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AFRIKA/844: Für Integration Zeit nehmen, fordert Paralleltreffen zu SADC-Gipfel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. August 2010

Südliches Afrika: Für Integration Zeit nehmen, fordert Paralleltreffen zu SADC-Gipfel

Von Servaas van den Bosch


Windhuk, 18. August (IPS) - Eine rasche Umsetzung der Wirtschaftsintegrationspläne der Länder des südlichen Afrikas halten Vertreter der Zivilgesellschaft für unrealistisch und konterproduktiv. Wie sie auf ihrer Parallelveranstaltung zum Gipfeltreffen der regionalen Wirtschaftsgemeinschaft SADC in Namibia betonten, sollte sich die SADC mit einer gemeinsamen Freihandelszone und Währungsunion Zeit lassen und auch bei den Handelsgesprächen mit der EU einen Gang zurückschalten.

"Die Hoffnung auf ein grenzenloses südliches Afrika ist derzeit unrealistisch", meinte Dot Keet vom Informations- und Entwicklungsdienst AIDC mit Sitz in Südafrika auf der Veranstaltung vom 16. bis 17. August in Windhuk. Abgesehen von der Tatsache, dass nicht alle SADC-Mitgliedstaaten das geplante Freihandelsabkommen unterzeichnet hätten, stießen die Länder auch bei der Einhaltung ihres Fahrplans an ihre Grenzen. So musste die für 2010 geplante Zollunion auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.


Unterschiedliche Interessen

Dass die SADC mit ihrem Programm in Verzug ist - es beinhaltet auch eine Währungsunion bis 2015 und die Einführung eines gemeinsamen Zahlungsmittels bis 2018 - führt Keet in erster Linie auf die unterschiedlichen Prioritäten der einzelnen SADC-Mitgliedstaaten zurück. Botswana, das mit einem starken Rechtssystem und dem Zugang zum südafrikanischen Markt punkten kann, will zu einem Dreh- und Angelpunkt für Unternehmen und Finanzdienstleister werden.

"Länder wie Lesotho und Swasiland wollen die Hilfsgelder nicht aufs Spiel setzen, die sie erhalten", erläuterte die Handelsexpertin. Andere Staaten wiederum hätten einen deutlichen und bedenklichen Liberalisierungsvorsprung. So exportiert Südafrika fünfmal so viele Produkte nach Sambia als umgekehrt. Eine rasche Freihandelszone würde solche Schieflagen weiter verschärfen. "Denn die wirtschaftlich starken Nationen profitieren von den schwächeren Ländern."

Hinzu kommt Keet zufolge, dass die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit der Europäischen Union, die mit einer 85-prozentigen Liberalisierung der Zölle einhergingen, den Zugang für europäische Erzeugnisse erleichtern würden. Dadurch werde sich die Ungleichheit der Handelsbilanz zu Lasten der afrikanischen Länder vergrößern. Die EPAs sollen die alten Vorzugsbeziehungen zwischen Europa und seinen ehemaligen Kolonien im afrikanisch-karibisch-pazifischen Raum aus den 70er Jahren an die Freihandelsrichtlinien der Welthandelsorganisation (WTO) und damit an den Freihandel anpassen.

Wie der Koordinator der UN-Millenniumskampagne Thomas Deve erklärte, ist kein einziges Land in der Region wirklich zufrieden mit den derzeitigen Entwicklungen. Anstatt den Handel für die Mobilisierung von Ressourcen zu nutzen, werde ein Liberalisierungskurs verfolgt, der zur De-Industrialisierung und den Verlust von Arbeitsplätzen geführt habe.

Die UN-Millenniumskampagne zielt darauf ab, möglichst viele Menschen zur Unterstützung der Millenniumsentwicklungsziele zur Armutsbekämpfung zu bewegen, auf die sich die internationale Gemeinschaft im Anschluss an den New Yorker UN-Millenniumsgipfel im Jahr 2000 bis 2015 geeinigt hatten.

"Die SADC ist noch nicht soweit, um ihre ehrgeizigen Wirtschaftsintegrationspläne in die Tat umzusetzen", meinte dazu Rumbidzai Masango vom 'Economic Justice Network' (EJN), einem Projekt der 'Fellowships of Christian Councils of Southern Africa' (FOCCISA). "Das Vorhaben, in naher Zukunft eine gemeinsame Währung einzuführen, würde Staaten wie Südafrika und Namibia um zehn Jahre zurückwerfen", warnte sie. FOCCISA ist eine Organisation, die mit elf nationalen Kirchenräten im südlichen Afrika zusammenarbeitet.

Was Inflationsziele, Haushaltsdefizite und Währungspolitik angeht, sollte sich die Region auf Mindeststandards verständigen", empfiehlt Masango. "Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass Staaten vor einer Ehe mit unterschiedlichen Volkswirtschaften stabil sind."


Eigene Positionen klären

Keet ist der gleichen Ansicht. "Die Region sollte möglichst schnell und wo sie nur kann auf gemeinsame Strategien festlegen. Der Transport- und Kommunikationssektor wären Bereiche, in denen sich rasch Forschritte erzielen lassen. Doch ebenso brauchen wir Strategien in den Bereichen Wassermanagement, Ernährungssicherheit und Energie. Selbst eine gemeinsame Industriepolitik nach dem Vorbild Südafrikas liegt nicht außer Reichweite".

Die Dominanz Südafrikas innerhalb der SADC stelle per se kein Hindernis sein", ist die Expertin überzeugt. Den SADC-Nachbarländern empfiehlt sie, sich zu einer Art Gegengewicht zu formieren und mit dem Kapstaat ein Abkommen für grenzüberschreitende Investitionen einzugehen. Es soll den südafrikanischen Unternehmen ermöglichen, ihre Profite zu repatriieren. Nach Ansicht von Keet würde Pretoria diese Geste sicherlich zu schätzen wissen und mit einer Rücknahme des politischen Drucks belohnen.

Keet forderte die SADC-Staaten auf, gegenüber der EU als Block aufzutreten und vor weiteren EPA-Verhandlungen sich erst einmal auf die eigenen Standpunkte festzulegen. Die Vorzugsbehandlung, wie sie die EU in Aussicht stelle, werde von kurzer Dauer sein. "Und dann werden unsere Produkte mit denen aus aller Welt konkurrieren."

Masango spricht in diesem Zusammenhang von einer "Catch-22-Situation". Die Länder würden zur Unterzeichnung der EPAs gedrängt, ohne ihre eigene regionale Wirtschaftsintegration zustande gebracht zu haben.

Einige EPA-Auflagen, etwa im Bereich der Fischerei, ließen sich mit den Entwicklungszielen afrikanischer Länder nicht vereinbaren, warnte Masango. "So wollen die Europäer die afrikanischen Küstengewässer abfischen und unseren Fisch in Europa zu hohen Preisen verkaufen, während wir selbst unseren Fisch oftmals nicht exportieren können." (Ende/IPS/hn/2010)


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http://www.ejn.org.za/
http://www.endpoverty2015.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52514

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2010