Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/710: Südafrika - Einstieg in den Klimaschutz? (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2008

Einstieg in den Klimaschutz?
Südafrika legt eine Klimaschutzstrategie vor. Eine kritische Bewertung

Von Trusha Reddy


Am 28. Juli 2008 hat der südafrikanische Umweltminister Marthinus van Schalkwyk eine ambitionierte, langfristige Strategie zum Klimaschutz vorgelegt. Südafrika übernimmt damit unter den Schwellenländern die Führung im internationalen Klimaschutz. Der Plan, mit dem das Land einen langfristigen, klimafreundlichen Entwicklungsweg einschlägen will, hat weithin Aufmerksamkeit auf sich gezogen und ist auf ein positives Echo gestoßen. Zu Recht?


Progressiv, ambitioniert und vorausschauend. Mit diesen Worten stellt Südafrikas Minister für Umwelt und Tourismus, Marthinus Van Schalkwyk, den neuen Plan seiner Regierung vor, mit dem der Klimawandel eingedämmt werden soll. Das Szenario, das hier entworfen wird, geht davon aus, dass die Treibhausemissionen in den Jahren 2020 bis 2025 ihren höchsten Ausstoß erreichen und diese Spitzenwerte etwa zehn Jahre beibehalten werden, um dann bis 2050 soweit zurückgehen, dass ein Temperaturanstieg unter zwei Grad gehalten werden kann.

Das Szenario geht davon aus, dass die notwendigen internationalen Verpflichtungen vertraglich erzielt werden. Diese müssten in einer zweiten Verpflichtungserklärung zur Reduktion der Treibhausgase ausgearbeitet werden, in der eine Senkung der Emissionen von 2012 bis 2050 geregelt wird. Eine solche Vereinbarung werde letztlich das Tempo vor allem jenen Industrieländern vorgeben, die sich bisher nicht entschließen konnten, dem Kyoto-Protokoll beizutreten, wie die USA und Japan.

Sehen wir einmal von der Rhetorik und der internationalen Großwetterlage ab; die Frage stellt sich, was kann ein einzelnes Land praktisch tun, um solch ehrgeizige Ziele zu erreichen? Konkreter: Enthält der Plan der Regierung zur Energieversorgung ein radikales Umdenken weg von der Produktion billiger, aber schmutziger Energie (aus Kohle), was Südafrika auf die Liste der zwanzig gröbsten Luftverschmutzer weltweit gebracht hat? Der Energy Security Master Plan 2007-2025 sagt ganz deutlich: Der Status quo wird sich in der näheren Zukunft nicht verändern:

"Südafrika ist der kostengünstigste Stromproduzent der Welt, eine Position, die wir aus strategischen Gründen behalten sollten. In den letzten Monaten hat es jedoch eine Reihe von Sorgen um die Sicherheit der Stromversorgung gegeben. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, dass sich der Masterplan dieser Herausforderung stellt. Zwar konnten die Auswirkungen der Elektrizitätsversorgung auf die Wirtschaft, wie wir sie gerade bei totalen Ausfällen erlebt haben, nicht in die Untersuchung einfließen und zu diesem Zeitpunkt in Geldwerten quantifiziert werden, doch die Folgen für die Wirtschaft des Landes dürften enorm sein. Eine Unterbrechung der Versorgung ist jedenfalls alles andere als wünschenswert."

Die Arbeiten zum Masterplan waren bereits abgeschlossen, als es Anfang 2008 zu den dramatischen Stromausfällen kam, der so genannten Energiekrise. Seitdem sind, um aus dem Schlamassel herauszukommen, drei neue Kohlekraftwerke genehmigt und ein altes wieder in Betrieb genommen worden. Der derzeitige Finanzierungsplan sieht für die nächsten drei Jahre 343 Mrd. Rand (44,6 Mio. US-Dollar) und auf lange Sicht einen Anstieg auf 170 Mrd. US-Dollar vor. Das sieht ganz nach der Devise "weiter so" aus mit einem massiven Ausbau von Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen. Van Schalkwyk wendet dagegen ein, der neue Plan sehe keine neuen Kohlekraftwerke vor. Theoretisch hat er da Recht, doch nur, weil wir den Energiebedarf bereits mit den erwähnten Kraftwerken erst einmal gedeckt haben.


Kohle führt in die Sackgasse

Wenden wir uns einem anderen Kohleprojekt zu. Die Regierung behauptet, sollten neue Kohlekraftwerke genehmigt werden, müssten die Betreiber eine neue, bisher noch nicht entwickelte Technologie anwenden, bei der das Kohlendioxid abgeschieden und gelagert wird. Die Emissionen dieser schmutzigen Energiegewinnung sollen aufgefangen und unterirdisch entsorgt werden, um eine Luftbelastung zu vermeiden. Das Sparpotenzial soll gehandelt und international verkauft werden, wie es das Kyoto-Protokoll vorsieht. Auch darin gibt der Masterplan einen Einblick:

"Eskom (Südafrikas Strommonopolist) ist in einer relativ einzigartigen Position, weil der Strommix einseitig auf Kohle beruht. Deshalb wird die Grundlast von Kohle getragen. Es sind nur wenige wirtschaftlich tragfähige Optionen zur Verfügung, und deshalb ist es ganz wichtig, den Klimawandel im Auge zu behalten und den Emissionshandel zur Finanzierung zu nutzen. Solche Zertifikate müssen bei den Entscheidungen für künftige Investitionen berücksichtigt werden."

Hier geht es um zwei Fragen. Zum einen ist der Emissionshandel umstritten, weil er einem Marktmechanismus vertraut, der bisher kaum oder gar keinen Nutzen erbracht hat. Ferner hat die Übertragung auf den Süden vor Ort erhebliche Probleme verursacht, die die prekäre sozial-ökonomische Lage dort verschärft haben und nicht in den Planungen eingeflossen sind. Zum anderen: Wenn wir es wirklich mit den angepeilten Zielen ernst nehmen, können wir die Kohleförderung nicht zur Grundlage unserer Pläne machen. Die Kohleförderung wird den Ausstieg aus fossilen, nicht erneuerbaren Brennstoffen nur hinausschieben und das bereits gestörte Klima weiter schädigen. Offensichtlich steht hier ein Anreiz für Investitionen aufgrund billiger Energie im Vordergrund; so lassen sich jedenfalls unsere Ambitionen nicht umsetzen.


Atomkraft: teuer und gefährlich

Auch die Nuklearenergie ist ein Eckstein in der Energieplanung Südafrikas "Von der Regierung her betrachten wir die Nuklearenergie als Teil der Lösung", sagt Van Schalkwyk. Diese Energie wird übrigens als erneuerbare Energie eingestuft. Ganz auf dieser Linie hat das Kabinett im Juni dieses Jahres eine kontroverse Atomkraftnutzung gebilligt, die vor allem wegen Mangels an breiter Konsultation unter heftige Kritik geraten ist. Erhebliche Summen sollen für die Nukleartechnologie bereit gestellt werden, am umstrittensten dabei ist die Entwicklung des Kugelhaufenreaktors, dessen Bau die Regierung schon seit zehn Jahren plant. Die Konstruktionspläne dieses Pebble Bed Molecular Reactor (PBMR) sind noch längst nicht abgeschlossen, die Kosten liegen bereits über dem Achtfachen der Voranschläge, und wohin der strahlende Abfall soll, weiß auch noch niemand.

Die Ausgaben für diese Technik haben bereits die Hälfte der Summe verschlungen, die gebraucht wird, um - wie geplant - alle Wohnungen an das Stromnetz anzuschließen, eine Kernaufgabe, vor der Südafrika und die Region insgesamt stehen. Zudem steht in den Sternen, ob die Kosten von 3,25 Mrd. US-Dollar (25 Mrd. Rand) wieder eingespielt werden können, bis der Reaktor in eine wirtschaftlich tragfähige Zone kommt. Schätzungen zufolge steigt die weltweite Stromnachfrage bis 2030 um 85 Prozent. Und die Atomkraft - so heißt es - müsste ihre Kapazitäten verdoppeln, um nur ihren Anteil am derzeitigen Energiemix zu halten.

Atomkraftgegner protestieren schon lange gegen die Nuklearoption. Sie schädigt mit den Strahlungsemissionen die Umwelt und gefährdet die menschlichen Gesundheit. Uranminen kontaminieren die Luft, das Wasser und den Boden mit radioaktiven Chemikalien und Schwermetallen, die nicht völlig herausgefiltert werden können, wenden sie gegen die Atomkraft ein. Andere weisen darauf hin, dass beim Uranabbau hochgiftige Chemikalien und Schwermetalle eingesetzt und Unmengen von Wasser verbraucht werden. Uranbergwerke zerstören - in einem begrenzten Zeitraum betrachtet - das ökologische Gleichgewicht einer Region; auf lange Sicht wirken sie sich auf einen viel größeren Raum aus. Neue Arbeitsplätze sind auch kaum zu erwarten; sie bleiben auf eine kleine Zahl von Spezialisten begrenzt. Das aber kann kein vorrangiges Ziel von Entwicklungsländern mit hoher Arbeitslosigkeit sein.

Währenddessen werden nach Angaben des Stromlieferanten Eskom tragfähige Optionen für erneuerbare Energien wie Wind und Sonne vorerst nur "geprüft". 2003 wurde zwar ein Weißbuch zu erneuerbaren Energien vorgestellt. Doch über Lippenbekenntnisse hinaus ist bisher nichts geschehen. Wenn wir ernsthaft einen Übergang zu einer Wirtschaft mit geringen Ausstoß an Kohlenstoff suchen, dann muss erneuerbare Energie bis 2050 die fossilen Brennstoffe komplett ersetzen. Wir werden ferner unser Konsumverhalten und unseren Lebensstil dramatisch in Richtung eines klimafreundlichen Verhaltens ändern müssen. Im Gegensatz zu ihrem Wortgetöse wird die reale Politik, wie sie derzeit betrieben wird, ihre Versprechen auf eine Umkehr des Klimawandels nicht einlösen. Wachsamkeit und hartnäckige Beobachtung sind gefordert, Regulierungen müssen eindeutig sein und keine Schlupflöcher lassen; die Politik insgesamt muss sich einem Wandel unterziehen. Wir müssen darauf hin arbeiten, die lokalen Kosten für die verschiedenen Optionen und die realen Folgen von der Nutzung von Kohle und Atomkraft auf die Gesundheit zu bestimmen, die Folgen für Umwelt, für Arbeitsplätze und den Lebensstil. Erst dann können wir auf Afrika und den Rest der Welt mit dem Finger zeigen.


Die Autorin arbeitet im "Corruption and Governance Programme" des Institute for Security Studies in Kapstadt.


*


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 6, Dezember 2008


Wahlmarathon 2009
Im kommenden Jahr stehen etliche Wahlen im Südlichen Afrika an. Eine Vorschau von Hein Möllers.

aktuell

südafrika
Ein politisches Erdbeben
Wie sieht nach dem Rücktritt Thabo Mbekis die Zukunft des ANC aus? Wie, wenn Jacob Zuma im April als Präsident folgen wird? William M. Gumede sieht langfristig eine Neugruppierung der politischen Landschaft Südafrikas.

Eine neue Chance für Südafrika?
Bei ausländischen Beobachtern steht Jacob Zuma zu Unrecht in schlechtem Ruf, meint Klaus Frhr. von der Ropp. Zuma habe das Zeug, die Gesellschaft zusammenzuführen und Brücken zu schlagen - auch zu den Afrikaanern.

namibia
Reale Hoffnungen und eine Geisterdebatte
Zu Jahresbeginn ist in Namibia ein Pilotprojekt zum Grundeinkommen BIG gestartet. Im Oktober wurde eine erste Zwischenbilanz vorgelegt, doch der Bericht löste auch Kontroversen aus. Von Reinhart Kößler.

Modell Otji
Ein Beitrag zur Problemlösung in der sanitären Grundversorgung Namibias sind Trockentoiletten, wie sie in Otjiwarongo errichtet wurden. Von Ali Hensel.

Erinnerungen, Identitäten und Gegenwart
Reinhart Kößler hat die Gedenkfeste der Bondelswarts und Witboois im Süden Namibias besucht.

dr kongo
"Wir werden die Menschen des Kongo befreien"
Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Milizen im Osten der DR Kongo haben wieder zugenommen. Sabine Schulze berichtet.

ruanda
"Das ist meine Geschichte"
HIV-infizierte ruandische Frauen erzählen ihr Leben, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Lale Heim hat mit ihnen gesprochen.

Die Geschichte von Mukamana Odette

malawi
Wider die Marktschreier
Malawis Regierung subventioniert Saatgut und Dünger, weswegen die Kleinbauern wieder gute Ernten einfahren. Von Busani Bafana.

mosambik: kommunalwahlen
Spannender Dreikampf
Am 19. November wurden in Mosambik die dritten Kommunalwahlen abgehalten. Warum die Bürgermeisterwahlen in Beira so spannend waren, sagt uns Elke Zimprich Mazive.

Frelimo gewinnt Kommunalwahlen
Von Andrea Queiroz de Sauza.

mosambik: biosprit
Afrikas Blattgold
Sie ist giftig, wächst auf kargen Böden - und der Saft ihrer Früchte kann Motoren antreiben: Jatropha heißt die große Hoffnung Mosambiks, meint Ingrid Müller.

Jatropha auf dem Vormarsch?
Via Campesina konfrontiert die globale Agro-Kraftstoffindustrie. Von John E. Peck.

südafrika: umwelt und klima
Einstieg in den Klimaschutz
Südafrika legt eine Klimaschutzstrategie vor. Eine kritische Bewertung von Trusha Reddy.

"Der Markt für erneuerbare Energien wird wachsen"
Auszug aus einem Interview der Heinrich-Böll-Stiftung mit Saliem Fakir.

Die Wüste schleicht sich an
Kein Abwarten und Tee trinken: In Südafrika ist der Rooibos-Anbau gefährdet - und mit ihm die Existenz vieler Kleinfarmer. Von Leonie Joubert.

service
Rezensionen


*


Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
37. Jahrgang, Nr. 6, Dezember 2008, S. 34 - 35
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org

"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2009