afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2016
Mnangagwa in den Startlöchern Die Ablösung von Simbabwes Präsident Robert Mugabe steht bevor
von Itai Mushekwe
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der simbabwische Vizepräsident Emmerson Dambudzo Mnangagwa den Machtkampf in der Regierung gewinnen und Mugabe bald ablösen.
Verschiedenen Berichten zufolge ist Robert Mugabe immer weniger in der
Lage, das Land zu führen - nicht zuletzt wegen zahlreicher
Gesundheitsprobleme wie Krebs. Wiederholt flog er für medizinische
Behandlungen in das Gleneagles Hospital nach Singapur. Ärzte von dort
standen ihm bei nationalen Feierlichkeiten wie dem Heroes Day und dem
Defence Forces Day im August 2016 in Harare zur Verfügung.
Mnangagwa fungiert keineswegs nur als Vizepräsident, ein Amt, das er sich seit Dezember 2014 offiziell mit Phelekezela Mphoko teilt - faktisch laufen aber bei Mnangagwa die Fäden der Macht zusammen. Schließlich ist er auch Justizminister. Zudem leitet er fünf Kabinettkomitees, einschließlich des Komitees zu Nahrung und Landwirtschaft. Wie kein anderer führt er die Regierungsgeschäfte. Deshalb wird ihm nachgesagt, er habe eine Parallelregierung eingerichtet. Denn er leitet auch das mächtige Joint Operations Command.
Mnangagwa kann auf eine jahrzehntelange politische Karriere aufbauen: Im Unabhängigkeitskrieg erhielt er eine militärische Ausbildung in China. Danach begann er als Assistent Mugabes, wurde 1980 Minister für Staatssicherheit - in seine Amtszeit fielen die Massaker und die jahrelangen Gewaltexzesse der 5. Brigade im Matabeleland. Zwischen 1988 und 2000 fungierte er als Justizminister, anschließend wirkte er für fünf Jahre als Parlamentssprecher. 2005 wurde er Minister für ländlichen Hausbau, 2009 Verteidigungsminister und 2013 schließlich Justizminister.
Inzwischen gelang es Mnangagwa, die Armee, die Polizei, den Geheimdienst und die Justiz hinter sich zu bringen. Sie wollen den Status Quo erhalten und sich nicht von Oppositionsführer Morgan Tsvangirai oder Ex-Vizepräsidentin Joice Mujuru dirigieren lassen. Auch Grace Mugabe, First Lady des Landes und einzige ernsthafte Konkurrenz Mnangagwas, hat das Rennen offenbar verloren, da die Generäle sich deutlich zum derzeitigen Vizepräsidenten bekannt haben. Damit scheint seine Machtübernahme als zweiter Präsident des Landes nur einen Steinwurf entfernt zu sein. Möglicherweise ist er bereits vor Weihnachten der neue Amtsträger, wie jüngste Medienberichte andeuten. Demnach soll General Constantino Guveya Chiwenga sein Stellvertreter werden. Er ist ein gefürchteter Sekurokrat und ein persönlicher Verbündeter Mnangagwas. Was das für Oppositionelle und die Zivilgesellschaft bedeutet, wird sich zeigen.
Innerhalb Simbabwes gibt es seit Monaten massive Protestwellen gegen die Polizeibrutalität, gegen Korruption und Arbeitslosigkeit - oft organisiert durch die sozialen Medien. Die Regierungspartei Zimbabwe African National Union-Patriotic Front (Zanu-PF) wurde derart von der Mobilisierungskraft durch WhatsApp und Twitter verunsichert, dass sie den berüchtigten Gesetzesentwurf "Computer Crime and Cyberspace Crime Bill" formuliert hat. Dieser befähigt die Polizei, die private Kommunikation abzuhören, Computer oder Handys zu konfiszieren und Gesetzesbrecher mit fünf Jahren Haft zu bestrafen.
Soziale Medien hatten zuvor zwei wichtige Protestbewegungen ermöglicht: #This Flag und #Tajamuka. Beide forderten Mugabe zum Rücktritt auf. #This Flag wurde vom populären Prediger Evan Mawarire in Harare initiiert und erzielte ab Mai 2016 immer größere Aufmerksamkeit. Mawarire hat inzwischen das Land verlassen und in den USA Zuflucht gesucht, wo er möglicherweise Asyl beantragen wird. Mugabe hatte öffentlich erklärt, er sei in Simbabwe nicht länger willkommen, was einer Morddrohung gleichkam.
#Tajamuka wurde von Promise Mkwananzi gegründet. Dieser war früher Leiter der Jugendliga der oppositionellen MDC-T, der Movement for Democratic Change unter Mogan Tsvangirai. #Tajamuka wirft der Regierung vor, die Bevölkerung zu vernachlässigen.
Im Juni und September gab es Streiks und Demonstrationen. Nicht einmal staatliche Angestellte wie Krankenschwestern und Lehrer erhielten ihre Gehälter - und das in etlichen Institutionen über drei Monate in Folge. Sogar die Sicherheitskräfte mussten lange auf ihren Sold warten. Die Staatskassen waren wegen der verschwenderischen Patronage und einer verfehlten Wirtschaftspolitik der Regierung nahezu leer. Eine Kriegsveteranengruppe protestierte gegen Mugabe. Wie üblich reagierte die Regierung auf die Proteste mit umfangreichen Festnahmen und massiven Gewaltdrohungen. Mnangagwa schwieg zu den Protesten, die ihm möglicherweise sogar gelegen kamen.
Mnangagwa wird nachgesagt, ihm sei es gelungen, wichtige Unterstützung durch London erhalten zu haben, um Mugabe abzulösen. Dem Oppositionspolitiker Tendai Biti von der People's Democratic Party (PDP) zufolge würde sich die britische Botschafterin in Simbabwe, Catriona Laing, für Mnangagwas Präsidentschaft stark machen. Sie sei sogar einen Schritt weiter gegangen und hätte die US-Regierung schon im Mai 2016 direkt um Zustimmung für die Kredite des Internationalen Währungsfonds an die simbabwische Regierung gebeten, obwohl das nicht diplomatischen Gepflogenheiten entsprach.
Es scheint, als ob die gegenwärtige konservative britische Regierung unter der neuen Führung von Theresa May gewillt ist, Mnangagwa zur Amtsübernahme zu begleiten, um ein politisches Chaos in Simbabwe zu vermeiden. Das Land ist abermals außenpolitisch wichtig für Großbritannien, vor allem nach dem Brexit im Juni 2016. Mugabes Herrschaft begann 1980 unter der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher. Sie trug im Lancaster House-Verhandlungsprozess zum Ende der Herrschaft des weißen rhodesischen Minderheitenregimes bei und ebnete damit Mugabes Weg zur Machtübernahme. Nun kann es sein, dass Simbabwe wieder dem Commonwealth of Nations beitritt, nachdem Mugabe die Mitgliedschaft 2003 aufgekündigt hatte.
Am 3. August 2016 wurde bekannt, China wolle mit 46 Millionen US-Dollar den Baubeginn eines neuen Parlaments in Simbabwe finanzieren. Das sei ein Geschenk an die Bürgerinnen und Bürger des Landes. Zudem sei Peking zu Investitionen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar bereit, falls Mnangagwa Mugabe beerbt. Peking hat vielfältige Wirtschaftsinteressen im Land, sie reichen von Minen über die Landwirtschaft bis zur Telekommunikation. Wenn man chinesische Statistiken betrachtet, rangiert Simbabwe konstant unter den drei wichtigsten Ländern für chinesische Investitionen in Afrika.
Zudem sagen Regierungsvertreter in Harare, China zeige auch großes Interesse an Simbabwes Platinvorkommen, um Katalysatoren für seine boomende Autoindustrie zu bauen und so die CO2-Emissionen und die Luftverschmutzung zu reduzieren. Seit 2008 ist das Land weltweit der größte Autoproduzent. China stellt jährlich mehr Fahrzeuge her als die USA, Japan und die Europäische Union zusammen.
Mnangagwa war 2015 nach Peking gereist, wo er hinter verschlossenen Türen die Führungsriege des Landes traf. Die Inhalte seiner Beratungen blieben wohl nicht nur für die Medien ein Mysterium. Die Geheimhaltung verärgerte Mugabe, und Mnangagwas politischen Gegner innerhalb der Zanu-PF warfen ihm vor, die politische Führung in Peking für einen Führungswechsel in Harare zu umgarnen und wie der bedeutende chinesische Reformer Deng Xiaoping zu klingen.
Südafrika unterstützt Mnangagwa aus politischen und wirtschaftsstrategischen Gründen. Der African National Congress (ANC) hat historische Verbindungen mit Simbabwe. Zudem will Jacob Zuma, der südafrikanische Präsident und ANC-Chef, keinen Regimewechsel im südlichen Afrika, sondern die Macht der früheren Befreiungsbewegungen erhalten. Diese Strategie praktizierte schon Zumas Vorgänger Thabo Mbeki gegenüber Präsident Robert Mugabe. Als im Frühjahr 2016 über vierzig südafrikanische Jugendliche zu einem Leadership Training in die USA eingeladen wurden, konterte ANC-Sprecher Zizi Kodwa: Südafrika wolle keine imperialistischen Interventionen, die das Land und die ganze Region destabilisieren würden.
Neben ideologischen Gründen will Pretoria aus wirtschaftlichen Interessen gute Kontakte mit Harare bewahren. Schließlich ist der südafrikanische Minengigant Impala Platinum Holdings Limited (Implats) auch ein großer Anteilseigner an Zimplat, dem führenden Platinminenkonzern im nördlichen Nachbarland.
Ein plötzlicher Regimewechsel in Harare könnte diese ökonomische Romanze erschüttern, denn neben China hat auch Russland Interessen an Simbabwes Platinvorkommen. In Kürze werden die Russen mit einer Platinmine in Darwendale westlich von Harare beginnen, in die sie bereits drei Milliarden US-Dollar investiert haben.
Teheran liebäugelt vor allem mit Simbabwes reichen Uranvorkommen. Im Gegenzug geht es um die militärische Kooperation. Bereits 2012 unterzeichnete Mnangagwa ein Militärabkommen, damals war er noch Verteidigungsminister. Brigadegeneral Ahmad Vahidi betonte, die Islamische Republik werde der simbabwischen Armee helfen, das Land und seine Kultur zu schützen. Sie sei dann besser gegen Bedrohungen und den Druck aus westlichen Ländern gewappnet.
So kann Mnangagwa auf unterschiedliche ausländische Mächte bauen, wenn er zweiter Präsident Simbabwes wird. Alle Anzeichen deuten derzeit darauf hin.
Der Autor ist simbabwischer Journalist und lebt im Exil.
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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
45. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2016, S. 22-23
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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