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LATEINAMERIKA/1127: Kolumbien-aktuell Nr. 495 vom 31. August 2010 (ask)


Kolumbien-aktuell Nr. 495 vom 31. August 2010


I. Artikel


1. Neuer Präsident, neue Perspektiven - oder alles Image?: Die Wahl von Juan Manuel Santos weckt in Kolumbien sowohl Hoffnungen als auch Sorgen. Während unserer Reise konnten wir uns ein Bild der Meinungen verschiedener politischer Akteure machen. Der Tenor: Santos tritt aus dem Schatten Uribes, sein Vizepräsident und einige Minister lassen Verhandlungsspielraum für NGOs erhoffen, jedoch könnte auch die strategische Wahl der Posten zivilgesellschaftliche Kritik in Zukunft ausbremsen.

http://www.askonline.ch/themen/Kolumbienallg/PS_NL_310810.pdf


2. Familien aus Las Pavas in Not: Die Kleinbauernfamilien aus der Gemeinschaft Las Pavas befinden sich nach über einem Jahr nach der Vertreibung in einer humanitären Krise. Die Lebensmittel gehen zur Neige, zudem erschweren massive Überflutungen in der Region des Mittleren Magdalena die Situation in dieser und anderen Gemeinden. Mittlerweile sind auch Fremde im Dorf präsent, die die Familien bedrohen. Dass die Familien auf juristischem Weg ihr Land von der Landreformbehörde INCODER zugesprochen bekommen, ist derweil aussichtslos, da bei einer erneuten Begehung des Geländes keine kleinbäuerliche Aktivität mehr nachzuweisen war.

http://www.askonline.ch/themen/Landwirtschaft/LP_NL_310810.pdf


3. Rückblick - Soziale Bewegungen unter Uribe: Der Regierungswechsel ist Anlass genug, auf die letzten acht Jahre unter Uribe zurück zu blicken. Vor allem die öffentliche Meinungsmache gegen soziale Bewegungen hinterlässt ihre Spuren.

http://www.askonline.ch/themen/Kolumbienallg/RU_NL_310810.pdf


II. Apropos:

Kolumbianisches Verfassungsgericht verordnet Verbreitung der sexuellen und reproduktiven Rechte der Frau - nationaler Prokurador in Kritik: Vier Jahre nachdem das Verfassungsgericht in einem historischen Urteil Abtreibungen im Fall von Vergewaltigung, Gesundheitsrisiken für die Mutter und Missbildungen des Fötus erlaubt hat, befand es jüngst die Verbreitung der Kenntnisse für sexuelle und reproduktive Rechte der Frau an Schulen für notwendig. Damit zog es sich den Zorn des nationalen Generalprokuradors zu, da - so die Meinung von Alejandro Ordóñez - das Verfassungsgericht damit seinen Handlungsrahmen überschreite. Zwar hatte sein Einspruch juristisch keinen Erfolg, löste jedoch eine generelle Debatte um Ordóñez Eignung und Gesinnung und die US-Finanzhilfe an die ihm unterstehende Behörde aus. Kritiker werfen ihm die Nicht-Beachtung der Rechte der Frau vor, wohingegen die andere Seite die Rechte der Kinder in den Vordergrund stellt:

http://www.elespectador.com/articulo-219441-limites-al-procurador


Kolumbianisches Verfassungsgericht setzt Militärabkommen mit den USA ausser Kraft: Mit dem Urteil vom 17. August 2010 ist die Nutzung von sieben kolumbianische Militärbasen durch die USA ungültig. Bei dem Abkommen handle es sich nicht bloss um die Fortschreibung eines bestehenden Vertrages, sondern um ein komplexes Regelwerk mit neuen Verpflichtungen für Kolumbien. Es müsse daher zuerst dem Parlament zur Ratifizierung vorgelegt und vom Verfassungsgericht auf die Verfassungsmässigkeit geprüft werden, so die Argumentation des Gerichts. Damit gibt es dem Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo (CCAJAR) Recht, das auf Verfassungswidrigkeit geklagt hatte. Das Abkommen war ursprünglich am 30. Oktober 2009 von beiden Regierungen unterzeichnet worden. Kritisch ist, dass auf den kolumbianischen Basen Kriegsgerät zum Einsatz kommen darf, das nicht für die Drogenbekämpfung (z.B. Abfangen von Drogenkurierflugzeugen) vorgesehen ist.

Mehr Informationen unter:
http://www.semana.com/noticias-nacion/corte-constitucional-dijo-no-acuerdo-militar-estados-unidos/143165.aspx

Originaldokument unter:
http://www.corteconstitucional.gov.co/comunicados/ (Comunicado 43 vom 24.08.2010)


Vergabe der US-Militärhilfe menschenrechtlich kritisch: Die kolumbianischen Armeeeinheiten, die am meisten US-Militärhilfe bekamen, verzeichneten die grösste Zunahme an Menschenrechtsverletzung und amerikanische Kontrollgesetze fanden kaum Anwendung, so die Schlüsselerkenntnisse der Studie des us-amerikanischen Versöhnungsbundes (FOR). US-Regierungskreise behaupten, dass das Leahy-Gesetz, das die Unterstützung nachweislich menschenrechtsverletztender Armeeeinheiten verbietet, in Kolumbien strengste Anwendung fände. Die Studie hingegen deckt auf, dass die Menschenrechtsbilanzen der Armeeeinheiten ungenügend sind. Die Militärhilfe sei Grund für den Anstieg der Zahl der Menschenrechtsverletzungen in kolumbianischen Einheiten: So hätten die Denunziation von aussergerichtlichen Hinrichtungen in den 16 Einheiten, die die grösste Zunahme an Militärhilfe erhielten, um ca. 56% zugenommen. In Einheiten, die schon vorher an Übergriffen an Zivilisten beteiligt waren, nahmen diese Übergriffe dank der US-Hilfe zu. Die Vergabe wurde also weder im Voraus noch im Nachhinein hinreichend überprüft. Korrekturmassnahmen gab es laut FOR nicht, nur 1,5 Prozent der aussergerichtlichen Hinrichtungen wurden aufgeklärt. FOR fragt, warum trotz Gesetzen zur Kontrolle der Militärhilfe diese Kontrolle im Feld nicht funktioniert. Und wenn Kolumbien als Paradebeispiel für die Kontrollen geführt wird, wie sieht es dann in anderen Ländern, beispielsweise Afghanistan, aus? FOR tritt für eine genauere Prüfung der Menschenrechtsbilanz ein und fordert den Stopp der Unterstützung an verschiedene Einheiten. Zudem trage die US-Regierung eine Mitverantwortung an aussergerichtlichen Hinrichtungen und müsse sich daher für die vollständige Aufklärung dieser sowie Bestrafung der Verantwortlichen einsetzen.

Mehr unter:
http://forusa.org/content/resumen-asistencia-militar-y-derechos-humanos-colombia-responsabilidad-de-los-estados-unidos

http://forusa.org/content/report-military-assistance-human-rights-colombia-us-accountability-global-implications


III. Tipps und Hinweise:

Infobrunch: Mit E-changer im Cauca! ask-Mitglied Dominique Rothen berichtet im Rahmen eines informellen Brunches für Freunde und Interessierte von ihrer Arbeit in Kolumbien. Am Sonntag (5. September 2010 ab 11 Uhr) ist im Restaurant Pony (Hessstrasse 47, 3097 Bern-Liebefeld) Gelegenheit, sich mit Dominique Rothen auszutauschen.

Der Unkostenbeitrag beträgt 15 CHF. Um vorgängige Anmeldung wird gebeten.
(Email: msteinacher@websource.ch / Telefon: 078 795 82 80, Marco Steinacher).


Petition Agrotreibstoffe - Sammelfrist läuft ab: Wer sich für die Einführung von Zulassungskriterien einsetzen will, welche sozial und ökologisch problematische Agrotreibstoffe in der Schweiz generell ausschliessen, muss sich beeilen. Die Plattform Agrotreibstoffe, zu der auch die ask! gehört, fordert, dass in die Kriterien dabei insbesondere die Ernährungssicherung in den Herkunftsländern sowie indirekte Verdrängungseffekte einbezogen werden müssen. Noch bis Ende September läuft die Unterschriftensammelaktion für die Petition Agrotreibstoffe, bei der sich jede Person - egal welchen Alters, welcher Nationalität - engagieren kann.

http://www.petition-agrotreibstoffe.ch/petition.php


Symposium Unternehmen und Menschenrechte: Am 18. Oktober findet in Genf ein Symposium zu Unternehmen und Menschenrechten statt. Am Fallbeispiel Sierra Leone zeigen verschiedene Akteure, welche Auswirkungen Investitionen aus der Schweiz in Sierra Leone haben und welche Instrumente es gibt, um die Unternehmen zur Verantwortung ziehen, wenn ihre Aktivitäten die Menschenrechte verletzen. Sowohl wirtschaftliche als auch zivilgesellschaftliche Stimmen kommen zu Wort. Bei der von Brot für alle und Fastenopfer in Zusammenarbeit mit Kommission Dritte Welt der katholischen Kirche Genf (COTMEC) organisierten Veranstaltung geht es letzendlich auch konkret um die Diskussion von Handlungsmöglichkeiten der Schweiz, um die Beachtung der Menschenrechte durch hier ansässige Firmen zu garantieren.

Mehr Infos unter: http://www.rechtaufnahrung.ch/deutsch/symposium/


Informationskampagne SUIPPCOL "Land - Basis für Frieden!": Anlässlich der Informations-Kampagne des Schweizerischen Friedensförderungsprogramms in Kolumbien SUIPPCOL berichten VertreterInnen von Basisorganisationen und Gemeinschaften, wie sie mit rechtlichen Mitteln und gewaltlosem Widerstand ihr Land und ihre Territorien bewahren wollen. Vom 19.-30. Oktober 2010 finden in der gesamten Schweiz eine Vielzahl von öffentlichen Veranstaltungen statt, bei denen die Gäste auch konkrete Vorschläge zur Unterstützung ihrer Initiativen präsentieren.

Mehr Infos bald unter: www.suippcol.ch


Lesereise vom 13.-16. September: Immer häufiger hört man von der "Kolumbianisierung" Mexikos. Bei der Vorstellung des Buches "Mexiko - das Land und die Freiheit" der taz-Korrespondentin Anne Huffschmid haben Kolumbienkenner in Winthertur, Luzern, St. Gallen und Bern die Möglichkeit, den Vergleich der Länder zu überprüfen und Neues über Mexiko zu lernen.

Mehr Informationen:
http://www.rotpunktverlag.ch/cgibib/germinal_shop.exe/showtemplate?page=rotpunkt_event.html


Wenn Sie die Arbeit der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien unterstützen möchten, freuen wir uns über Spenden auf das Konto der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien, Buchhaltung Basel, 6003 Luzern, auf das Konto 60-186321-2. Die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ist als gemeinnützig anerkannt und die Spenden sind steuerlich absetzbar.


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Quelle:
Newsletter Kolumbien-aktuell Nr. 495 vom 31.08.2010
Herausgeber: ask Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien
Kommunikation und Administration, Gisela Grimm
Neuengasse 8, CH-3011 Bern
Tel +41 31 311 40 20
E-Mail: kommunikation@askonline.ch
Internet: www.askonline.ch


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2010