afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, November/Dezember 2016
David und Goliath
Am 14. Oktober endete die Amtszeit von Südafrikas Ombudsfrau Thuli
Madonsela
von Gottfried Wellmer
Als "Public Protector" war sie die Beschützerin der öffentlichen Interessen. Ende März 2016 trug der Präsident des Verfassungsgerichts ein von allen Verfassungsrichtern gebilligtes Urteil vor, in dem es um Rang und Rolle des "Public Protectors" ging. Er sagte: "Sie ist eine der wertvollsten Geschenke der Verfassung an unsere Nation im Kampf gegen Korruption, illegale Bereicherung, Vorurteile und unziemliches Verhalten in Staatsangelegenheiten und für eine verbesserte, gute Regierungsführung."... "Sie ist die Verkörperung des biblischen Davids - Sinnbild der Öffentlichkeit -, welcher den sehr mächtigen und gut bewaffneten Goliath - Sinnbild für das korrupte Verhalten von Regierungsbeamten - bekämpft. Der Public Protector ist ein Vorkämpfer gegen Korruption und für saubere Regierung." Deshalb ist es nur logisch, dass die Untersuchungsergebnisse und Problemlösungen des Public Protectors (PP) bindend sind. Denn "wäre die Absicht gewesen, dass die Weisungen des PP völlig unverbindlich sein sollten, dann wäre es unvorstellbar, wie die Arbeit des Public Protector jemals einen effektiven Beitrag zur Stärkung unserer verfassungsmäßigen Demokratie leisten könnte." Deshalb wird David (die Bürgerschaft) "Verfassungstreue, Rechenschaftspflicht und die Herrschaft des Rechts als scharfes Schwert schwingen, um das hässliche Haupt der Straflosigkeit von ihrem steifen Nacken zu hacken." Ah, juristische Poesie! Nur wenn ein Gericht den Befund und die Problemlösung des Public Protectors als nicht bindend erklärt hätte, hätte der Staatspräsident den Bericht des PP ignorieren dürfen.
Der Präsident ist die "Personifizierung des Verfassungsprojekts dieser Nation." Das Parlament, so die Verfassungsrichter, ist der Hütehund der Ressourcen des Staates, die Instanz, welche auf fiskalische Disziplin und Kosteneffektivität zum gemeinsamen Vorteil aller Bürger dringt und diese erzwingt. Das Urteil der Verfassungsrichter bezog sich auf einen 2014 vorgelegten Bericht der Ombudsfrau Thuli Madonsela, von 2009-2016 Südafrikas PP, mit dem Titel "Secure in Comfort". Danach habe Präsident Jakob Gedleyihlekisa Zuma (der mittlere, prophetische Name bedeutet gemäß dem Autor und Journalisten Fred Khumalo: "Er lächelt dir in's Gesicht, während er dir Schaden zufügt") den Teil seiner Hausrenovierung, der nicht der Sicherheit diente, selber zu bezahlen habe. Zuma ignorierte dies zwei Jahre lang und ließ sich von einer sykophantischen ANC-Mehrheit im Parlament darin bestätigen. Deswegen urteilten die Verfassungsrichter, der Präsident habe die Verfassung als oberstes Gesetz des Landes nicht respektiert. Das entzieht ihm (und dem Parlament) jede Art von Legitimität.
In ihrem letzten Amtsjahr hat Madonsela mehr als 24.000 Untersuchungen durchgeführt - Zeichen für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre unparteiische Arbeit. Die letzte Untersuchung betraf die Frage, ob Präsident Zuma den Ethik-Codex für die Exekutive verletzt hatte, indem er der Familie Gupta oder seinem Sohn Duduzane erlaubt hat, das Feuern oder Ernennen von Ministern bzw. von Direktoren staatlicher Betriebe zu beeinflussen. Zeugen sagten aus, dass derlei Ernennungen abhängig von Quid-pro-Quo-Bedingungen gemacht wurden, die den Firmen der Guptas nützten, den Bürgern aber schadeten. Am 22. März d.J. informierte Madonsela Zuma über diese Klagen. Dieser hatte sechs Monate Zeit für seine Antworten, blieb diese bei einem Treffen am 6. Oktober aber schuldig. Er forderte, die Zeugen der Anklage selber befragen zu dürfen. Madonsela stellte klar, dass dies nur über ihr Amt ginge.
Eine von Zuma bei Gericht beantragte einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung des Berichts der Ombudsfrau zog er am zweiten Verhandlungstag wieder zurück. Das Gericht verfügte unmittelbar die Veröffentlichung. Der Bericht enthält 355 Seiten mit detaillierten Fakten, aber keine definitiven Urteile über die beschuldigten Personen, weil aus Zeit- und Geldgründen keine Befragung anderer Zeugen durch die Beschuldigten möglich war. Als Problemlösung wies Madonsela den Präsidenten an, er möge eine Untersuchungskommission ernennen, dessen Richter vom Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, nicht aber vom Staatspräsidenten ausgesucht werden soll, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Binnen sechs Monaten solle die Kommission genügend Personal und Geldmittel auftreiben, um die vom PP begonnene Arbeit zu vollenden.
Kann es sich die Regierungspartei erlauben, dass ihr Präsident und seine Clique sechs Monate lang als Banditen gerichtlich vorgeführt werden? Der Fraktionschef des ANC hat den Rücktritt der gesamten ANC-Führung gefordert. Die Parteibasis fragt, warum die Integritätskommission der Partei nicht längst ein Disziplinarverfahren gegen den Präsidenten begonnen hat. Das alles, weil eine Person einfach gute Arbeit geleistet hat. Anwältin Madonsela gibt Hoffnung, dass David doch noch siegt im Kampf gegen Goliath.
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DAVID UND GOLIATH
Die Amtszeit von Thuli Madonsela, Südafrikas mutiger Ombudsfrau, ist
beendet. Gottfried Wellmer kommentiert ihren Kampf gegen Korruption.
AKTUELL
SYMPTOM EINER GEBROCHENEN GESELLSCHAFT
Die #FeesMustFall-Studierendenproteste fordern eine freie
Hochschulbildung und die Dekolonisierung der Universitäten Südafrikas.
Maren Denker berichtet aus Johannesburg.
VERBRIEFTE RECHTE EINFORDERN
Derzeit steht die gesamte südafrikanische Goldminenindustrie vor
Gericht. Lehren aus der Sammelklage zu Staublungenfällen erläutern
Tanja Charles und Dean Peacock.
MASAKHANE - GEMEINSAM STÄRKER WERDEN
Dawn Cavanagh von der Coalition of African Lesbians (CAL) im Gespräch
mit Judith Menzel und Uta Schwenke.
SCHWARZ-LESBISCHE LEBENSWELTEN Zanele Muholi fotografiert Lesben und Trans*Menschen in ihrem Lebensumfeld. Irina Turner veranschaulicht das Werk der herausragenden südafrikanischen Fotokünstlerin.
RECHTE FÜR ALLE
Mitte der 1990er Jahre waren homophobe Hetzreden in Namibia an der
Tagesordnung. Auch wenn der jetzige Präsident aufgeschlossen ist,
werden Gesetzesreformen weiterhin abgelehnt. Liz Frank über die Kämpfe
der Lesben- und Homosexuellen-Organisationen in Namibia.
DAS VOLK ZAHLT DIE SCHULDEN
In einem Interview mit der Deutschen Welle äußert sich der
mosambikanische Journalist Adérito Caldeira zu den illegalen Schulden
seines Landes und zur Rolle der Geber, die Mosambik lange als
Musterland der Entwicklungspolitik sahen.
POLITISCHE SPANNUNGEN IM HERZLAND DER MINERALIEN
Kongos frühere Provinz Katanga ist ein Krisenherd mit langer
Geschichte. Während das Kabila-Regime die Wahlen verschiebt, steigen
in der ressourcenreichen Region Spannungen und staatliche Repression.
Die International Crisis Group zeigt die Gründe auf.
LOKALES AGRAR-ÖKOLOGISCHES WISSEN
Elisabeth Mpofu ist Kleinbäuerin in Shashe nahe Masvingo und
Vorsitzende des Zimbabwe Smallholder Organic Farmers Forum. Ihren
Einsatz für eine nachhaltige Landwirtschaft würdigt Gisela Feurle.
STARKE PERFORMANCE
Simbabwes Literatur und Musik sind lebendig. Trotz der politischen und
wirtschaftlichen Krise gibt es positive Entwicklungen. Eine Generation
junger Künstlerinnen haucht der Kulturszene neues Leben ein. Itai
Mushekwe hat ihre Auftritte beobachtet und sieht einen Silberstreif am
Horizont.
MAJI MAJI FLAVA
Der Maji-Maji-Krieg zwischen 1905 und 1907 in der damaligen Kolonie
Ostafrika ist trotz der zahlreichen Todesopfer in der deutschen
Öffentlichkeit kaum bekannt. Nun rief eine Kooperation des
Staatstheaters Kassel mit Flinn Works und dem Asedeva-Theater in
Daressalam die Erinnerung daran wach. Rita Schäfer hat sich die
postkoloniale Theaterperformance angesehen.
JUNGES SOZIALKRITISCHES KINO
Der tansanische Filmemacher Amil Shivji stellte Ende September in Köln
und Berlin seinen Spielfilm "Aisha" vor. Andreas Bohne gibt einen
Einblick in das cineastische Werk des Künstlers und die Bedeutung
gesellschaftskritischer Dokumentarfilme in Tansania.
TOD IN NDOLA AUF WIEDERVORLAGE
Mitte September 1961 starb der frühere UN-Generalsekretär Dag
Hammarskjöld bei einem Flugzeugabsturz. Der scheidende
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon schlug vor, die UN-Generalversammlung
solle einen neuerlichen Beschluss fassen, um die Untersuchungen über
die Absturzursache fortzuführen. Henning Melber kennt den
völkerrechtlichen Kontext.
REZENSIONEN
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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
45. Jahrgang, Nr. 6, November/Dezember 2016, S. 3
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2017
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