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ASIEN/773: Burma - Widerstand gegen Großinvestor China, Präsident will Dammprojekt stoppen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Oktober 2011

Burma: Widerstand gegen Großinvestor China - Präsident will Dammprojekt stoppen

von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 12. Oktober (IPS) - Als sich Burmas neuer Staatspräsident Thein Sein unerwartet gegen den Bau eines von China finanzierten Riesenstaudamms in dem südostasiatischen Land aussprach, erkannte er nicht nur die Bedenken von Umweltaktivisten und der Bevölkerung an. Seins Haltung wirft auch ein Schlaglicht auf die umstrittenen Geschäftspraktiken der Volksrepublik bei Staudammprojekten in aller Welt.

"China hat im Ausland viele Dämme errichtet, ohne auf internationale Umwelt- und Sozialstandards Rücksicht zu nehmen", kritisierte Grace Mang von der Naturschutzorganisation 'Rivers' mit Sitz in den USA. "Aufgrund mangelnder Transparenz sind Informationen nur schwer zugänglich."

Umweltaktivisten sind zunehmend beunruhigt, seit China seine staatlichen Unternehmen dazu ermuntert, Dammprojekte in Entwicklungsländern in Angriff zu nehmen. "Immer mehr chinesische Energiekonzerne und Ingenieursbetriebe richten ihren Blick auf ausländische Märkte, um weiterhin profitabel zu bleiben", erklärte Mang in einem Interview mit IPS.


China ist Weltmeister im Staudammbau

Zurzeit investiert die Volksrepublik in 251 Staudammprojekte in 68 Staaten und nimmt damit weltweit eine Führungsrolle ein. "Auch die Größe dieser Bauvorhaben ist beispiellos", sagte Mang. Fast 90 Prozent der Projekte werden in Entwicklungsländern wie Burma, Sudan, Äthiopien und Kambodscha durchgeführt. "China hat mehr Kredite für den Dammbau vergeben als die Weltbank."

In dem fast 50 Jahre lang von einer Militärjunta regierten Burma, wo nun der Myitsone-Staudamm am Fluss Irrawaddy entstehen soll, hat sich China offenbar in seinem Verbündeten getäuscht. Präsident Sein, der an der Spitze einer quasi zivilen Regierung steht, forderte am 30. September im Parlament das Großprojekt zu stoppen, "weil es nicht dem Willen des Volkes entspricht."

Das 3,6 Milliarden US-Dollar teure Projekt, das von dem Unternehmen 'China Power Investment' (CPI) im Norden Burmas umgesetzt wird, soll 6.000 Megawatt Strom erzeugen. Der größte Teil der Elektrizität soll den chinesischen Energiehunger stillen. Den Plänen zufolge sollen für das Projekt 766 Quadratkilometer Wald geflutet werden - eine Fläche, die dem Stadtstadt Singapur entspricht. Etwa 12.000 Angehörige der Kachin-Ethnie müssten umgesiedelt werden.

"Die Entscheidung gegen den Bau des Myitsone-Damms wird die Chinesen ziemlich schockiert haben", meinte der australische Wissenschaftler Sean Turnell, der das Weblog 'Burma Economic Watch' betreibt, im Gespräch mit IPS. "Sie sind es gewohnt, dass sich Burma loyal verhält."

Viele chinesische Investitionsprojekte in Burma tragen nach Ansicht von Turnell nicht dazu bei, die Infrastruktur so zu verbessern. "Alle Straßen, Brücken, und Eisenbahnstrecken werden gebaut, um den Transport der burmesischen Ressourcen in die Volksrepublik so effizient wie möglich zu machen."

Laut dem burmesischen Historiker Thant Myint-U sind die Äußerungen des Präsidenten ein "Weckruf". Er sollte den Chinesen zu verstehen geben, dass alternative Geschäftspraktiken in Burma im eigenen Interesse liegen sollten. "Chinesische Firmen gehen in dem Land ganz anders vor als Unternehmen anderer Staaten", erklärte der Autor des Buches 'Where China Meets India - Burma and the New Crossroads of Asia'. Die größte Gefahr in Burma sieht Myint-U in Verstößen gegen Umweltinteressen und gegen die Rechte der Anwohner.


Chinesen größte Investoren in Burma

Im vergangenen Jahr erreichten Chinas Investitionen in Burma, das während der Militärdiktatur in Myanmar umbenannt wurde, mit 8,17 Milliarden Dollar ein bisher nicht da gewesenes Ausmaß. Die meisten Investitionen wurden bei der Erzeugung von Wasserkraft sowie der Öl- und Gasförderung getätigt. Inzwischen sind die chinesischen Investitionen in Burma auf 12,32 Milliarden Dollar gestiegen.

CPI plant unterdessen sechs weitere Mega-Dämme, die der Volksrepublik zusätzlich zu dem geförderten Erdöl und Erdgas Strom liefern sollen. Schätzungsweise zwölf Millionen Kubikmeter burmesisches Erdgas und 22 Millionen Tonnen Öl aus dem Nahen Osten sollen jährlich durch zwei 2.800 Kilometer lange Pipelines nach China transportiert werden.

Burma hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmend abhängig von China gemacht. Grund waren die von westlichen Staaten verhängten Wirtschaftssanktionen gegen das Militärregime, auf das vor sechs Monaten eine zivile Regierung unter Führung von Sein folgte.

Dem Leiter der 'US Campaign for Burma', Aung Din, sind die Ressentiments der Burmesen gegen China inzwischen "extrem groß". Keiner in Burma sei mit der Ausdehnung des "chinesischen Empires" in Burma einverstanden, das Burmesen von ihrem Land vertreibe und um ihr Eigentum bringe.

Beobachtern zufolge ist der Widerstand gegen die "Dampfwalzen-Taktik" Chinas vergleichbar mit der Empörung in Teilen Afrikas. Dort hätten von China unterstützte Firmen bereits reichlich unter Beweis gestellt, dass es ihnen in erster Linie um Verträge mit Regierungen gehe und weniger um das Wohl der Bevölkerung. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2011