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AFRIKA/932: Frauen wollen ihren Anteil am Familienbesitz - Verfassungsklage eingereicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Dezember 2010

Malawi: Frauen wollen ihren Anteil am Familienbesitz - Verfassungsklage eingereicht

Von Collins Mtika


Mzuzu, Malawi, 29. Dezember (IPS) - Grace Mkandawire stand einst auf der Sonnenseite des Lebens. Als Frau eines Bauunternehmers genoss sie alle Vorteile, die Ansehen und Wohlstand mit sich brachten. Doch mit dem Tod ihres Mannes kam der gesellschaftliche Abstieg. Mit ihren Kindern lebt sie nun in ärmlichen Verhältnissen im Katoto-Township von Mzuzu, der Hauptstadt von Malawis Northern Region.

Die Landesverfassung garantiert Frauen nach dem Ende einer Ehe einen fairen Anteil am Familienvermögen. Das Gesetz über eheliches Eigentum von 1882 jedoch schreibt vor, dass Malawierinnen nur dann Ansprüche anmelden können, wenn sie aktiv zum ehelichen Eigentum beigetragen haben.

Dass Mkandawire mit dem Schicksal hadert, ist nicht zu überhören. Mal sprechen Wut und Trauer, mal Resignation und Verzweiflung aus ihrer Stimme. "Wir besaßen 19 Autos, ein Bauunternehmen, mehrere Häuser und hatten über 450 Millionen Malawi-Kwacha (drei Millionen US-Dollar) auf verschiedenen Konten", erzählt sie. "Doch mein einziges Erbe bestand aus unseren drei Kindern."

Den Abstieg in die Armut verdankt sie der Schwester ihres Mannes. Die Schwägerin hat der Witwe alles genommen. "Ich musste bei null beginnen", erinnert sich Mkandawire. Selbst Küchenutensilien musste sie neu anschaffen. Eines der Kinder kam mit den neuen Gegebenheiten nicht zurecht und unternahm mehrere Selbstmordversuche. Am Ende erlag der Junge einem Magengeschwür.

Mkandawire weiß, was Depressionen sind. Ihr halfen Beratungsgespräche und Medikamente aus der akuten Krise. Doch die Bitterkeit ist geblieben. "Wir hatten uns Vermögen gemeinsam aufgebaut", erinnert sie sich. "Als mein Mann nach dem College keine Stelle fand, war ich es, die uns mit meinem kargen Lehrergehalt über Wasser hielt. Doch seine Verwandten haben mir nie geholfen", erklärt sie.


Gesetzreform angestrebt

Für Frauen wie Mkandawire könnte sich die Situation möglicherweise zum Besseren wenden. Die Frauenrechtsorganisation 'Women and Law in Southern Africa Research Trust' (WLSA - Malawi) hat den malawischen Staat vor dem Verfassungsgericht verklagt. Sie will eine Reform des Gesetzes über eheliches Eigentum erreichen.

WLSA-Malawi zufolge werden viele Malawierinnen nach dem Tod ihrer Männer oder dem Scheitern ihrer Ehen um ihren Besitzanteil geprellt. Deshalb sollen die Verfassungsrichter Absatz 17 des Gesetzes über eheliches Eigentum streichen oder mit dem Zusatz versehen, dass Frauen nach dem Ende einer Ehe die Hälfte des ehelichen Vermögens zusteht. Da Besitz meist auf den Namen von Männern angemeldet wird, können Malawierinnen nur selten nachweisen, dass sie zum Auskommen der Familie beigetragen haben.

Mkandawire glaubt nicht, dass eine Gesetzesreform den Frauen wirkliche Vorteile bringen wird. Sie hält die kulturellen Gegebenheiten für das größte Problem, das einer Teilhabe von Frauen am Familienbesitz im Wege steht. Entwicklungsexperten sehen die Ursache allen Übels in der in vielen afrikanischen Ländern existierenden chronischen Armut.

"Sie ist der Grund, warum die Enteignung der Witwen und Waisen von den Betroffenen selbst als unabänderliche Tatsache hingenommen wird", meint der Rechtsberater Chagara Phiri. "Von den Frauen erwartet man, dass sie in ihr Elternhaus zurückkehren, und von den Kindern, dass sie sich klaglos in ihr Schicksal fügen.


Hausarbeit anerkennen

Die Frauenvereinigung WLSA will die Rolle der malawischen Frau aufwerten, indem sie sich für eine Anerkennung von Hausarbeit und Kinderbetreuung als Beitrag zum Familieneinkommen einsetzt.

Für Chief Mtwalo aus der Stadt Mzimba in der Northern Region sind solche Anstrengungen nicht nachvollziehbar. Er wirft Frauen- und Menschenrechtsorganisationen im Lande vor, die Traditionen der ethnischen Ngoni in Verruf zu bringen. Der Vorwurf, dass Witwen in der Northern Region in die Armut abgedrängt würden, sei eine starke Übertreibung.

Doch Beispiele gibt es zuhauf. So berichtet Love Ngulube, eine Witwe aus dem Dorf Embangweni, die nach dem Tod ihres Mannes in ihr Heimatdorf zurückgekehrt ist, dass sie auch dort um ihren Besitz geprellt worden sei. So hätten ihr die Dorfältesten erklärt, dass sie als Frau kein Recht auf Land habe. (Ende/IPS/kb/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2010