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ASIEN/647: Links überholt - Japan lässt Wachstumsriesen China an sich vorbeiziehen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. September 2010

Asien: Links überholt - Japan lässt Wachstumsriesen China an sich vorbeiziehen

Von Suvendrini Kakuchi


Tokio, 6. September (IPS) - Im zweiten Quartal 2010 wurde es offiziell: China hat Japan vom zweiten Platz auf der Liste der größten Wirtschaften nach den USA vertrieben. Das chinesische Bruttoinlandsprodukt erreichte 1,33 Billionen US-Dollar, das japanische 1,28 Billionen Dollar. Experten rechnen damit, dass sich diese Kluft in den kommenden Jahren verbreitert, und raten Japan dringend zu einem Kurswechsel in seiner Chinapolitik.

"Japan hat angesichts des machtvollen chinesischen Aufstiegs resigniert", sagt Takashi Ito, Wirtschaftsexperte mit Lehrstuhl an der Universität von Tokio. Er vermisst Reaktionen auf Regierungsebene und sieht kein Licht am Ende des Tunnels.


China bleibt stark

Die Weltbank sagt China in diesem Jahr ein weiteres starkes Wachstum von über zehn Prozent voraus, Goldman Sachs rechnet damit, dass China im Jahre 2027 sogar die USA vom ersten Platz unter den Wirtschaftsriesen der Welt vertreibt.

Japan hingegen wird in diesem Jahr mit einem Wachstum von 0,4 Prozent leben müssen und leidet insbesondere unter einem Wertverlust seiner Landeswährung. Der Yen ist in den letzten drei Monaten um 20 Prozent eingebrochen - eine Situation, die den japanischen Exporten schadet und immer mehr Unternehmen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit im Ausland produzieren lässt.

Dies wiederum wird sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen, droht die Arbeitslosenquote von derzeit 5,7 Prozent anzusteigen und die Ausgaben der Verbraucher zu schwächen. Letztere aber generieren 60 Prozent des japanischen Bruttoinlandsproduktes.


Chinesische Stärke nutzen

"Japan sollte den chinesischen Aufstieg weniger als Bedrohung denn als Chance begreifen", meint Masaru Takagi von der Meiji-Universität, eine der wichtigsten privaten Hochschulen des Landes. Er rät den beiden Giganten zur Zusammenarbeit beim Aufbau eines asiatischen Wirtschaftsforums nach dem Vorbild der EU.

Das allerdings ist leichter gesagt als getan. Denn seit Jahren wächst der chinesische Einfluss in Asien dort, wo der japanische schwindet. Ein Beispiel dafür ist Sri Lanka. Japan hat seine Hilfszahlungen für den Inselstaat nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zwischen 2004 und 2008 von 179 Millionen Dollar auf 44 Millionen Dollar zusammengestrichen. China indes baut seine Aktivitäten in Sri Lanka aus und unterstützt vor allem Infrastrukturprojekte wie den Hafen in Hambantola im Süden mit 300 Millionen Dollar.


Reformen lassen auf sich warten

Zudem verschleppt Japan dringend nötige Reformen zur Wiederbelebung seiner Wirtschaft. "Etablierte Bürokraten verweigern sich dem Wandel", kritisiert Satoru Okuda vom Institut für Wirtschaftsentwicklung, eine quasi staatliche japanische Denkfabrik.

Eine der dringend anstehenden Reformen betrifft die Einwanderungspolitik. Experten sehen in Japan, das mit einer überalternden Gesellschaft zu kämpfen hat, hohen Bedarf an qualifizierten Zuwanderern. Sie fordern die Aufnahme von 150.000 Immigranten im Jahr. Nicht mehr als 68.000 Einwanderer aber ließen sich 2007 in Japan nieder.

Der japanischen Bevölkerung scheint die internationale Position Japans derweil weniger wichtig zu werden. Eine Umfrage der Zeitung 'Asahi' vom Juni ergab, dass 55 Prozent der Teilnehmer das internationale Standing Japans gleichgültig ist. Auch betonten 73 Prozent, dass ihnen eine wirtschaftlich gesunde japanische Gesellschaft besonders am Herzen liegt - eine Gesellschaft, in der Menschen weniger hart arbeiten müssen. (Ende/IPS/hn/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2010