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LATEINAMERIKA/1318: Peru - Armee soll auch bei Demos eingreifen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Dezember 2011

Peru: Militarisierung der nationalen Sicherheit - Armee soll auch bei Demos eingesetzt werden

von Ángel Páez


Lima, 1. Dezember (IPS) - Die peruanische Regierung von Staatspräsident Ollanta Humala hat einen Teil der polizeilichen Sicherheitsaufgaben dem Militär übertragen. So werden die Soldaten bei der Bekämpfung des Drogenhandels und der informellen Bergbauaktivitäten eingesetzt. Auch verfügen sie über das Mandat, bei sozialen Protesten einzugreifen.

Im Tal der Flüsse Apurimac und Ene, das auch die Regionen Ayacucho, Cusco und Apurímac im Süden des Landes einschließt, gehen die Streitkräfte seit Jahren gegen eine Fraktion der Maoistenguerilla des Leuchtenden Pfades vor. Auch sind sie beauftragt, nationale und internationale Rauschgifthändler aufzuspüren, illegale Kokainlaboratorien zu zerstören und Drogen zu beschlagnahmen. Die Einsätze häufen sich seit 2008, als Humalas Amtsvorgänger Alan García Staatschef war.

Die Behörden rechtfertigen die Militarisierung des Südens damit, dass sich dort Maoisten und Drogenmafia zu einer 'narkoterroristischen' Bedrohung ausgewachsen hätten. Im Oktober konnten die Streitkräfte eineinhalb Tonnen Kokain sicherstellen und eine Gruppe mutmaßlicher Drogenhändler unter Führung eines Kolumbianers festnehmen.


Militär als Umweltpolizei

In der ersten Novemberwoche gingen 2.000 Soldaten während einer Großaktion gegen informelle Bergleute an den Ufern der wichtigsten Flüsse des Departements Madre de Dios vor, einem Gebiet in Perus Amazonas-Urwald im Südosten des Landes an der Grenze zu Brasilien und Bolivien.

Der illegale Goldbergbau in Madre de Dios wirkt sich verheerend auf die lokale Umwelt aus. Die Bergleute verwenden giftiges Quecksilber, um das Gold aus dem Gestein zu lösen. Auch werden schwere Maschinen eingesetzt, die alles niederwalzen, was sich ihnen in den Weg stellt: auch unberührten Urwald.

Die Militäreinsätze gegen den Drogenhandel und den informellen Bergbau seien rechtlich abgesichert, betonte Verteidigungsminister Daniel Mora Zevallos im Gespräch mit IPS. "Wir wollen keinen Streit mit der Bevölkerung. (...) Wir wollen auch keine Probleme mit den Menschenrechtlern. Deshalb sind wir vor allem dort anzutreffen, wo Recht gebrochen wird."

Der seit Ende Juli amtierende Humala scheint fest entschlossen, das Mandat der Streitkräfte noch weiter auszudehnen. Der Ausschuss zum Schutz der Legislativen unter Führung von Mora Zevallos stimmte dem Vorschlag im letzten Monat zu, die Streitkräfte zu befähigen, in Notstandsregionen gegen Sozialproteste vorzugehen, die die 'öffentliche Ordnung' gefährdeten. Auch sollen die Sicherheitskräfte - unterstützt von der Nationalpolizei - Militäreinsätze durchführen und befehligen.

Einem Prüfungsbericht des staatlichen Bürgerrechtsbüros zufolge wurden im Oktober landesweit 217 soziale Proteste gezählt. In 124 Fällen haben und hatten die Demonstrationen einen sozioökologischen Hintergrund. In den Gebieten, über die der nationale Notstand verhängt wurde, seien Streitkräfte zu Boden-, Luft- und Marineeinsätzen berechtigt, heißt es in dem Report.

Die Mandatserweiterung für die Streitkräfte genießt den Rückhalt der Abgeordneten der Regierungspartei 'Gana Perú' und der 'Fuerza 2011' aus Anhängern des ehemaligen Staatspräsidenten Alberto Fujimori (1990-2000), der wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption hinter Gittern sitzt. Die beiden Parteien halten die Mehrheit im Parlament. Zustimmung kommt aber auch von kleineren regierungsnahen Parteien wie der 'Perú Posible' des ehemaligen Präsidenten Alejandro Toledo (2001-2006), der auch Minister Mora Zevallos angehört.


Sozialproteste kriminalisiert

Aldo Blume, Wissenschaftler am Institut für Rechtsschutz (IDL), verurteilt die "Militarisierung der nationalen Sicherheit und die Kriminalisierung der Sozialproteste". Die Regierung von Ex-Präsident García habe mit der Ausweitung des Legislativdekrets 1095, das am 31. August 2010 unterzeichnet worden sei, die Weichen für eine weitere Mandatserweiterung zugunsten der Streitkräfte gestellt. "Diese Entwicklung ist ein Rückschlag für jedes demokratische und rechtstaatliche System."

Auch wenn die schwierige Sicherheitslage und der Drogenhandel den Staat vor große Probleme stellen, dürfe die Lösung nicht in der Unterdrückung oder der Einschränkung der Bürgerrechte gesucht werden, sagte er.

Bewohner der nordwestperuanischen Region Cajamarca protestieren derzeit gegen das Goldprojekt 'Conga' der Firma 'Yanacocha', einem Konglomerat aus dem US-Unternehmen 'Newmont' und dem peruanischen 'Buenaventura'. Die Bauern sind gegen das Vorhaben, weil es zur Trockenlegung einer Lagune führen würde, aus denen sie das Wasser für ihre Felder beziehen.

"Sollten die Militärs eingreifen, würde Humala in den ländlichen Gebieten jeden Rückhalt verlieren", warnt Javier Azpur von der Gruppe bürgerlicher Vorschlag, einer Allianz peruanischer Nichtregierungsorganisationen. Immerhin verdanke der Präsident seinen Wahlsieg auch den Bauern. "Das Conga-Projekt gewaltsam durchzusetzen, würde eine Fortsetzung der Politik der Fujimori-Ära bedeuten und den Menschen signalisieren, dass es Humala vor allem mit den einflussreichen Vertretern der Wirtschaftselite hält." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.defensoria.gob.pe/conflictos-sociales/objetos/paginas/6/44reporte_conflictos_92.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99686

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2011