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AFRIKA/1254: Südafrika - "Madibas" Erbe fortführen, Kampf für Gerechtigkeit muss weitergehen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Dezember 2013

Südafrika: 'Madibas' Erbe fortführen - Kampf für Gerechtigkeit muss weitergehen

von Qaanitah Hunter und Estelle Ellis


Bild: © Government Communication and Information System (GCIS)

Nelson Mandela
Bild: © Government Communication and Information System (GCIS)

Johannisburg/Port Elizabeth, 6. Dezember (IPS) - Während die Welt um Nelson Mandela, den ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas trauert, mahnen enge Freunde und politische Weggefährten wie Tokoyo Sexwale und Ahmed Kathrada zu einer Fortführung seines Lebenswerks.

Mandela starb am Abend des 5. Dezember im Alter von 95 Jahren in einem Vorort von Johannisburg im Kreis seiner Familie. "Wir bitten die Menschen, Madiba ihre Ehre zu erweisen, indem sie sein Erbe antreten. Wegen Mandela sind wir heute frei", sagte Sexwale. 'Madiba' ist der von Südafrikanern respektvoll verwendete Clan-Name von Mandela, der Rassismus und Sexismus den Kampf ansagte.

"Wir kannten uns 67 Jahre lang. Ich habe mir niemals vorgestellt, dass ich Zeuge der unvermeidbaren und traumatischen Realität deines Dahinscheidens würde. An wen soll ich mich wenden, wenn ich Trost und Rat brauche?" schrieb Kathrada in einem offenen Brief, der am 6. Dezember verbreitet wurde.

Zuvor hatte er in einem Interview mit IPS erklärt, dass noch viel zu tun sei, bis die Ideale seines Freundes in die Tat umgesetzt seien. Mandela war 1990 nach 27 Jahren Haft in die Freiheit entlassen worden. "Als er aus dem Gefängnis kam, war seine wichtigste Botschaft, dass es keinen Rassismus mehr geben dürfe."

In Kathradas Büro hängt ein Bild, das ihn neben Mandela sitzend auf einem Sofa zeigt. Beide lachen. "Es ist Zeit für Dich, in den Ruhestand zu gehen, Madala", schrieb Mandela auf das Bild, das er seinem Freund 2001 schenkte. "Wir nannten uns gegenseitig 'Madala' - das bedeutet 'alter Mann'", erklärte Kathrada.

Mandela und Kathrada engagierten sich viele Jahre lang für ein freies und demokratisches Südafrika. Gemeinsam mit anderen Führern des Afrikanischen Nationalkongresses ANC wurde ihnen vorgeworfen, die Apartheid-Regierung zu sabotieren. Der gegen sie eröffnete Rivonia-Prozess von 1963 bis 1964 führte zu ihrer Verurteilung. Beide saßen auf Robben Island ein.


"Er war ein Tiger"

"Madiba war kein Heiliger, aber er hatte viele gute Eigenschaften", meinte Kathrada. "Seine Entschlossenheit, gegen die Ungerechtigkeit zu kämpfen, hat er nie aufgegeben. Er war ein Tiger. Wir wussten, dass wir den Kampf gewinnen würden. Niemals hätte ich allerdings daran gedacht, dass Mandela Präsident würde."

1994 trat Nelson Mandela als erster Schwarzer sein Amt als Staatsoberhaupt Südafrikas an. 1999 zog er sich nach einer Regierungsperiode zurück. Während dieser Jahre sei es ihm bereits gelungen, das Rechtssystem des Landes grundlegend zu verändern, meinte Richter Siraj Desai, der an vielen Prozessen gegen die Apartheid-Regierung direkt beteiligt war.

"Sein Beitrag zur Einführung eines juristischen Rahmens, der auf der Anerkennung der Menschenrechte basiert, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Er hat die Art und Weise, wie wir Recht sprechen, vollständig verändert. Sein Vermächtnis ist in der Erklärung der Menschenrechte enthalten." Die Südafrikaner dürften heute jedoch nicht ihre Augen vor der Armut verschließen, meinte Desai. Die sozio-ökonomischen Rechte seien bisher nicht umgesetzt worden.

Die südafrikanische Sozialaktivistin Fazila Farouk hält die Fragen, die Mandela während des Rivonia-Prozesses ansprach, nach wie vor für sehr aktuell. "Mandela sprach darüber, wie Menschen in ländlichen Gebieten unter den Folgen von Bodenerosion und Dürren litten. Er sprach über die grauenvollen Arbeitsbedingungen der schwarzen Landarbeiter und über das Einkommensgefälle in den Städten, das zweigeteilte Bildungssystem und den massiven Auswirkungen von Armut und Mangelernährung auf die Lernfähigkeit von Kindern", sagt Farouk. "Man kann ganze Passagen aus seiner Rede von 1963 nehmen und sie auf die heutigen Lebensbedingungen vieler Südafrikaner beziehen. Das ist die traurige Wirklichkeit."

Zwar sei der Zugang zu Bildung seit der Umwandlung des Landes in eine Demokratie erheblich verbessert worden, sagte sie. Jedoch habe die weiterhin bestehende Kluft zwischen den Einkommen die Stärkung der Menschenrechte verhindert.


Frauen durch Mandela besser dran

"Wir haben jetzt wirksamere Gesetze, zudem funktionieren Polizei und Justiz besser", räumte die Frauenrechtlerin Lindsay Ziehl ein. Südafrikanerinnen seien dank des Einsatzes von Mandela inzwischen rechtlich wesentlich besser gestellt als früher. "Und häusliche Gewalt gilt nicht mehr bloß als eine Angelegenheiten unter Ehepartnern", sagte sie in einem Gespräch vor Mandelas Tod.

In Südafrika war 1998 ein Gesetz über den Umgang mit häuslicher Gewalt in Kraft getreten, das ökonomische, psychische und körperliche Übergriffe in Beziehungen als Verbrechen einstuft. Laut Ziehl sind zudem mittlerweile mehr Frauen politisch aktiv als jemals zuvor. Südafrika ist das Land mit dem weltweit dritthöchsten Anteil weiblicher Parlamentarier.

Mandela habe durch sein Handeln die Voraussetzungen für "eine Welt mit jungen Madibas" geschaffen, sagte Kathrada. "Erinnert euch daran, wofür Madiba eintrat und wofür er sein Leben geopfert hat, nämlich eine geeinte Nation mit einer Flagge und einer Hymne zu schaffen." (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/12/honour-nelson-mandelas-legacy/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2013