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LATEINAMERIKA/1421: Bolivien - volle Unterstützung der UNASUR-Staaten für Präsident Morales (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Juli 2013

Bolivien: Volle Unterstützung der UNASUR-Staaten für Präsident Morales

Von Franz Chávez



La Paz, 5 Juli (IPS) - Die Staatspräsidenten und Vertreter der südamerikanischen Staaten haben sich geschlossen hinter den bolivianischen Staatschef Evo Morales gestellt und Frankreich, Italien, Portugal und Spanien zu einer Stellungnahme und Entschuldigung aufgefordert.

Die vier europäischen Staaten hatten der bolivianischen Maschine mit Morales an Bord, der sich nach einem Russland-Besuch auf dem Heimflug befand, ein Überflugverbot über ihren Luftraum erteilt. Der Pilot sah sich daraufhin am 2. Juli zu einer Notlandung in Österreich gezwungen.

Die Staatsoberhäupter und Vertreter der Mitgliedsländer der Union der südamerikanischen Staaten (UNASUR) fanden sich daraufhin zwei Tage später in der zentralbolivianischen Stadt Cochabamba zu einer außerordentlichen Sitzung ein, um gegen die Missachtung der Rechte des bolivianischen Präsidenten zu protestieren.

Die vier europäischen Länder hätten einen "beschämenden und gefährlichen Präzedenzfall" geschaffen, nicht nur was die Überflugverbote, sondern auch die Spionagepraktiken beträfe, die den Vorfall erst ausgelöst hätten, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme der UNASUR-Staaten.


UN-Stellungnahme gefordert

Darüber hinaus kündigten die Gipfelteilnehmer an, eine Untersuchungskommission ins Leben zu rufen, die den Vorwürfen nachgehen und die Ergebnisse an die zuständigen internationalen Stellen weiterleiten werde. Außerdem forderten sie die Vereinten Nationen auf, sich zu diesem "Akt der Willkür" zu äußern.

Die Erklärung wurde von den Präsidenten Rafael Correa (Ecuador), Cristina Fernández (Argentinien), Nicolás Maduro (Venezuela), José Mujica (Uruguay) und Desiré Bouterse (Suriname) sowie den Vertretern Brasiliens, Chiles, Guyanas, Kolumbiens und Perus unterzeichnet. Paraguay hatte an der Solidaritätsveranstaltung nicht teilgenommen, weil seine Mitgliedschaft im UNASUR-Staatenbund noch immer ausgesetzt ist.

Der brasilianische Präsidentschaftsberater für auswärtige Fragen, Marco Aurélio Garcia, entschuldigte sich bei den anwesenden UNASUR-Präsidenten für die Abwesenheit der Staatschefin Dilma Rousseff. Aus inoffiziellen Kreisen war zu hören, dass sie wegen der derzeitigen Proteste in ihrem Land verhindert sei.

Rousseff hatte jedoch am 3. Juli in einer Mitteilung "ihre Empörung und Ablehnung" über die Entwicklungen, die Evo Morales "in Todesgefahr brachten", zum Ausdruck gebracht. Der Übergriff sei nicht allein als Affront gegen Bolivien, sondern gegen ganz Lateinamerika zu betrachten.

Ähnlich fielen auch die Stellungnahmen ihrer Amtskollegen Ollanta Humala aus Peru, Juan Manuel Santos aus Kolumbien und Sebastián Piñera aus Chile aus.

Die Abwesenheit der (vier) UNASUR-Präsidenten ist nach Ansicht des bolivianischen Oppositionspolitikers Luis Felipe Dorado ein Zeichen der Uneinigkeit und "eine traurige Botschaft an die ALBA-Länder" (Bolivarische Alternative der Völker unseres Amerikas). "Was Morales in Europa zugestoßen ist und die Abwesenheit der vier Präsidenten ist die Quittung für die ALBA-Staaten für die Nationalisierung ausländischer Unternehmen, der schlechten Behandlung von Botschaftern und der Nichteinhaltung internationaler Verträge", sagte er.

Dorado kritisierte in diesem Zusammenhang Pläne des bolivianischen Staatspräsidenten, aus der Interamerikanischen Menschenrechtskommission auszuscheren, und Äußerungen über ein Interesse, die Beziehungen zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds abzubrechen.

Vor dem Gipfel in Cochabamba hatten Fernández, Correa, Maduro und Bouterse an einem Treffen teilgenommen, zu dem bolivianische Sozialverbände aufgerufen hatten. Morales berichtete bei diesem Anlass, dass er von einem Diplomaten der spanischen Botschaft in Österreich unter Druck gesetzt worden sei, der Durchsuchung des Präsidentenjets zuzustimmen, während er selbst 14 Stunden lang - vom Nachmittag des 2. Juli bis zum Morgen des darauffolgenden Tages - auf dem Flughafen in Wien warten musste.

Das vorübergehende Flugverbot und die Durchsuchung der Präsidentenmaschine stehen offenbar mit dem Wunsch der US-Regierung im Zusammenhang, den US-Bürger Edward Snowden zu fassen, der einen Abhörskandal des US-Geheimdienstes NSA publik gemacht hatte und in Russland um Schutz angesucht hat. Der spanische Diplomat, dessen Namen nicht genannt wurde, habe mehrfach versucht, sich den Zugang zum Flugzeug gewaltsam zu verschaffen, berichtete Morales. Seine Vorgehensweise habe er kontinuierlich telefonisch mit der spanischen Regierung abgesprochen. Der bolivianische Staatspräsident hat den eigenen Angaben zufolge seine Zustimmung verweigert und darauf hingewiesen, dass er ein Amtsträger und kein "Verbrecher" sei.


Indirekter Heucheleivorwurf

"Es ist schon sehr merkwürdig, das sich ausgerechnet die Länder, die für sich Rechtssicherheit, den Schutz des internationalen Rechts und der Menschenrechte in Anspruch nehmen, zu einem solchen beispiellosen Übergriff auf Evo Morales hergegeben haben", erklärte die argentinische Staatspräsidentin Cristina Fernández in Cochabamba.

"Diesen alten Ländern ist eine große Peinlichkeit unterlaufen", meinte der uruguayische Staatschef Mujica, "Wir sind keine Kolonien." Von den in den Skandal involvierten europäischen Staaten verlangte er "anstelle grundloser Beschuldigungen eine Entschuldigung". Sein venezolanischer Amtskollege Maduro wiederum sprach von einer Missachtung aller lateinamerikanischen Völker, "die sich zu Freiheit und demokratischen Revolutionen entschlossen haben". Als möglichen Drahtzieher nannte er den US-Geheimdienst CIA.

Die Äußerungen der lateinamerikanischen Staatschefs und Regierungsvertreter erfolgten etwa zeitgleich zu Protesten von Morales-Anhängern vor den Botschaften Frankreichs, Italiens, Portugals, Spaniens und der USA in Bolivien. (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnoticias.net/2013/07/contundente-respaldo-a-morales-de-los-gobiernos-de-la-unasur/

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IPS-Tagesdienst vom 5. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2013