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LATEINAMERIKA/1293: Peru - Erster indigener Abgeordneter will Rechte der Amazonas-Völker stärken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. August 2011

Peru: Erster indigener Abgeordneter - Nayap will Rechte der Amazonas-Völker stärken

Von Angel Páez


Lima, 18. August (IPS) - Zum ersten Mal ist in Peru ein Vertreter der Amazonas-Ureinwohner ins Parlament eingezogen. Eduardo Nayap vom Volk der Awajún ist landesweit bekannt, seit er vor zwei Jahren Proteste gegen Investitionserleichterungen für ausländische Minenunternehmen im Urwald anführte.

Dem Volk der Awajún gehören rund 332.000 Menschen an, die knapp über ein Prozent der peruanischen Bevölkerung ausmachen. Die auch als Aguaruna bekannten Ureinwohner machten von sich reden, als sie gegen die Politik der damaligen Regierung von Präsident Alan García rebellierten.

García wollte Nutzungsrechte an ausländische Firmen ohne Rücksprache mit den Ureinwohnern in der Amazonasregion vergeben. Daraufhin kam es zu schweren Unruhen. Im Juni 2009 wurden in der nördlichen Ortschaft Bagua bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Awajún und der Polizei 23 Uniformierte und zehn Ureinwohner getötet.

Die Chefs der 281 Awajún-Gemeinden ermunterten den Theologen, Soziologen und Mathematiker Nayap, für einen Sitz im Parlament zu kandidieren. Nayap ließ sich für die Partei 'Gana Perú' des inzwischen amtierenden Staatspräsidenten Ollanta Humala aufstellen und gewann genügend Stimmen. Kurz nach seiner Vereidigung am 25. Juli reichte er den Entwurf eines Gesetzes ein, das die Behörden verpflichten soll, die indigenen Gemeinden vor allen sie betreffenden Entscheidungen zu Rate zu ziehen.


Indigen gleich arm

Nayabs ist zuständig für das Departement Amazonas, wo mehr als drei Viertel der Angehörigen seiner Ethnie beheimatet sind. Amazonas ist eine der 14 ärmsten Regionen Perus. Dem nationalen Amt für Statistik zufolge lebt mehr als die Hälfte der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze.

Wie der neugewählte Abgeordnete im Interview gegenüber IPS versicherte, wird er nicht nur die Interessen der Awajún, sondern die aller seiner "Amazonasbrüder" wahrnehmen. Er gilt mittlerweile als Hoffnungsträger für alle 51 indigenen Gemeinschaften Perus.

Nayab zufolge hat sich die Öffentlichkeit bisher nicht für die Geschichte der Awajún interessiert. Während des Aufstandes in Bagua seien die Indigenen in den meisten Medien als 'Wilde' dargestellt worden. Nach den Motiven für die Rebellion habe niemand gefragt. Die Awajún seien aber ein gastfreundliches Volk, das andere niemals schlecht behandelt habe.

Die Ureinwohner wünschten sich bessere Lebensbedingungen, erklärte der Abgeordnete. Peru erlebe ein bemerkenswertes Wirtschaftswachstum, das an den Ethnien vorbei gehe. "Die indigenen Völker am Amazonas sind gesellschaftlich ausgegrenzt. Es gibt dort weder Straßen noch Krankenstationen oder Schulen", beschwerte er sich. Die wenigen Lehrer, die auf Spanisch und in der Sprache der Awajún unterrichteten, würden zudem schlecht bezahlt.

Nayab schätzt, dass bisher höchstens 100 Awajún wie er selbst eine Universität besuchen konnten. Die nächste Hochschule liege in 500 Kilometer Entfernung in Chachapoyas. Zu Land und zu Wasser sei man mehr als zwei Tage dorthin unterwegs. Die Aufwendungen für ein Studium könne ein Ureinwohner nicht bezahlen.

Der Parlamentarier kritisierte, dass der Staat bislang keine Stipendien für Angehörige indigener Ethnien bereitstelle: "Das ist ein Akt der Erniedrigung und der Verachtung." Er selbst konnte mit finanzieller Unterstützung der evangelischen Kirche in der nordperuanischen Stadt Trujillo und in der costaricanischen Hauptstadt San José studieren.


Tätigkeit für EU

In San José übte Nayap mehrere Ämter aus. Unter anderem arbeitete er im Auftrag der Europäischen Union für die Ausbildung von Ureinwohnern und war außerdem für die evangelische Organisation 'World Vision' tätig. Als die Unruhen in Bagua ausbrachen, ließ er alles im Stich und kehrte nach Peru zurück. "Ich konnte nicht so tun, als hörte ich die Stimme meines Volkes nicht", bekannte er.

Die Tatsache, dass er nun als erster Awajún im Parlament sitzt, sieht Nayap als großen Sieg der Indigenen. "Die Herausforderung besteht jetzt darin, Gesetze zu schaffen, die unseren Völkern nutzen." Nayap hob zugleich hervor, dass es nicht darum gehe, ausländische Investoren per se von den Territorien der Ethnien fernzuhalten. "Wir fordern jedoch Respekt für diejenigen, denen das Land von jeher gehört", sagte er. Die Unternehmen interessierten sich für das Gold, nicht aber für die Menschen am Ort.

Mit dem Aufstand der Awajún verbindet Nayap zwiespältige Erinnerungen. Auf der einen Seite empfinde er Schmerz über den unnötigen Tod so vieler Menschen, nur weil die Behörden den Dialog verweigert hätten. Andererseits seien die Anliegen der Ureinwohner seit den Zusammenstößen von nationaler Bedeutung. "Alle nehmen uns jetzt wahr, weil sie wissen, wer wir sind." (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://ganaperu.candidatos.com.pe/eduardo-nayap-kinin/
http://www.visionmundial.org/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=98885

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2011