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AFRIKA/918: Tansania - kein Platz für Ruandas Genozidtäter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2010

Tansania: Aus der Zelle in den rechtsfreien Raum - Kein Platz für Ruandas Genozidtäter

Von Fulgence Niyonagize


Arusha, Tansania, 15. Dezember (IPS) - "Lebenslänglich", lautete das Urteil, mit dem der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda (ICRR/TPIR) am 6. Dezember Ildefonse Hategekimana hinter Gitter schickte. "Er ist schuldig, Völkermord, Mord und weitere Gewaltverbrechen begangen zu haben", begründete die vorsitzende Richterin Arlette Ramaroson den Urteilsspruch.

Hategekimana, ein ehemalige ruandischer Offizier, ist der 52. Angeklagte, den das international besetzte Tribunal im tansanischen Arusha bisher verurteilt hat. Der UN-Sicherheitsrat stattete es im November 1994 mit 16 Richtern, drei Kammern und einer Revisionsinstanz aus und beauftragte es mit der Aufklärung schwerer Menschenrechtsverletzungen während des Völkermords in Ruanda 1994.

Leutnant Hategekimana war 1994 Kommandant des kleinen Militärcamps von Ngoma im südlichen Ruanda gewesen. Wie andere Verurteilte auch wird er seine lebenslange Haftstrafe nicht in der UN-Haftanstalt in Arusha absitzen, die die Vereinten Nationen im Bereich des örtlichen Gefängnisses etabliert haben. Derzeit sind hier 36 Häftlinge untergebracht, die nahe des Strafgerichtshofs auf ihren Prozess oder ihre Verlegung nach Ruanda oder in ein anderes Land warten.

"Dieses Gefangenenzentrum ist das erste, das die Vereinten Nationen konzipiert und etabliert haben", erklärte der verantwortliche Zentrumsleiter Saidou Guindo. Er verwies auf die recht komfortablen Verhältnisse, unter denen die Inhaftierten hier ihre Zeit absitzen. "Auch wenn es viel Kritik gibt, so müssen wir doch auch Schwerverbrecher, die des Völkermords verdächtigt oder überführt sind, human behandeln", betonte er.

Das UN-Gefängnis besitzt eine Bücherei und eine kleine Moschee und bietet Englischunterricht an. Es gibt Besucherräume, in denen Anwälte mit ihren Klienten sprechen können sowie kleine Sportplätze für Basket- und Volleyball. "Alle zwei Monate dürfen die Gefangenen von ihren Ehepartnern besucht werden. Die Familien der Häftlinge haben schließlich nichts mit deren Verbrechen zu tun", so Guindo.


Mehrere Länder zur Aufnahme Verurteilter bereit

Während sich neben den afrikanischen Ländern Benin, Mali, Senegal und Swasiland auch Frankreich, Italien und Schweden bereit erklärt haben, verurteilte ruandische Täter aufzunehmen, ist man auch in Ruanda darauf vorbereitet, vom TPIR verurteilte Landsleute in einem einheimischen Gefängnis unterzubringen.

Bereits jetzt verbüßen hier ehemalige Warlords aus Sierra Leone, die ein Sondergericht zu 25 bis 50 Jahren Haft verurteilt hatte, ihre Strafe. In Nyanza im Süden Ruandas wartet das renovierte und ausgebaute Mpanga-Gefängnis auf die Neuzugänge. Mali hat inzwischen 14 in Arusha verurteilte Ruander aufgenommen, Benin sieben.

Théodore Simburudari, der Vorsitzende der zivilen Organisation 'Ibuka' hatte schon vor zwei Jahren gegenüber der Nachrichtenagentur 'Hirondelle' angekündigt: "Die Überlebenden des Genozids werden es begrüßen, wenn die Täter in Ruanda inmitten ihrer Opfer eingesperrt werden. Das wird ihnen und ganz Ruanda eine Lehre sein." Ibuka kümmert sich um Gerechtigkeit für die Opfer des vor 16 Jahren an 800.000 Tutsi und gemäßigten Hutu begangenen Völkermords und sorgt dafür, dass der Genozid nicht vergessen wird.


Bei der Tätersuche auf andere Länder angewiesen

Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda verfügt über keine eigene Polizei. "Bei der Suche nach verdächtigen Ruandern oder bei der Unterbringung Freigesprochener kann er sich nur auf die Kooperationsbereitschaft anderer Länder verlassen", betonte Pascal Besnier, Protokollführer beim TPIR. "Fünf von acht Freigesprochenen wurden bereits von Frankreich, Schweden Belgien und Italien aufgenommen", berichtete er. Die übrigen drei warten noch auf eine Möglichkeit, im gleichen Land wie ihre Familien leben zu können. "Doch einige westliche Länder haben uns zu verstehen gegeben, man halte sie für ein Sicherheitsrisiko", kritisierte Besnier.

Anfang Dezember, als der UN-Sicherheitsrat das Mandat für das Sondertribunal TRIR ein weiteres Mal bis 2013 verlängerte, mahnte der TPIR-Präsident, Richter Dennis Byron, zur Eile. "Das Problem, wo die angeklagten Ruander nach ihrem Freispruch oder nach Verbüßung ihrer Strafe bleiben können, muss dringend gelöst werden", sagte er und warnte: "Die Zahl der Betroffenen, die dann in einem praktisch rechtsfreien Raum landen, ist groß."

Seit Beginn seiner Arbeit hat der Internationale Sondergerichtshof für Ruanda 90 Personen angeklagt. 80 Verdächtige wurden verhaftet, zehn sind noch auf der Flucht. 52 Angeklagte wurden verurteilt, acht freigesprochen und sieben warten auf das Ende ihres Prozesses. Zwei Verdächtigte wurden an nationale Gerichte überstellt und fünf sind inzwischen gestorben. (Ende/IPS/mp2010)


Link:
http://www.ibuka.net/rwanda.html
http://www.ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=6281


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2010