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AFRIKA/1313: Nigeria - Breiter Unmut über Verschiebung der Wahlen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Februar 2015

Nigeria: Breiter Unmut über Verschiebung der Wahlen

von Lisa Vives


New York, 11. Februar (IPS) - Nigerianer im In- und Ausland, im Norden und im Süden des Landes, Muslime und Christen gleichermaßen, fordern derzeit in den sozialen Netzwerken und auf den Straßen ihr Recht auf Ausübung ihres Wahlrechts ein, nachdem die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen "aus Sicherheitsgründen" abgesagt wurden.

Der Urnengang wurde vom 14. Februar auf den 28. März verschoben. Zur Begründung hieß es, dass die Armee zunächst die von Boko Haram besetzten Gebiete zurückerobern müsse. "Die Wahlkommission kann nicht einfach den Rat der Sicherheitschefs des Landes ignorieren", so Attahiru Jega, der Leiter der Wahlkommission, bei der Bekanntgabe der Entscheidung. Dabei hatte er noch in der ersten Februarwoche erklärt, dass man gut vorbereitet sei und 68,8 Millionen Wähler registriert habe.

Durch die Terminänderung verschieben sich auch die Gouverneurs- und Regionalwahlen, die für Ende Februar vorgesehen waren. Sie sollen nun am 11. April stattfinden.

Viele führen die Verschiebung der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen um sechs Wochen auf den Stimmenzuwachs des Oppositionskandidaten zurück. Den Umfragen zufolge steht dem westafrikanischen Land ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem amtierenden Präsidenten Goodluck Jonathan und dessen Herausforderer Muhammadu Buhari bevor.

Jibrin Ibrahim, politischer Analyst des Nigerianischen Zentrums für Demokratie und Entwicklung, wirft den nigerianischen Sicherheitsbehörden vor, den Wahlkommissionschef Jega zur Verschiebung des Wahltermins gezwungen zu haben. Die Gründe seien vorgeschoben. "Sie sagen, dass sie sechs Wochen brauchen, um die seit sechs Jahren vorrückende Boko Haram zu besiegen. Gelingt dies nicht, könnten sie die Wahlen erneut verschieben und damit die Demokratie in Nigeria zerstören."

Der prominente nigerianische Jurist und Menschenrechtsaktivist Femi Falana sprach gar von einem Putsch gegen die Landesverfassung, für den sich der Nationale Sicherheitsberater (NSA) Sambo Dasuki und die Sicherheitschefs zu einem gegebenen Zeitpunkt verantworten müssten.

Wie Joe Igbokwe von der Oppositionspartei 'All Progressvie Congress' auf der Online-Plattform der 'SaharaReporters' schreibt, steht Nigeria derzeit an einem Scheideweg. Unter Berücksichtigung aller Indikatoren, Blickwinkel und Berechnungen deute alles darauf hin, "dass die Titanic namens Nigeria auf einen Eisberg auflaufen wird, sollten wir Präsident Jonathan behalten".

Wie er kritisierte, werde das politische, wirtschaftliche und soziale Leben von Korruption und Vetternwirtschaft bestimmt. "Investmentfonds befinden sich in privater Hand, das System funktioniert nicht und diejenigen, die sich durch nichts verdient gemacht haben, jagen uns zum Teufel."

Die Entführung von mehr als 250 Schulmädchen durch die islamistischen Rebellen der Boko Haram vor mehr als drei Monaten war ein wichtiges Wahlkampfthema. Dazu schrieb Mojubaolu Okome, Professorin am Brooklyn College in New York, auf ihrer Facebook-Seite: "Heute sind 300 Tage seit den Entführungen in Chibok vergangen. Viele Mädchen, Frauen und Jungen und sogar Männer wurden davor und danach verschleppt, viele Dörfer brutal angegriffen und nicht von der nigerianischen Regierung geschützt. Und nun will man uns weismachen, dass man sich auf die Bekämpfung der Boko Haram konzentrieren will? Es fällt schwer, dieser Logik zu folgen. Das ist eine traurige Zeit für Nigeria."

Der Nobelpreisträger Wole Soyinka ist der gleichen Meinung. In einem Beitrag 'Niemand sollte Jonathan wählen' schrieb er: "Die Kunst des Regierens ist komplex und keine beneidenswerte Angelegenheit. Doch eine der Grundvoraussetzungen ist die Fähigkeit zur Empathie." Bezugnehmend auf die Entführung der Schülerinnen stellte er die rhetorische Frage: "Wenn Sie erfahren, dass ihre Tochter entführt wurde, wie lange würde es dauern, bis Sie aktiv würden? Sofort? Einen Tag? Zwei Tage? Drei? Eine Woche? Oder etwa ZEHN Tage?"

In der Zwischenzeit haben die Boko-Haram-Kämpfer nicht geschlafen. Im Norden Kameruns griffen sie ein Grenzdorf an und sollen mindestens 18 Menschen, die in einem Bus unterwegs waren, entführt haben. Auch sollen sie zum dritten Mal in vier Tagen im Niger, einem weiteren Nachbarland, eingefallen sein - offenbar um Gefangene zu befreien.

Dies wiederum veranlasste den nigerianischen Sicherheitsberater zu der Ankündigung, alle bekannten Boko-Haram-Lager zu beseitigen. Auf die Frage, ob die Wahlen erneut verschoben würden, antwortete er, dass dies nicht der Fall sein werde. (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/02/outrage-widens-in-nigeria-over-postponement-of-elections/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Februar 2015

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