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AFRIKA/1218: Wer finanziert die AU? (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April/Mai 2013

Wer finanziert die AU?

von Janah Ncube und Achieng Maureen Akena



DIE AFRIKANISCHE UNION BRAUCHT EINE SOLIDE FINANZIERUNG, um die Einheit des Kontinents und die Integration ihrer Mitgliedsstaaten voranzutreiben. Aber gerade Programme und Projekte sowie zentrale Institutionen werden nahezu ausschließlich von Außen finanziert. Inwieweit kann die AU da selbstbestimmt agieren?


Am 5. Oktober 2012 trat die südafrikanische Innenministerin Dr. Nkosazana Dlamini-Zuma ihre Amtszeit als Präsidentin der Kommission der Afrikanischen Union (AU) an. Mit Dlamini-Zuma wurde erstmals eine Frau an die Spitze des wichtigsten Gremiums für die afrikanische Einheit gewählt. Ihrer Wahl auf dem AU-Gipfel im Juli war ein langwieriger und zäher Prozess. Leider überschattete der Wahlkampf andere wichtige Themen, die auf dem Gipfel diskutiert und entschieden wurden. Zu diesen Themen gehörte die Finanzierung der AU.

Auf dem Gipfel wurde auch das Budget der AU für 2013 in Höhe von 277 Mio. US-Dollar beschlossen. Zu diesem Haushalt tragen die AU-Mitgliedsstaaten 122,8 Mio. US-Dollar (44 Prozent) und die Geber 155,3 Mio. US-Dollar (56 Prozent) bei.

Vom Beitrag der afrikanischen Regierungen werden 96 Prozent für laufende Betriebskosten aufgewendet. Nur 5,3 Mio. US-Dollar fließen in Projekte und Programme der AU. Das entspricht knapp zwei Prozent des Gesamtbudgets.

Die Kosten für zentrale Institutionen der AU wie das Panafrikanische Parlament (PAP), die Menschenrechtskommission (ACHPR), den Afrikanischen Gerichtshof (Af-CHPR), NEPAD (New Partnership for Africa's Development), die Kommission für Internationales Recht (AUCIL), den Antikorruptionsausschuss und das Komitee für Rechte und Wohlergehen von Kindern (ACRWC) werden allesamt von Gebern finanziert. Die Kosten für die neu eingerichteten AU-Büros und Gebäude des Konferenzzentrums in Höhe von 200 Mio. US-Dollar wurden von der chinesischen Regierung getragen; das im Bau befindliche Bürogebäude für den Friedens- und Sicherheitsrat wird von der deutschen Regierung mit 26,5 Mio. US-Dollar finanziert.


Wer die Musik bezahlt, bestimmt die Melodie

Dass die Betriebskosten vollständig von den AU-Mitgliedsstaaten getragen werden, ist anerkennenswert. Problematisch jedoch ist, dass die Integrations- und Entwicklungsmaßnahmen für Afrika ausschließlich von ausländischen Geldern abhängen. Wer hat also letztendlich das Sagen?

Beim Gipfeltreffen im Juli beschwerten sich Vertreter einiger Mitgliedsstaaten über die Einmischung fremder Regierungen. Kaum überraschend. Denn wer die Rechnungen bezahlt, will ein Wörtchen mitreden. Hinzu kommt, dass die Geber ihre Zusagen nicht immer einhalten. So musste in den letzten Jahren die AU mit lediglich etwas mehr als der Hälfte der eingeplanten Gelder auskommen. Die Geber gaben im Schnitt nur 42 Prozent der zugesagten Gelder frei. Wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise änderten sie ihre Prioritäten.

Bei der Haushaltslage ist es fraglich, ob die AU überhaupt zu einer starken und belastbaren Institution aufgebaut werden kann. Wenn nicht verstärkt eigene Gelder aufgebracht werden, wird der Kontinent unterentwickelt, arm, schwach und jenen verpflichtet bleiben, die ihm Krümel zuwerfen, während sie gleichzeitig Afrika seiner natürlichen Ressourcen berauben. Wie können afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme - etwa politische Krisen wie in Libyen, der Elfenbeinküste, der DR Kongo oder Mali - proklamiert werden, wenn Afrika sie ohne ausländische Gelder nicht meistern kann?

Die Menschen des Kontinents sind tief frustriert. Sie müssen für die Kosten ihrer Regierungen aufkommen und ansehen, wie ihre Staatschefs zweimal im Jahr große Delegationen zu AU-Gipfeln fliegen und nur allzu selten zu greifbaren Ergebnissen kommen. Eine ineffiziente AU wird ihre Aufgaben kaum erfüllen können. Die regionalen Wirtschaftszusammenschlüsse wie ECOWAS, SADC und EAC scheinen hingegen leistungsfähiger und unabhängiger zu sein. Sie dürften sich auf Dauer fragen, weshalb sie sich einer anscheinend schwächeren kontinentalen Institution unterordnen sollen.


Die wenigsten Staaten leisten ihren Beitrag

Lediglich fünf Länder kommen für zwei Drittel der Gesamtbeiträge der 54 AU-Mitgliedsstaaten auf. Aber selbst von diesen sogenannten "großen Fünf" zahlten bis Mitte 2012 nur zwei Länder ihren vollen Beitrag. Um so schwerer wiegt, wenn von diesen fünf eines seine Zahlungen aussetzt, so wie Libyen in den Jahren 2011 und 2012. Dann steht die AU vor erheblichen Einschnitten. Lediglich elf von 54 Mitgliedsstaaten (20 Prozent) entrichteten ihren vollen Beitrag bis Mitte 2012. 19 Länder sind noch für das Jahr 2012 und 24 Länder für die vorherigen Jahre in Rückstand.

Auf dem Gipfel im Juli 2012 diskutierten die afrikanischen Staatsoberhäupter den Bericht der Planungs- und Koordinationskommission der NEPAD. Sie bedauerten "die niedrige Zahlungsmoral der Mitgliedsstaaten zur Unterstützung der Tätigkeiten der Kommission". Man verlasse sich mehr und mehr auf die Geber. Die mangelnde Zahlungsmoral "behindert die Leistungen der Kommission und verletzt die afrikanische Hoheit über die NEPAD-Agenda". Konkrete Namen wurden allerdings nicht genannt.

Den Gebern geht es keineswegs nur um versteckte Absichten, obwohl häufig genug Geberinteressen im Vordergrund stehen. Für sie sind auch internationale Zusammenarbeit, Eigeninteresse an einem starken Afrika und ein - wenn auch wenig ausgeprägtes - Gespür für Verantwortung gegenüber Afrika aufgrund der historischen Last im Spiel. Doch trotz dieser positiven Motive kann Fremdfinanzierung nicht die Hauptquelle zur Finanzierung der afrikanischen Integrationspläne sein. Die Finanzierungssituation der AU verstärkt vielmehr die Bedenken, dass Afrika gegenüber den Gebern verpflichtet und nicht gegenüber seinen Völkern verantwortlich bleibt.

Andererseits muss man aber immerhin anerkennen, dass es der AU gelungen ist, für ihre Projekte und Programme - wenn schon eigene Mittel fehlen - finanzielle Unterstützung von außen zu gewinnen. Die Kehrseite einer solchen Finanzierung aber bleibt: Der Anreiz, Verantwortung für eigene Initiativen zu übernehmen, schwindet. Dies könnte erklären, dass seit 1963 nur 25 von 42 Verträgen umgesetzt wurden, die die AU und ihre Vorgängerin OAU (Organisation der Afrikanischen Einheit) verabschiedet haben. Selbst die in Kraft getretenen Verträge wurden auf nationaler Ebene nur halbherzig und wenig wirksam umgesetzt. Die nationalen Regierungen zeigten sich nicht fähig, die Beschlüsse der Afrikanischen Union zu Integration, Entwicklung und Verpflichtung zu den Menschenrechten einzuhalten. Da es kaum Kontrollmöglichkeiten gibt, werden zahlreiche Maßnahmen der AU nur langsam und zögerlich umgesetzt. Derweil wächst die Kluft zwischen Politik und Realität. Es herrscht eine enorme Ungleichheit zwischen Stadt und Land sowie Arm und Reich. Zwei von fünf Menschen sterben an Infektionskrankheiten, eine von sechzehn Frauen stirbt bei der Geburt eines Kindes, 44 von 54 Ländern importieren ein Viertel ihres Nahrungsbedarfs. Mehr als 300 Millionen Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung.

Bei seiner letzten Rede vor dem Exekutivrat der Minister im Juli 2012 wies der scheidende AU-Präsident Dr. Ping darauf hin, die AU dürfe sich nicht über ihre Marginalisierung in der Weltpolitik beschweren, solange sie sich nicht unabhängig von Gebern finanzieren kann. Es frustriert die Afrikaner und Afrikanerinnen, wenn sie sehen müssen, dass afrikanische Lösungsvorschläge vom Westen geringgeschätzt und ignoriert werden, wie dies beispielsweise im Libyenkonflikt geschah. Afrika zahlt den Preis, wenn der Westen seine Interessen durchsetzt. So ist die Krise in Mali eine Konsequenz des Konflikts in Libyen. Afrikas Stimme bleibt ein leises und schwaches Flüstern auf der globalen Bühne.


Afrika muss Nägel mit Köpfen machen

Der Kontinent steht einer Vielzahl von Herausforderungen gegenüber: Die Zahl von Menschen wächst, die unter erbärmlichen Bedingungen leben, nach fünf Jahrzehnten Unabhängigkeit ist die rückständige Entwicklung inakzeptabel, es gibt eine hohe Arbeitslosenrate und eine hohe Müttersterblichkeit, um nur einige zu nennen. Es muss eine Infrastruktur aufgebaut werden, die nicht nur die Länder miteinander verbindet, sondern auch die Bauern an die Märkte anbindet, damit Afrika sich selbst versorgen kann und keine Nahrung mehr importieren muss. Dabei verfügt der Kontinent über große Anbauflächen, und die meisten Menschen in Afrika sind Bäuerinnen und Bauern.

Wenn unsere Regierungen und Staatsoberhäupter ernsthaft daran arbeiten, dass Afrika zum 21. Jahrhundert aufschließt, dann müssen sie für eine eigenständige Finanzierung der AU sorgen. An konkreten Maßnahmen fehlt es jedoch. Wenn all die Zeit, die auf diesen Gipfeln verbracht wird, all die Gespräche, Reden und Debatten nicht materiell unterfüttert werden, dann sind alle Worte wohlfeil. Die Regierungen müssen dazu bereit sein, Geld für kontinentale Vorhaben in die Hand zu nehmen.

Die materiellen Voraussetzungen sind da. Der Kontinent besitzt große Reichtümer: Öl, Gold, Diamanten, Holz, Coltan, Wasser, Anbauflächen, Gas, Edelsteine, viele junge Menschen. Und trotzdem muss Afrika Jahr um Jahr das Haupt vor den Chinesen und Europäern neigen, um Kredite zu erhalten. Das muss geändert werden. Der natürliche Reichtum darf nicht nur wenige reich machen, sondern muss allen zugute kommen.

Dazu gilt es zuerst, die Korruption zu bekämpfen. Seit dem Jahr 2000 verliert Afrika jährlich nahezu 50 Mrd. US-Dollar; ein Großteil dieser Verluste fällt in der Rohstoffindustrie an. Der Ausschuss zur Bekämpfung der Korruption der AU ist handlungsunfähig und benötigt Unterstützung aus den Mitgliedsstaaten. Der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki führt einen hochrangig besetzten Ausschuss an, der den illegalen Geldfluss in und nach Afrika untersucht. Die Empfehlungen dieses Ausschusses müssen dringend umgesetzt werden.

Im Jahr 2011 richtete die AU einen weiteren Ausschuss ein, der nach alternativen Finanzierungen sucht; er wird vom ehemaligen Präsidenten Nigerias, Olusegun Obasanjo, geleitet. Der Ausschuss hat Vorschläge zu Finanzierungsmöglichkeiten für die AU ausgearbeitet, beispielsweise durch Steuern auf internationale Reisen und Importe. Dies ist sehr anerkennenswert, doch es wird lange Zeit dauern, bis seine Empfehlungen umgesetzt worden sind und nachhaltige, eigene Ressourcen der AU zur Verfügung stehen.

Das alles entbindet die Länder jedoch nicht davon, ihren finanziellen Verpflichtungen für die Integrationsmaßnahmen nachzukommen; dieses Geld wird dringend benötigt. Schon der Selbstrespekt fordert, für eigene Institutionen aufzukommen. Ein Afrika, das die AU finanziert, beweist, dass es dem Kontinent ernst ist mit seiner Institution.


J. Ncube ist Geschäftsführerin des "Centre for Citizens' Participation on the African Union". A. M. Akena arbeitet beim "Advocacy Programme" der "Open Society Foundation" der Afrikanischen Union.

Pambazuka News 607, 21.11.2012

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afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
42. Jahrgang, Nr. 2, März/April/Mai 2013, S. 34 - 35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2013