wir dann auch besser helfen und zugleich langfristig Ressourcen sparen.

- Kinderbetreuung und Bildung sind Investitionen in die Zukunft unseres Landes und in seine Wirtschaftskraft. Rechtsanspruch und Standardverbesserungen unterstützen wir alle. Das verlangt aber auch, dass sich daran alle staatlichen Ebenen angemessen und dauerhaft beteiligen müssen und das Machbare im Blick behalten. Denn es nützt am Ende niemandem, wenn auf der Brücke hervorragende Ziele in kurzer Frist verkündet werden, die im Maschinenraum so schnell niemand umsetzen kann.

- Gott sei Dank kommen Menschen nach Deutschland. Sie beweisen damit, dass es hier lebenswert ist. Wir brauchen sie und sind andererseits verpflichtet, Verfolgten und Notleidenden im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen. Das heißt aber auch, dass wir hier vor Ort, in unseren Städten und Gemeinden, die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, um Integration zu erreichen. Wir wissen inzwischen, dass sie nicht von allein passiert. Die aufkommende Armutswanderung innerhalb der Europäischen Union und wieder ansteigende Asylbewerberzahlen stellen zusätzliche Anforderungen. Was wir daher brauchen, ist eine ganzheitliche Integrations- und Zuwanderungsstrategie auf der Ebene des Bundes. Wir müssen über ein umfassendes Integrations- und Leistungsrecht diskutieren, das diese Strategie absichert. Erneut heißt das: Schritt für Schritt vorgehen und jedes hehre Ziel mit einer konkreten Umsetzungsperspektive versehen. Erst dann kann Integration gelingen und ist jede Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik auch tatsächlich huma.

- Die Energiewende wird zu Recht als das Zukunftsprojekt bezeichnet. Umso wichtiger ist es, eine vorschnelle Begrenzung der im Energiesystem selbst angelegten Finanzierungsmöglichkeiten zu vermeiden. Stattdessen müssen wir den Fokus auf die möglichen Wohlfahrtseffekte legen. Dies verlangt vor Ort auch die Beteiligung der Kommunen an der erwartbaren Wertschöpfung. Und vor allem brauchen sie und ihre Unternehmen Investitionssicherheit. Damit verbinden sich viele komplexe Fragen und noch mehr unterschiedliche Interessenlagen. Umso mehr ist das Handeln von Schwarz-Gelb zu kritisieren, das die Chancen der Energiewende verspielt und ihre Probleme in verantwortungsloser Weise verschärft.

Die Komplexität unserer Aufgaben und die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen verlangen mehr und frühere, vor allem aber stetige Kommunikation zwischen Bürgerschaft, Politik und Verwaltung. Das geht weit über die Frage hinaus, ob wir das Primat der repräsentativen Demokratie verteidigen wollen - was wir, wie ich finde, unbedingt tun müssen. Ebenso wenig erschöpft sich das aber auch in der Frage, wie viel plebiszitäre Elemente wir für sinnvoll und notwendig halten. Was wir stattdessen dringend brauchen und gerade auf der kommunalen Ebene umsetzen und vorleben müssen, ist eine Beteiligungs- und Kommunikationskultur. Eine solche Partizipation im weiteren Sinne lässt sich nicht regeln oder verordnen, sondern muss vor Ort gelebt werden. Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht als Störenfriede gesehen werden. Wir müssen sie einladen mitzuwirken, müssen ihnen dafür Informationen geben und Transparenz herstellen, müssen Personen und Strukturen unterstützen, die in Eigenverantwortung Lebensverhältnisse gestalten und an politischen Prozessen teilhaben wollen und wir müssen ehrlich sein und sagen, was möglich ist und was nicht. Dabei sorgen wir, die gewählten Mandatsträgerinnen und Mandatsträger für den Ausgleich und die Vereinbarkeit von Einzelinteressen mit dem Allgemeinwohl. Entscheidend ist dabei stets ein Agieren auf Augenhöhe. Mitwirkung darf nicht zum Alibi schwieriger Entscheidungen und ehrenamtliches Engagement nicht zum Lückenbüßer mangelhafter Leistungen werden.

Dass sich auch die Kommunalpolitik und ihre Rahmenbedingungen europäisieren ist heute ein Allgemeinplatz. Ein weiterer betrifft den regelmäßigen Appell an alle gebietskörperschaftlichen Ebenen, bei der Bewältigung großer Herausforderungen zusammenzuwirken. Das nennen wir in der Politik dann gerne Aktionsprogramm, Bündnis oder Pakt. Was allerdings dahinter steht, ist die wachsende Erkenntnis, dass einer allein - eine Kommune, ein Land oder der Bund - wichtige Aufgaben kaum noch befriedigend bearbeiten kann. Daraus lässt sich die Aufforderung zu mehr Kooperation ableiten. Und das ist sicherlich auch richtig. Im Übrigen sind es gerade wir Kommunen, die im Bereich der Gemeinschaftsarbeit über den reichhaltigsten Instrumentenkasten und entsprechende Erfahrung verfügen. Mir geht es allerdings noch um etwas anderes: Zukunftsaufgaben, wie die Energiewende, Inklusion oder die Gewährleistung einer sozialen Wohnungspolitik in allen Teilen unseres Landes, erfordern vor allem und zuallererst Koordination. In den meisten der heute und morgen behandelten Anträgen spielt dies eine wichtige Rolle - besonders sichtbar in dem Positionspapier zur Energiewende. In diesem Bereich erkennen wir inzwischen schmerzhaft, dass es vor allem der Mangel an Koordination und abgestimmtem Vorgehen ist, das dieses Jahrhundertprojekt am meisten bedroht. Wir müssen daher in diesem Bereich, aber auch generell Wege finden, um das Handeln von Bund, Ländern und Kommunen, aber ebenso der EU besser aufeinander abzustimmen und unsere Bemühungen zu orchestrieren - ohne freilich die Souveränität und den eigenen Erfahrungsgrund der Beteiligten in Frage zu stellen. Das setzt voraus, dass wir unsere Fähigkeit verbessern, die Interessen anderer zu erkennen und frühzeitig eigene Belange anzumelden, damit ein vernünftiges Miteinander entstehen kann. Hieran mitzuwirken, ist im Übrigen eine der unverzichtbaren Funktionen der Bundes- und auch der Euro-SGK.

Abschließend möchte ich noch einmal zitieren. Und zwar aus dem Beschluss des SPD-Partei-Konvents "Starke Kommunalpolitik nur mit der SGK" vom Juni letzten Jahres:

Die Mehrheitsfähigkeit der SPD hängt eng mit ihrer Verankerung in den Städten und Gemeinden zusammen. Eine starke SPD vor Ort steht für eine gute Kommunalpolitik und ist Voraussetzung für Erfolge der SPD bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen.

Viele tausend sozialdemokratische Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker geben zusammen mit den haupt- und ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, den Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern sowie den Landrätinnen und Landräten der SPD vor Ort ein Gesicht.

Die kommunalpolitische Interessenvertretung der Partei wird insbesondere durch die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) geleistet. Ihre Tätigkeit hat den Zweck, sozialdemokratische Grundsätze in der Kommunalpolitik zu verwirklichen. Die Gestaltungskraft der SPD und ihre Mehrheitsfähigkeit hängen auch von dem Zusammenhalt und der Solidarität der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in der SGK ab.

Ich finde, besser kann man kaum formulieren, was die SGK ist und was wir gemeinsam erreichen können. Dafür will ich mich als Vorsitzender der Bundes-SGK einsetzen und dafür werbe ich um Euer Vertrauen! Herzlichen Dank!

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 060/13 vom 15. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2013