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AFRIKA/1219: Kenia - Frühlingserwachen, doch politische Aktivitäten treiben keine Blüten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Juli 2013

Kenia: Frühlingserwachen - Doch politische Aktivitäten treiben keine Blüten

von Miriam Gathigah


Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Straßenproteste in Kenia
Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Nairobi, 26. Juli (IPS) - Die kenianische Polizei ermittelt nach eigenen Angaben gegen eine Gruppe, die sich 'Bewegung 4. März' (M4M) nennt. Sie wirft deren Hintermännern vor, junge Leute für einen Aufstand zu rekrutieren, der das Land unregierbar machen soll. Doch Politiker und Analysten halten die M4M für unfähig, einen Ostafrikanischen Frühling herbeizuführen.

"An Demonstrationen lässt sich gut der Grad bürgerlicher Unzufriedenheit ablesen. Doch fehlt es der gesamten Region Ostafrika an dem politischen Bewusstsein, eine Revolution auf die Beine zu stellen, wie wir sie in der arabischen Welt beobachtet haben", meint Gideon Ochanda, Parlamentsabgeordneter des Wahlkreises Bondo in der Provinz Nyanza.

Erst kürzlich hatte die Polizei den Aktivisten Okiya Omtatah verhört, der sich selbst als Gründer der M4M bezeichnet. Zuvor war man davon ausgegangen, dass Eliud Owalo, ein Unterstützer des ehemaligen Ministerpräsidenten Raila Odinga, die Gruppe ins Leben gerufen hat.

Berichten lokaler Zeitungen zufolge versucht die M4M aus der Unzufriedenheit der Kenianer - etwa über die steigenden Nahrungsmittelpreise - Kapital zu schlagen, um Präsident Uhuru Kenyatta zu stürzen. Sie hätten Massenproteste nach dem Vorbild Ägyptens organisiert, wo zunächst der Langzeit-Diktator Husni Mubarak und später der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Mursi abgesetzt wurden.


Proteste ohne Nachhall

Im Verlauf der ersten 100 Tage der Amtszeit Kenyattas - vom 9. April bis 19. Juli - kam es zu einer Reihe von Straßenprotesten und Streikandrohungen, die den Aufständen in Ägypten jedoch bei weitem nicht das Wasser reichen konnten. Zwar traten vom 25. Juni bis 17. Juli 280.000 Lehrer in den Ausstand. Doch sie beendeten die Aktion, als die Regierung damit drohte, ihre Gehälter einzufrieren.

Im Mai hatten Parlamentarier angedroht, die Regierung mit einem Streik lahmzulegen. Sie wollten damit gegen eine Entscheidung zu Felde ziehen, die ihnen geringere Diäten als ihren Vorgängern zugesteht. Doch bisher haben sie ihre Drohung nicht wahrgemacht.

Am 5. Juli informierte die Gewerkschaft der Pflegekräfte die Regierung über Pläne, einen 21-tägigen Streik durchzuführen. Ein Termin wurde jedoch nicht genannt. Und im Juni waren Aktivisten landesweit gegen ein geplantes Gesetz zur Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Straßen gezogen, durch das bislang nicht besteuerte Güter wie Reis, Brot, Maismehl, Milch und Monatsbinden mit einer Mehrwertsteuer von 16 Prozent belegt werden sollen.

Viele Kenianer wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Verteuerung der Brotpreise zum Arabischen Frühling geführt hatte. Doch nach Ansicht von Cyprian Nyamwamu, Geschäftsführer der Ostafrikanischen Stiftung für Demokratie, "können Kenias arme Massen, die von der Hand in den Mund leben, keine Massenproteste über einen längeren Zeitraum hinweg durchhalten".

Im Gegensatz zu den arabischen Ländern, wo die Mittelklasse im Kampf um politische Rechte auf die Straße zog, haben die Proteste in Kenia einen wirtschaftlichen Hintergrund, wie Nyamwamu unterstreicht. Laut der Zeitung 'The African Economist' ist Ägypten mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von 111,8 Milliarden Dollar die viertgrößte Volkswirtschaft Afrikas. Kenia hingegen belegt mit 24,8 Milliarden Dollar den 11. Platz.

Wie der Experte weiter betont, besitzt die Mittelschicht der arabischen Welt Immobilien und ist weitgehend finanziell abgesichert. In Kenia hingegen müssten weite Bevölkerungskreise für Mieten aufkommen. Das gelte auch für die Lehrer des Landes und sei ein Grund, warum sie ihren Streik abgebrochen hätten.

Um seinen Ärger über die steigenden Nahrungsmittelpreise kundzutun, nimmt Felix Omondi stets einen Teller mit 'Ugali', einem nationalen Maismehlgericht, zu den Demonstrationen mit. Wenn es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, geht schon mal ein Teil der Speise verloren. Doch diesen Verlust nimmt Omondi, Mitglied der 'Unga-Revolution', in Kauf. Er ist der Meinung, dass der Preis für ein Zwei-Kilo-Paket Maismehl von derzeit zwei US-Dollar auf unter einen Dollar fallen sollte.

Die Unga-Revolution ist eine Jugendgruppe, die regelmäßig gegen die hohen Preise protestiert. "Wir werden demonstrieren und notfalls diese Regierung zu Fall bringen, wenn sie weiterhin den Aufschrei der Menschen überhört", meint Peter Kimani, ein weiteres Mitglied der Gruppe.


Steuern und Diäten der Superlative

Jennifer Massis von der Ford-Kenia-Partei in der Region Rift Valley fürchtet, dass das Mehrwertsteuergesetz weitere Demonstrationen nach sich ziehen wird. "Wir in Kenia zahlen afrikaweit die meisten Steuern, und unsere Parlamentsabgeordneten werden am besten bezahlt", sagt sie. "Das erzürnt die Menschen."

Massis zufolge sind die Lohnkosten, für die die Steuerzahler aufkommen müssen, schon jetzt ungeheuerlich hoch. Amtliche Zahlen belegen, dass sich die Gehälter im öffentlichen Dienst von 2,8 Milliarden Dollar 2008/2009 auf 5,3 Milliarden Dollar 2012/2013 fast verdoppelt haben. Dieser Betrag entspricht in etwa der Hälfte aller Steuereinnahmen.

Ochanda dringt auf eine Verringerung dieser Ausgaben um 60 Prozent. Er macht die im März beschlossene Dezentralisierung für eine Duplizität der Verantwortlichkeiten und für die höheren Kosten verantwortlich. "Die Regierung sollte Mut zeigen und Leute auf nationaler Ebene entlassen", meint er. "Eine Menge Geld geht an Staatsbedienstete, deren Arbeit nun auf Bezirksebene erledigt wird."

Die neue kenianische Verfassung hat Kenias Bürgern einen großen politischen Handlungsspielraum verschafft, der Nyamwamu zufolge innerhalb Afrikas nur doch von Südafrika und Ghana getoppt wird. Er hält Straßenproteste deshalb für keine Lösung. "Nach der Reform der Judikativen sollten Kenianer dazu übergehen, ihre Streitigkeiten vor Gericht auszutragen." (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/07/kenyan-spring-failing-to-blossom/

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IPS-Tagesdienst vom 26. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2013