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ASIEN/620: Burma - Zeit zu handeln, das Recht siegt nicht von allein (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Juli 2010

BURMA: Zeit zu handeln - Das Recht siegt nicht von allein

Kommentar der Friedensnobelpreisträgerinnen Shirin Ebadi und Jody Williams (*)


New York, 5. Juli (IPS) - Irgendwann in diesem Jahr soll in Burma gewählt werden. Die Militärregierung nennt das einen Schritt in Richtung Demokratie, alle Indikatoren deuten aber in eine ganz andere Richtung.

Die wichtigste Oppositionspartei des Landes, die Nationale Liga für Demokratie, hat daher unter Führung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi beschlossen, sich lieber aufzulösen, anstatt an diesen Scheinwahlen teilzunehmen. Die Partei sieht den Urnengang als abgekartetes Spiel, das dem Machterhalt der Junta dienen soll.

Unter dem Militärregime sind Gewalt und Menschenrechtsverstöße seit Jahrzehnten Teil des Alltags. Suu Kyi musste ihren 65. Geburtstag am 19. Juni weiter unter Hausarrest verbringen. Er wurde vor 14 Jahren verhängt; fast 20 Jahre ist es jetzt her, dass sie aus demokratischen Wahlen als Siegerin hervorging.

Ihre Lebensgeschichte ist einzigartig, hat aber gleichzeitig Symbolcharakter für das Leiden hunderttausender Frauen in Burma. Wie Aung San Suu Kyi sind sie in einem Leben des Leids unter einem brutalen Militärregime gefangen, Opfer im längsten aber oft übersehenen Bürgerkrieg der Welt.

Vergewaltigung und Misshandlung

Als Richter beim 'Internationalen Tribunal für Verbrechen gegen die Frauen in Burma' in New York hörten wir die Aussagen von zwölf dieser tapferen Frauen.

Chang Chang berichtete, wie sie von einer Gruppe Soldaten in ihrem Dorf attackiert und vergewaltigt wurde. Als ihr Schicksal bekannt wurde, stand ihre Dorfgemeinschaft ihr nicht bei, sondern stellte sie an den Pranger und verstieß sie. Naw Ruth Tha beschrieb, wie Soldaten sie zwangen, am Tag schwere Lasten zu schleppen, und sie nachts vergewaltigten - im fünften Monat ihrer Schwangerschaft.

Ma Pu Sein brach in Tränen aus, als davon berichtete, wie Soldaten ihr gesamtes Dorf niederbrannten. Eine andere junge Frau begann ihre Aussage mit den Worten, "Ich teile mit Ihnen eine gewöhnliche Geschichte, die in ihrer Gewöhnlichkeit mit der Zeit Normalität geworden ist." In der Tat kann jede der gehörten Frauen für tausende weitere stehen, für Männer und auch Kinder, die über Jahrzehnte unter der Unterdrückung durch das Militärregime gelitten haben und leiden.

Ihre persönlichen Geschichten reichen von Inhaftierung und Folter als Dissidenten bis hin zur Zwangsrekrutierung als Sexsklaven oder menschliche Minenräumer.


Nicht wegschauen, handeln

Brutalität dieses Ausmaßes sollte niemals als normal hingenommen werden. Doch mit Ausnahme weniger kurzer Momente schaut die Welt schweigend zu, wie das Regime ungestraft weitermacht. Die in New York gehörten Aussagen bestätigen, dass das Regime Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Straftaten begeht, die vor internationale Gerichtshöfe gehören. Sie dürfen nicht andauern. Die internationale Staatengemeinschaft muss jetzt handeln, um dem Recht und Gesetz in Burma zur Geltung zu verhelfen.

Ein möglicher Weg wäre, dass der Weltsicherheitsrat einen Untersuchungsausschuss erwägt, um dem Verdacht der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Burma nachzugehen. Das könnte der erste Schritt sein, um die Junta schließlich vor dem Internationalen Strafgerichtshof anzuklagen.

Der UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtssituation in Burma, Tomas Quintana, hat diesen Schritt bereits gefordert. Großbritannien, Australien, Schweden und Tschechien unterstützen den Vorschlag. Gemeinsam mit den anderen Richtern des Internationalen Tribunals in New York haben wir die gleiche Forderung an den Weltsicherheitsrat erhoben.

Die anstehenden Wahlen in Burma bieten ebenfalls einen Ansatzpunkt für ein internationales Vorgehen. Die Wahlen werden stattfinden gemäß einer Verfassung, die ohne Zustimmung der Zivilgesellschaft, auch der Frauen des Landes, zustande gekommen ist. Diese Verfassung verhindert de facto die politische Amtsausübung durch Frauen - auch der Generation, der Aung San Suu Kyi ein Vorbild ist. Die jüngste Auflösung der rechtmäßigen Regierungspartei und der Opposition ist ein weiterer Beleg für die Schwere des Problems.


Keine Anerkennung

Unter diesen Umständen und vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Verbrechen des Militärregimes gegen die Völker des eigenen Landes sollte die internationale Staatengemeinschaft geschlossen sowohl den Ausgang der Wahlen als auch jegliche daraus hervorgehende Regierung nicht als rechtmäßig anerkennen.

Es ist an der Zeit, dass die Welt beweist, dass sie mindestens so viel Mut hat wie die Frauen Burmas. Ihre Führerin Aung San Suu Kyi hat ihr Leben voller großer persönlicher Verluste und Einschränkungen dem Kampf für Demokratie in ihrem Land gewidmet. Die Frauen, die vor dem Internationalen Tribunal in New York aussagten, werden ebenfalls ein Wegschauen nicht schweigend akzeptieren. Sie erheben ihre Stimme in der Hoffnung, so wirkliche Veränderung in Burma herbeizuführen. Wir glauben daran.

Zu Ehren Aung San Suu Kyis und der aufrechten Frauen Burmas muss die internationale Staatengemeinschaft dem burmesischen Volk beistehen im Kampf für Demokratie und Gerechtigkeit. Es ist nicht nur Zeit für einen UN-Untersuchungsausschuss, die internationale Staatengemeinschaft muss auch die geplanten Wahlen als das Täuschungsmanöver verurteilen, das sie wirklich sind. (Ende/IPS/sv/2010)


(*) Die US-amerikanische Menschenrechtsaktivistin Williams wurde 1997 gemeinsam mit der von ihr vorangetriebenen Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Die iranische Juristin und Menschenrechtlerin Shirin Ebadi erhielt die Auszeichnung 2003. Beide Frauen sind Gründerinnen der 'Nobel Women's Initiative', einer weltweiten Organisation mit Sitz in Ottawa, Kanada.


Link:
http://www.nobelwomensinitiative.org

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2010