Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/841: Iran - Ajatollah Chamenei dominiert Wahlkampf, Schmähkampagnen gegen Ex-Präsidenten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Mai 2013

Iran: Ajatollah Chamenei dominiert Wahlkampf - Schmähkampagnen gegen Ex-Präsidenten

von Yasaman Baji



Teheran, 10. Mai (IPS) - Vor den Wahlen am 14. Juni fragen sich viele Iraner, darunter auch potenzielle Kandidaten, ob die Abstimmung vor allem nach dem Willen des obersten politischen und religiösen Führers Ajatollah Ali Chamenei erfolgt.

Von den zahlreichen ehemaligen und amtierenden Funktionären, die ins Rennen gehen wollen, haben viele bereits erklärt, dass sie den Anordnungen des obersten Führers Folge leisten wollen. Der bereits mehrfach angetretene Präsidentschaftskandidat Mohsen Rezaee aus dem konservativen Lager versprach am 1. April, dass eine von ihm geführte Regierung enger denn je mit Chamenei verbunden sein würde.

Selbst Reformer, die als Kritiker Chameneis bekannt sind, fordern die Kandidatur eines Politikers, von dem sich Chamenei nicht provoziert fühlt. Abbas Abdi, ein reformorientierter Journalist, vertritt sogar die Meinung, dass die Kandidatur des früheren Präsidenten Mohammed Chatami ein Fehler wäre. "Chatami hat den Führer in den vergangenen vier Jahren nicht einmal getroffen. Wie könnte er also Präsident werden?"

Andere Reformbefürworter wollen sich dieser Haltung jedoch nicht anschließen. Seit Mitte März appellieren Gruppen und Einzelpersonen mit offenen Briefen und auf Versammlungen an Chatami, sich wieder um das hohe Staatsamt zu bewerben. Sie glauben an seine Popularität und die Anziehungskraft seiner Ideen.

Ähnliche Aufrufe richteten sich auch an die Adresse des Ex-Staatschefs und derzeitigen Vorsitzenden des Schlichtungsrats, Akbar Haschemi Rafsandschani. Bisher hat jedoch keiner der ehemaligen Präsidenten die Absicht einer Kandidatur erklärt. Sie seien nur dazu bereit, wenn Chamenei dem Ansinnen zustimme, sagten sie. Ansonsten würde das politische Umfeld von zu großen Spannungen belastet.


Kandidaten vermeiden Provokation Chameneis

"Wenn Ajatollah Chamenei nicht mit meiner Kandidatur einverstanden ist, wird das Ergebnis kontraproduktiv sein", erklärte Rafsandschani. "Wenn sich in irgendeiner Situation Differenzen zwischen mir und der Führung des Staates ergeben, werden alle von uns leiden." Allein die Gerüchte über eine mögliche Kandidatur der beiden Ex-Präsidenten haben bereits ausgereicht, um Anschuldigungen seitens der politischen Hardliner zu provozieren.

Hossein Schariatmadari, der die erzkonservative Zeitung 'Kayhan' herausgibt, beschimpfte Chatami als "Korruptesten auf Erden" und "Unterstützer von Aufruhr". Damit bezog er sich auf die Unterstützung, die Chatami den vormaligen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi zuteil werden ließ. Aufgrund der Proteste nach den Präsidentschaftswahlen von 2009 stehen die beiden nach wie vor unter Hausarrest. Laut Schariatmadari werden "Unterstützer von Aufruhr (...) ohne Zweifel disqualifiziert".

Der ultrakonservative Geheimdienstminister Heydar Moslehi bezeichnete wiederum Rafsandschani als "Quelle des Aufruhrs". Er schlug derart harsche Töne an, dass er von mehreren Parlamentariern getadelt wurde. Denn schließlich sitzt Rafsandschani weiterhin dem Schlichtungsrat vor.

Niemand hegt Zweifel daran, dass die Angriffe darauf abzielen, die beiden Ex-Präsidenten einzuschüchtern. Darüber, ob Chamenei selbst dahintersteckt, wird heftig spekuliert. Schließlich wurde Schariatmadari vom Ajatollah selbst eingesetzt, und Moslehi durch die persönliche Intervention Chameneis davor bewahrt, von Staatschef Mahmud Ahmadinedschad gefeuert zu werden.

Noch wichtiger erscheint die Frage, ob die Wahlen zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kandidaten von Chameneis Gnaden auf dem Wunschbewerber des Volkes führen werden. Nicht wenige Beobachter gehen davon aus, dass dies bereits 2009 der Fall war, als Ahmadinedschad hastig zum Sieger erklärt wurde.


Wahlen 2009 von Betrugsvorwürfen überschattet

Auch wenn die Proteste seit langem beendet sind, sind viele Wähler davon überzeugt, dass es 2009 erheblichen Betrug gab. Angesichts seiner Unterstützung für Ahmadinedschads erneuter Kandidatur wird Chamenei zudem dafür verantwortlich gemacht, dass es dem Iran wirtschaftlich zunehmend schlechter geht.

"Ich hatte immer an Chamenei geglaubt", sagte ein 73-jährige Taxifahrer. "Nachdem ich aber beobachten musste, dass er alles für sich selbst haben will und das Land in den Ruin treibt, nur um darauf zu bestehen, dass er die richtige Wahl getroffen hat, unterstütze ich ihn nicht mehr."

Zu den Kritikern gehören längst nicht nur Vertreter des Reformflügels. Auch ein prominenter Konservativer, der ungenannt bleiben wollte, erklärte, dass er Chamenei als gescheiterten Führer betrachte, der vergeblich dem Begründer der Islamischen Revolution, Ajatollah Ruhollah Chomeini, nacheifere. (Ende/IPS/ck/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/05/an-election-for-iran-or-the-supreme-leader/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Mai 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2013