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ASIEN/799: Malaysia - Neues Sicherheitsgesetz schützt Oppositionelle vor politischer Verfolgung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2012

Malaysia: Neues Sicherheitsgesetz schützt Oppositionelle vor politischer Verfolgung

von Baradan Kuppusamy



Kuala Lumpur, 25. April (IPS) - In Malaysia hat das Parlament das berüchtigte Gesetz für innere Sicherheit (ISA) abgeschafft. Es wurde durch ein Neues ersetzt, das zwar immer noch umstritten ist, aber einen gravierenden Vorteil aufweist: Es kann nicht zur Unterdrückung politisch Andersdenkender missbraucht werden.

Für Chandra Muzaffar von der in Malaysia ansässigen 'Internationalen Bewegung für eine gerechte Welt' ist das neue Gesetz eines der außergewöhnlichen Beispiele, "in denen die Exekutive freiwillig auf Machtbefugnisse zugunsten der Judikative verzichtet". So hatte der Innenminister unter ISA das Recht, jeden unliebsamen Bürger ohne Gerichtsbeschluss festnehmen und über Jahre ohne Schuldspruch einsperren zu lassen. Dieses Recht wurde nun durch die Neuregelung ausgehebelt.

Das neue Gesetz versucht eine Balance herzustellen zwischen den Rechten der Bürger und dem Interventionsbedürfnis des Staates, Terrorakten, Spionage und ethnischen Konflikten vorzubeugen. Malaysia ist ein Vielvölkerstaat, den die ehemaligen britischen Kolonialherren durch die Einfuhr chinesischer und indischer Arbeitskräfte mit verursacht hatten. Auch wenn ethnische und religiöse Zusammenstöße auch künftig nicht ausgeschlossen werden können, so hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass Malaysier durchaus bereit sind, ethnisch bedingte Differenzen zu begraben und für gemeinsame bürgerliche Prinzipien einzutreten.

Dem neuen Gesetz nach ist es verboten, Verdächtige, die nicht rechtskräftig verurteilt wurden, länger als 28 Tage festzuhalten. Die Polizei ist ferner dazu verpflichtet, binnen 48 Stunden nach der Festnahme eines Verdächtigen dessen Angehörige zu informieren. Darüber hinaus können die Festnahmen angefochten werden. Allerdings werden die etwa 50 Insassen des Kamunting-Haftzentrums nicht von der Abschaffung des alten Sicherheitsgesetzes profitieren. Ebenso wenig ist eine Schließung des berüchtigten Gefängnisses vorgesehen.


"Festnahme bleibt Festnahme"

Oppositionsführer Anwar Ibrahim begrüßte zwar die seit langem geforderte Abschaffung von ISA, kritisierte aber gleichzeitig, dass sich die Neuregelung in vielen Punkten nicht mit den Prinzipien von Demokratie und Menschenrechten vertrage. Als Beispiel nannte er die geplante Einrichtung eines Sondergerichts. "Festnahme bleibt Festnahme, egal ob sie von einem Sondergericht oder dem Innenminister angeordnet wird."

Unklar ist auch die künftige Rolle der Haftrichter. Dem neuen Gesetz zufolge reicht für eine Festnahme ein mündlich erteilter Haftbefehl. Allerdings können Festnahmen gerichtlich angefochten werden, was unter ISA nicht möglich war.

Die Mehrheit der Bevölkerung ist noch unentschlossen, ob sie das neue Gesetz gut finden oder als politisches Manöver kritisieren soll. Ministerpräsident Najib Razak hatte die Abschaffung von ISA am 15. September 2011 in einer Ansprache am Malaysia-Tag als Teil umfangreicher Reformen im Vorfeld der für dieses Jahr erwarteten vorgezogenen Wahlen angeregt. Seine Reformen kratzen nach Ansicht der Opposition lediglich an der Oberfläche und bringen keine wirklichen fundamentalen Veränderungen.

Die aus 13 Parteien bestehende Regierungskoalition der Nationalen Front hatte bei den allgemeinen Wahlen 2008 eine schwere Niederlage erlitten. Viele Wähler, frustriert über den langsamen Reformkurs des ehemaligen Ministerpräsidenten Abdullah Badawi, zogen es vor, der Opposition ihre Stimme zu geben.

Nun bleibt abzuwarten, für wen sich die Wähler bei den erwarteten Neuwahlen entscheiden werden: für die von Anwar geführte Oppositionspartei 'Pakatan Rakyat' oder die Nationale Front von Najib. Anwar war einst selbst ein führendes Mitglied der Nationalen Front gewesen, bevor er einer politischen Vendetta zum Opfer fiel, die ihn mehrere Jahre ins Gefängnis brachte.

ISA war 1950 als Werkzeug zur Bekämpfung kommunistischer Rebellen verabschiedet worden, später und vor allem unter der 22-jährigen Herrschaft von Mahathir Mohamad gegen Oppositionelle angewandt worden. Der schlimmste Missbrauch des Gesetzes erfolgte 1987, als Mahathir mehr als 100 Abgeordnete und Kritiker festnehmen und in Haftlager sperren ließ. (Ende/IPS/kb/2012)

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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2012