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AFRIKA/946: Somalia - Zeit wird knapp für Mission der Afrikanischen Union (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Januar 2011

Somalia: Zeit wird knapp für AU-Mission - Kein Frieden im verfehlten Staat

Von Brenda Sorensen


Stockholm, 19. Januar (IPS/IDN*) - Der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) ist es nicht gelungen, dem verfehlten Staat am Horn von Afrika Frieden und Stabilität zu bringen. Obwohl den in der somalischen Hauptstadt Mogadischu stationierten Truppen die Zeit davonläuft, macht die internationale Gemeinschaft keine Anstalten, über Alternativen nachzudenken.

Somalia ist seit dem Sturz des inzwischen verstorbenen Präsidenten Siad Barre 1991 und dem Ausbruch des Bürgerkriegs ohne funktionstüchtige Regierung. Im Norden existieren lediglich zwei regionale Administrationen: die selbsternannte 'Republik von Somaliland' im Nordwesten und der halbautonome Staat Puntland im Nordosten.

Internationale Anerkennung genießt die Föderale Übergangsregierung (TFG), die aus einem Übergangspräsidenten, einen Regierungschef und einem Kabinett (Ministerrat) besteht. Aus administrativen Gründen wurde Somalia in 18 unterschiedlich verwalteten Regionen unterteilt.

Die TFG war als eine von mehreren Übergangsinstitutionen der Regierung etabliert worden, die in der Föderalen Übergangscharta festgeschrieben worden waren und im November 2004 vom Föderalen Übergangsparlament angenommen wurden. In der Charta ist von einem fünfjährigen Mandat die Rede, das Somalia zu einer ständigen Regierung nach den Wahlen 2009 verhelfen sollte.

Im Januar 2009 verlängerte das Übergangsparlament das Mandat um weitere zwei Jahre. Es wurde zudem um 200 Mitglieder der oppositionellen Allianz für die Wiederbefreiung Somalias und um 85 Vertreter der Zivilgesellschaft und anderer Gruppen erweitert. Somit hat sich die Zahl der Abgeordneten auf 550 verdoppelt. Die Gespräche über eine neue Verfassung sind noch nicht abgeschlossen.


AMISON überfordert

"Nicht nur, dass die AMISOM herbe Verluste in Kauf nehmen muss, so wird sie selbst von Nichtregierungsorganisationen beschuldigt, den Tod Hunderter Zivilisten durch den wahllosen Beschuss von Wohngebieten verursacht zu haben", schreibt der Afrika-Experte Paul D. Williams in einem Bericht, den das angesehene Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI veröffentlich hat.

Williams zufolge beschränkt sich die Arbeit von AMISOM auf die Bekämpfung von Rebellen, um eine unzuverlässige und weitgehend abwesende Regierung zu stützen. Bei der Ausübung ihrer schwierigen und gefährlichen Einsätze könne die Mission kaum auf solide internationale Unterstützung hoffen. "Wie (UN-Generalsekretär) Ban Ki-moon treffend sagte, wird es höchste Zeit für die Regierungen der Welt, über die Zukunft von AMISOM nachzudenken."

Williams, der außerordentlicher Professor und Vizedirektor des Master-Programms für sicherheitspolitische Studien an der Elliott-Schule für internationale Angelegenheiten der US-amerikanischen George-Washington-Universität ist, findet es wenig überraschend, dass die vier Jahre, die AMISOM in Mogadischu stationiert ist, wenig zur Lösung der Konflikte in Somalia beigetragen haben.

Ursprünglich als Friedensmission gedacht sei AMISOM weitgehend eine Schutztruppe für die TFG. Sie sei zu dem schwierigen Spagat gezwungen, einigen Bewohnern Mogadischus humanitäre Hilfe zu leisten und die für ihre Terroranschläge berüchtigten Al-Shabab-Rebellen zurückzudrängen.

Die Studie erinnert daran, dass die Afrikanische Union (AU) und die ostafrikanische Regionalorganisation IGAD nach den Bombenanschlägen in Kampala vom 11. Juli 2010 zugesagt hatten, das AMISOM-Personal auf 20.000 Truppen und 1.680 Polizisten aufzustocken. Eine Revision des Operationskonzepts der AU-Soldaten wurde im September 2010 entwickelt und auch ein Plan für den Einsatz neuer Truppen aufgestellt, die auch außerhalb Mogadischus abgestellt werden sollten.

Williams wies darauf hin, dass die AU die Vereinten Nationen gebeten hatten, die Zahlungen an diese Truppen mit den zu erwarteten Beiträgen zu bestreiten. Auch habe sie den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, die AMISON zu einer Friedensmission umzubauen. Darüber hinaus erging der Appell, die Küstengewässer und den Luftraum Somalias abzuriegeln, um den Nachschub ausländischer Kämpfer und Waffen zu unterbinden, die die Gewalt in der Region anheizen. Unterstützt wurden die Forderungen von UN-Chef Ban Ki-moon, der den Sicherheitsrat dazu aufrief, alle notwendigen Schritte zur Stärkung der AMISOM zu unternehmen.


Halbherzige Hilfe

Die Pläne haben mit der Realität jedoch wenig zu tun, wie Williams in seiner Studie kritisiert. Erst Dezember letzten Jahres hätten die AMISOM-Truppen mit 8.000 Mann die ursprünglich genehmigte Stärke erreicht. Die Polizeieinheiten waren mit 50 Offizieren noch schlechter dran.

Damit AMISON überhaupt eine Chance hat, sich gegen die Rebellen durchzusetzen, sind nach Ansicht von Williams vor allem zwei Dinge vonnöten: ein zuverlässiger lokaler Partner, der das Vertrauen der Zivilbevölkerung besitzt, und die breite und internationale Unterstützung für ein durchsetzungsfähigeres Mandat.

Doch die TFG-Übergangsregierung ist weit davon entfernt, ein solcher Partner zu sein. Ihr ist es weder gelungen, außerhalb Mogadischus nachhaltige Allianzen zu schmieden, noch die Rebellen aus der Hauptstadt zu verbannen. Ebenso wenig konnte sie die Menschen in Mogadischu mit den Leistungen versorgen, die sie benötigen. Zudem versäumt sie es immer wieder, ihre Sicherheitskräfte rechtzeitig zu bezahlen.


Somalische Lösung erwünscht

Anstatt dem Land eine einheitliche Nationalregierung aufzudrängen, die die meisten Somalier ohnehin als ausländisches Konstrukt betrachten, das vor allem ausländischen Interessen dient, empfiehlt der Afrika-Experte, externen Akteuren das Feld zu überlassen, um den politischen Raum zu schaffen, der notwendig ist, um im Interesse der nationalen Versöhnung einen von Somaliern geführten Friedensprozess auf lokaler und regionaler Ebene zu ermöglichen.

Der internationalen Gemeinschaft warf der Professor in seiner Untersuchung vor, mit ihrer Unterstützung für AMISOM erheblich im Rückstand zu sein. Trotz der Zusagen des US-Außenministeriums, umfangreiche logistische und andere Hilfe zu leisten, konnten bis 2010 gerade einmal 56 Prozent der notwendigen Hilfe für Somalia mobilisiert werden. Dadurch sei der Eindruck entstanden, dass der internationalen Gemeinschaft das Schicksal von mehr als drei Millionen Somaliern, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, egal sei. (Ende/IPS/kb/2011)

* Der von 'Global Cooperation Council' und 'Globalom Media' erstellte Informations- und Analysendienst IDN-InDepthNews ist Partner von IPS-Deutschland.


Links:
http://www.sipri.org
http://en.wikipedia.org/wiki/Somalia
http://www.state.gov/r/pa/ei/bgn/2863.htm
http://www.indepthnews.net/news/news.php?key1=2011-01-09%2023:05:33&key2=1

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2011