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FRAGEN/011: Kolumbien - "Ohne Frieden keine Entwicklung", IFAD-Präsident im Interview (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2013

Kolumbien: 'Ohne Frieden keine Entwicklung' - IFAD-Präsident im Interview

von Constanza Vieira


Bild: © Juan Manuel Barrero/IPS

IFAD-Präsident Kanayo Nwanze
Bild: © Juan Manuel Barrero/IPS

Bogotá, 13. August (IPS) - "Entwicklung ist ohne Frieden nicht möglich. Damit es Entwicklung geben kann, bedarf es eines internen Friedensprozesses." Der Nigerianer Kanayo Nwanze, Präsident des Internationalen Fonds für ländliche Entwicklung (IFAD), bedient sich einer kategorischen Sprache, wenn er über Kolumbien spricht. Wie er zum Abschluss seiner Lateinamerika-Reise im IPS-Gespräch in Bogotá erklärte, geht es darum, die Grundlagen für Vertrauen zu schaffen, um Konflikte zu überwinden.

Kolumbien steht vor großen Herausforderungen, will es Bürgerkrieg und Gewalt nachhaltig überwinden. So gilt es die Opfer des Konflikts zu entschädigen und das ihnen gestohlene Land zurückzugeben. Auch müssen die Bedingungen geschaffen werden, damit die Vertriebenen in ihre Dörfer zurückkehren können.

Trotz aller Schwierigkeiten sieht Nwanze für Kolumbien durchaus Chancen, die ein von der IFAD kofinanziertes Projekt weiter erhöhen soll. Es sieht die Förderung der ländlichen Entwicklung in von der Regierung festgelegten Konfliktgebieten vor: den sogenannten 'Zonen der territorialen Konsolidierung'. Das Projekt, das mit dem nationalen Entwicklungsfahrplan 'Wohlstand für alle 2010-2014' zusammengeht, will 50.000 arme Haushalte in 17 Departements des Landes erreichen.

IFAD ist die einzige UN-Organisation, die Bauern und kleine Landwirte finanziell unterstützt. Der Fonds arbeitet grundsätzlich mit Regierungen zusammen, allerdings werden die einzelnen Vorhaben von den Zielgruppen, den bäuerlichen Gemeinschaften, in Eigenregie durchgeführt. Die Landbevölkerung schlägt die Projekte vor, die dann von der UN-Organisation geprüft und bewilligt werden. Auch die Verwaltung der Projektgelder obliegt den Bauern. In Kolumbien hat der IFAD bisher vier Programme im Gesamtwert von 74,5 Millionen Dollar finanziert, von denen direkt 94.400 Haushalte profitieren konnten.

"Die kleinen und mittelständischen Unternehmen in ländlichen Gebieten sind für die Länder eine Quelle der sozialen Stabilität", meinte Nwanze, ein auf ländliche Entwicklung spezialisierter Experte. Der gebürtige Nigerianer hatte sich vom 2. bis 8. August mit den Präsidenten Ollanta Humala von Peru und Juan Manuel Santos von Kolumbien getroffen. Auch führte er Gespräche mit Bauerngemeinschaften in ländlichen Regionen. Es folgen Auszüge aus dem Interview.

IPS: Der IFAD kann weit reichende Erfahrungen im Bereich der Zusammenarbeit mit Konfliktzonen zur Förderung von Entwicklung und Frieden vorweisen. Wie muss man sich eine solche Zusammenarbeit vorstellen?

Kanayo Nwanze: In vielen Teilen Afrikas und Asien, Indien ist ein gutes Beispiel, haben wir gesehen, dass es die Möglichkeit gibt, die Landbevölkerung - also Frauen, Männer und Kinder - so zu organisieren, dass sie einer Arbeit nachgehen kann, von der sie leben kann. Dies führte dazu, dass junge Leute weniger anfällig für die Rhetorik des Extremismus waren.

Wir haben in Kolumbien das 'Projekt zum Aufbau von ländlichen Kapazitäten: Vertrauen und Möglichkeiten' (TOP) auf den Weg gebracht. Es wird Hoffnung, wirtschaftliche Entwicklung und soziale Inklusion in die ländlichen Gebiete bringen. Und wir wünschen uns natürlich, dass es Kolumbien Frieden und Entwicklung bringt.

Der IFAD ist eine einmalige Einrichtung. Er ist keine vertikale Institution, sondern eine, die von unten nach oben wirkt. Wir gehen mit den Gemeinden zusammen. Diese müssen Teil des Projekts werden, es sich zu Eigen machen. Wenn sie sich auf das Projekt einlassen, wenn sie das Gefühl haben, dass es ihres ist, dann wollen sie es auch zum Erfolg führen.

Wir werden uns mit 25 Millionen Dollar (von 69,4 Millionen Dollar) an dem Projekt beteiligen. Ein solcher Betrag ist für Kolumbien natürlich unbedeutend. Doch wir bringen Wissen und die Erfahrungen mit, wie man mit den ländlichen Gemeinden zusammenarbeitet. So gesehen sind wir Faszilitatoren. Bei unseren Programmen geht es nicht um Politik. Doch ihre Auswirkungen können durchaus politisch sein, weil sie zu politischer Stabilität und Vertrauen in die Gemeinschaft führen können, die wiederum die Voraussetzungen für Frieden sind.

Ob in Lateinamerika, in Brasilien, Peru oder Guatemala oder aber auch in verschiedenen Teilen Afrikas und Asiens - immer wenn man sich zu den Gemeinden hinbegibt, erfährt man eine Bereitwilligkeit, eine Begeisterung, die sich aus der Tatsache erklärt, dass sie Aktivitäten durchführen, die ihnen Würde verleihen und Einkommen schaffen. Glauben Sie, dass solche Menschen die Waffe gegen die Regierung erheben?

IPS: Was wird ihnen nach ihrem Besuch in Peru und Kolumbien in Erinnerung bleiben?

Nwanze: Das, was ich in beiden Ländern gesehen habe, hat mich wirklich beeindruckt. In Peru war es das landwirtschaftliche Engagement des Präsidenten. Gefallen hat mir aber auch der nachdrückliche Wunsch beider Länder, mit Investitionen in die Entwicklung für Frieden zu sorgen.

Solange wir keine leistungsstarken ländlichen Gemeinden haben, können wir in keinem Land der Welt eine nachhaltige Entwicklung hinkriegen, weil es immer diese Kluft zwischen denen, die haben, und denen, die nicht haben, geben wird. Wenn diese Kluft zu groß wird, ist es wie mit einem Strick der reißt. Dann ist die politische Krise da. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ifad.org/operations/projects/design/105/colombia.pdf
http://www.ifad.org/
http://www.ifad.org/media/press/2013/37.htm
http://www.ipsnoticias.net/2013/08/cuando-la-cuerda-de-la-desigualdad-revienta-usted-tiene-una-crisis-politica/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2013