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AFRIKA/861: Fortschritte bei Armutsbekämpfung in Angola - Müttersterblichkeit mehr als halbiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2010

Angola: Fortschritte bei der Armutsbekämpfung - Müttersterblichkeit mehr als halbiert

Von Louise Redvers


Luanda, 9. September (IPS) - Seit Stunden hockt Paula Silva vor einer der wenigen Geburtskliniken Luandas, in der ihre Tochter ein Kind bekommt. Gemeinsam mit anderen werdenden Großmüttern, deren zerschlissene Umhänge sie kaum vor der kalten Abendluft schützen, wartet die 45-jährige Angolanerin darauf, vom Krankenhauspersonal zur nahen Apotheke geschickt zu werden. Denn oftmals sind die Medikamente, die zur Behandlung der Patientinnen, in dem Hospital nicht vorrätig.

"Es kommt immer wieder vor, dass Medikamente fehlen", berichtet Silva, die der Tochter auch etwas zu essen mitgebracht hat. Denn auch bei der Nahrungsmittelversorgung im Krankenhaus kommt es immer wieder zu Engpässen.

Dennoch steht es heute in Angola um die medizinische Versorgung werdender Mütter weit besser als zu der Zeit, als Silva ihre Kinder ohne medizinische Hilfe zur Welt brachte. Ein Kind wurde tot geboren, ein anderes nur sechs Monate alt. Silva selbst überlebte die letzte Geburt nur knapp. Damals durchlebte das südwestafrikanische Land einen 30-jährigen Bürgerkrieg, der erst 2002 endete.

Inzwischen hat die Wirtschaftsentwicklung des mit Erdöl und Diamanten reich ausgestatteten Landes ein rasantes Tempo vorgelegt und Wachstumsraten erzielt, die in Afrika kaum überboten werden. Doch die Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung hat mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. Bislang gibt es für einen Großteil der 12,5 Millionen Angolaner weder sauberes Trinkwasser noch Elektrizität. Die Sozialstatistik weist schwere Defizite auf.

Dass es damit deutlich aufwärts geht, belegt Angolas Regierung der Volksbewegung für die Befreiung Angolas (MPLA) mit ersten Analysen einer in ihrem Auftrag landesweit durchgeführten Befragung von 12.000 Familien. Diese umfassende Sozialstatistik mit dem Titel 'Untersuchung des Wohlbefindens der Bevölkerung' ('Inquerito Integrado Sobre o Bem Estar da Populaçao' - IBEP) wurde erstmals seit 2001 durchgeführt, vom Planungsministerium und der Statistikbehörde organisiert und vom Weltkinderhilfswerk UNICEF und der Weltbank unterstützt.


Gute Nachrichten

Zu den besonders erfreulichen Ergebnissen der Sozialerhebung gehört ein deutlicher Rückgang der Müttersterblichkeit. Sie hat sich mit 600 Todesfällen bei 100.000 Lebensgeburten gegenüber der letzten Erhebung 2001 (1.400 Todesfälle) um über 50 Prozent verringert. Auch die Überlebenschancen der Neugeborenen haben sich verbessert. 2001 starben noch eins von vier Kindern bei der Geburt, heute überleben vier von fünf Neugeborenen.

Um diesen Aufwärtstrend zu verbessern hat die Regierung in Luanda ein Nationalkomitee etabliert, das weitere Maßnahmen zur Prävention der Mütter- und Neugeborenensterblichkeit untersuchen soll. Dazu werden lokale Komitees eingerichtet, die vor Ort nach den Ursachen der Mütter- und Säuglingssterblichkeit suchen und Vorschläge für vorbeugende Maßnahmen erarbeiten soll.

Vertreter internationaler Organisationen haben die IBEP-Ergebnisse begrüßten, weil sie in etlichen Bereichen Fortschritte erkennen lassen. Doch Angolas größte politische Oppositionspartei UNITA (Union für die totale Unabhängigkeit Angolas) kritisiert die Kampagne gegen Müttersterblichkeit als eine überflüssige Propagandaschlacht der Regierung. UNITA-Sprecher Alcides Sakala erklärte: "Was wir wirklich brauchen ist ein Politikwechsel. Um ihn zu erreichen, müssen andere Leute das Land regieren."

Anders Elio Cotado, Weltbank-Manager für Angola. Er begrüßte die Ergebnisse der Untersuchung als aktuelle Orientierungshilfe. "In manchen Fällen sind frühere Einschätzungen offenbar überholt", sagte er IPS. "Die neuen Zahlen kommen auch für uns rechtzeitig, denn wir sind dabei, mit der Regierung eine neue Strategie für Angola zu erarbeiten."


Lob für klare Armutsanalyse

Der Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation 'Development Workshop', Allan Cain, sprach von einer "bemerkenswerten" Untersuchung. Er lobte die Aufrichtigkeit der Regierung, die ungeschönte Statistiken vorgelegt habe. So etwa sei daraus das ganze Ausmaß der Kluft zwischen Reich und Arm zu entnehmen oder die Tatsache, dass die Lebensbedingungen für 90 Prozent der städtischen Bevölkerung miserabel seien. Nach Angaben der Sozialerhebung verfügen 20 Prozent der reichsten Angolaner über ein Einkommen, das 19 Mal höher ist als das von 20 Prozent der Menschen am unteren Ende der Einkommensskala.

Auch Hans Lunshof von UNICEF Angola, der die Abteilung Sozialpolitik und Kinderschutz leitet, lobte die aktuelle Sozialerhebung. "Sie zeigt deutlich, wo Armut herrscht und welche Faktoren dafür entscheidend sind", stellte er fest. "Aus ihr ergeben sich Richtlinien für entwicklungspolitische Maßnahmen, die die Bedürfnisse der Ärmsten und Bedürftigsten tatsächlich berücksichtigen", betonte der UNICEF-Vertreter.

Der IBEP-Report stellt fest, dass durchschnittlich 36 Prozent der Angolaner in Armut leben. Weit größer ist die Armut auf dem Land. Dort sind rund 58 Prozent der Bevölkerung arm. In früheren Weltbank-Schätzungen war davon die Rede, das zwei Drittel der angolanischen Bevölkerung arm sind.

Zu ähnlichen Einschätzungen kommt auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der katholischen Universität von Angola. Die Autoren des IBEP-Berichts erklären diese deutliche Abweichung von ihren eigenen Zahlen mit dem Hinweis auf neue und unterschiedliche Berechnungsmethoden.


Wirtschaftliche Entwicklung dringt allmählich zu den Armen durch

"Seit 2001 sind wesentliche Verbesserungen festzustellen", betonte Cain. "Die Untersuchung zeigt, dass inzwischen etwas von der wirtschaftlichen Entwicklung auch unten ankommt", sagte er. Dennoch seien noch große Aufgaben zu bewältigen.

Dieser Einschätzung schließt sich auch Weltbank-Vertreter Codato an. "In den ersten Friedensjahren wurden große Fortschritte erzielt. Dennoch sollte man in Angola größere Anstrengungen unternehmen, damit der Wohlstand des Landes und seine reichen Naturressourcen dem eigenen Volk mehr zugute kommen als bisher", sagte er IPS. (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2010