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LATEINAMERIKA/1295: Guatemala - Ex-General könnte neuer Präsident werden, Menschenrechtler beunruhigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. August 2011

Guatemala: Ex-General könnte neuer Präsident werden - Menschenrechtler beunruhigt

von Danilo Valladares


Guatemala-Stadt, 24. August (IPS) - Wenige Wochen vor den Wahlen in Guatemala räumen Umfragen dem konservativen Präsidentschaftskandidaten General a.D. Otto Pérez gute Chancen auf einen Wahlsieg ein. Politische Beobachter warnen, dass ein Machtwechsel gravierende Folgen für die Menschenrechtslage haben werde.

Der Nachfolger des amtierenden sozialdemokratischen Präsidenten Alvaro Colom soll am 11. September gewählt werden. Pérez, der der rechten Patriotischen Partei (PP) angehört, führt in den Umfragen weit vor seinen Herausforderern. In einer zwischen dem 2. Juli und dem 8. August durchgeführten Gallup-Umfrage sprachen sich 29 Prozent der Befragten für Pérez aus, während 13 Prozent den Kandidaten der volksnahen Partei Erneuerte Demokratische Freiheit (LIDER), Manuel Baldizón, bevorzugten. 26 Prozent unterstützten andere Bewerber, und 32 Prozent waren noch unentschlossen.

Sandra Torres, die Ex-Frau von Präsident Colom, kam bis vor kurzem mit 15 Prozent der Stimmen in den Umfragen auf den zweiten Platz. Das Verfassungsgericht untersagte ihr jedoch, bei den Wahlen anzutreten, da Colom bereits im Amt war, als das Paar noch nicht geschieden war. Gemäß der guatemaltekischen Verfassung dürfen Familienmitglieder eines amtierenden Präsidenten nicht kandidieren.


Politik der harten Hand

Nachdem Torres aus dem Rennen ausgeschieden war, änderte sich das Wahlszenario. Pérez' Spitzenposition blieb davon allerdings unberührt. Vertreter von zivilgesellschaftlichen Gruppen befürchten durch einen Wahlsieg des Konservativen nicht nur negative Folgen für die Menschenrechte. Sie warnen zudem davor, dass sich die wirtschaftliche Entwicklung verlangsamen könnte und die Unabhängigkeit der Justiz bedroht würde.

"Die meisten Leute stellen sich eine von der PP geführte Regierung als autoritär vor, insbesondere im Hinblick auf Sicherheitsfragen", sagte Catalina Soberanis, die das Zentralamerikanische Institut für politische Studien (INCEP) leitet, im Gespräch mit IPS. Auf dem Parteilogo sehe man eine geballte Faust - und die PP sei bekannt für ihre Politik der harten Hand.

Das harte Durchgreifen von Regierungen gegen Gewaltverbrecher ist in Zentralamerika ein bekanntes Phänomen. Für eine solche Politik standen in El Salvador Präsident Antonio Saca (2004 - 2009) und in Honduras Staatschef Ricardo Maduro (2002 - 2006). Menschenrechtsorganisationen warfen ihnen vor, im Namen der Verbrechensbekämpfung gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen zu sein.

Die Wähler in dem zentralamerikanischen Land sorgen sich aber auch um die Zukunft der Wirtschaft. "Das Haushaltsdefizit muss reduziert werden", meinte Soberanis. Wenn Pérez Präsident werde und den Rückhalt des Parlaments gewinne, werde er über eine Reform des Steuersystems nachdenken müssen.

Im Juli hatte Colom die Staatsausgaben um etwa 275 Millionen US-Dollar gekürzt, um einen Teil des Haushaltsdefizits von insgesamt 575 Millionen Dollar auszugleichen. Betroffen von den Kürzungen waren das Gesundheitssystem, die öffentliche Sicherheit und das Justizwesen.

Raquel Zelaya von der unabhängigen Denkfabrik ASIES sieht die größte Herausforderung für die kommende Regierung darin, die Steuerpolitik zu reformieren. Die Perspektiven für das nächste Jahr seien "sehr kompliziert". Die PP habe enge Beziehungen zur Geschäftswelt, die Pérez' Kampagne von bislang sieben Millionen Dollar finanziert habe.

Zelaya geht zudem davon aus, dass Pérez' mehrere ehemalige Offiziere in seinen Beraterstab holen wird, wenn er die Wahlen gewinnt. Eine Militarisierung der guatemaltekischen Gesellschaft halte sie jedoch für unwahrscheinlich.

Die Menschenrechtsaktivistin Claudia Samayoa hat dagegen größere Bedenken. In Pérez' Team befänden sich viele Generäle und Oberste, die Erfahrungen bei Militäroperationen und im Geheimdienst gesammelt hätten. Während des Bürgerkriegs hätten sie sich aktiv an der Planung des Völkermords beteiligt.


Zweifel an Ahndung von Gewaltverbrechen

Schon die Tatsache, dass Pérez abstreitet, dass es in Guatemala jemals einen Genozid gegeben hat, spricht nach Ansicht Zelayas für sich. Nach Erkenntnissen der von den Vereinten Nationen unterstützten Wahrheitskommission richteten staatliche Sicherheitskräfte während des Bürgerkriegs von 1960 bis 1996 einen Völkermord an den Maya-Ureinwohnern an. Armee, Polizei und Paramilitärs kämpften damals gegen die linksgerichtete Guerilla. Sollte die PP eine Politik der eisernen Faust umsetzen, drohten soziale Proteste in Guatemala künftig unterdrückt zu werden, sagte Samayoa.

Hortencia Simón von der unabhängigen Politischen Vereinigung der Maya-Frauen (MOLOJ) erklärte gegenüber IPS, die Anliegen der Ureinwohner-Organisationen seien mit den Zielen der PP und anderer Parteien unvereinbar. So befürworte die PP den Bergbau auf indigenen Territorien. Die Indigene rechnet nicht damit, dass die nächste Regierung die Menschenrechtsverbrechen des Bürgerkriegs ahnden wird. Sollte ein Offizier Ministerpräsident werden, stünden die Chancen für eine funktionierende Justiz schlecht. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2011