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LATEINAMERIKA/1489: El Salvador - Rechtliches Vakuum begünstigt Wasserkonflikte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. November 2014

El Salvador: Rechtliches Vakuum begünstigt Wasserkonflikte

von Edgardo Ayala


Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Die zwölfjährige Jeniffer Hernández an der Wasserzapfstelle in Los Pinos, einem Dorf im Bezirk Tacuba im Westen El Salvadors
Bild: © Edgardo Ayala/IPS

Tacuba, El Salvador, 13. November (IPS) - In El Salvador haben Abgeordnete des rechten Lagers die Ratifizierung einer Verfassungsreform verhindert, die der Bevölkerung des zentralamerikanischen Landes ein Menschenrecht auf Wasser garantieren soll. Auch Versuche, den Zugang zu der kostbaren Ressource mit Hilfe eines Gesetzes zu demokratisieren, stoßen auf Widerstände.

"Wäre das Recht auf Wasser in der Verfassung verankert, hätten wir die Wasserprobleme nicht", ist David Díaz von der Bendición-De-Dios-Vereinigung für kommunale Entwicklung (Adescobd), einem ländlichen Wasserversorgungssystem, überzeugt. Die Weigerung der rechten Abgeordneten des Ein-Kammer-Parlaments am 30. Oktober, einer Reform von Artikel 69 zuzustimmen, bezeichnete er als herben Rückschlag.

Adescobd war Ende 1995 in Tacuba, einer Stadt im westlichen Departement von Ahuachapán, 116 Kilometer westlich der Hauptstadt San Salvador, gegründet worden, um ein Wasserversorgungsprojekt zu betreuen, durch das sieben Dörfer mit Leitungswasser versorgt werden konnten. Doch seit 2007 befindet sich die Organisation im Streit mit dem Bürgermeister von Tacuba, Joel Ernesto Ramírez. Die Dorfbewohner werfen ihm vor, sich das Projekt einverleibt zu haben. "Es gehört uns, nicht dem Bürgermeister. Wir haben hart dafür gearbeitet", sagt dazu Ermelinda Hernández aus der Ortschaft La Puerta.

Tatsächlich hatten die Mitglieder der Vereinigung das Wasserversorgungssystem selbst aufgebaut, nachdem das Bürgermeisteramt eine Beteiligung abgelehnt hatte. Adescobd sicherte sich daraufhin die finanzielle Unterstützung der US-Entwicklungsbehörde USAID. Technische Hilfe kam von der Organisation 'Creative Associates International'. Doch wie die Bewohner der sieben Weiler berichten, in denen insgesamt 12.000 Menschen leben, hat der Bürgermeister das Projekt übernommen und in den Ruin geführt.

Ihnen zufolge versucht der Bürgermeister auch, sich die Kontrolle über das Grundstück zu sichern, auf dem sich die Quelle für das Leitungswasser befindet. Auch habe Ramírez vor, das Wasser an andere Gemeinden zu verkaufen, was zu einem Wassermangel in den sieben Weilern führen würde. Bemühungen von IPS um eine Stellungnahme des Bürgermeisters blieben erfolglos.

"Die Verfassungsreform für das Menschenrecht auf Wasser würde uns mit dem besten Rechtsinstrument ausstatten, um uns verteidigen zu können", sagt Díaz, der in Loma Larga lebt. Doch die Abgeordneten der rechten Nationalen Versöhnungspartei (PCN) und der Nationalistischen Republikanischen Allianz (ARENA) verweigern dem Vorhaben ihre Unterstützung.

Die Neuerungen waren im April 2012 am Ende einer dreijährigen Legislaturperiode mit 81 von 84 Stimmen beschlossen worden. In dem 6,2 Millionen Einwohner zählenden Land müssen Verfassungsreformen in einer Legislaturperiode beschlossen und in der darauffolgenden, die im vorliegenden Fall im Mai 2015 endet, mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ratifiziert werden.

Die Verfassungsänderung soll sicherstellen, dass der Staat der Wasserversorgung der Bevölkerung eine höhere Priorität einräumt als den wirtschaftlichen Interessen, wie Karen Ramírez, Sprecherin des Wasserforums, einer Allianz aus mehr als 100 Organisationen, im Gespräch mit IPS betont. Würde die Verfassungsreform ratifiziert, müsste der Staat öffentliche Maßnahmen zur Regulierung des Sektors ergreifen und entsprechende Gesetze beschließen.

Bisher ist es Aufgabe der Nationalen Behörde für Aquädukte und Kanalisation, einem autonomen staatlichen Unternehmen, die Bevölkerung mit Leitungswasser zu versorgen. Doch ist diese nicht berechtigt, in Wasserkonflikten und bei -engpässen zu entscheiden, wem das Recht auf Wasser zukommt. Ebenso wenig kann sie Einfluss auf Gemeindeprojekte wie das in Tacuba nehmen.

Derzeit haben die in Adescobd organisierten Dörfer trotz einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, ein Gesuch der Organisation zum Schutz vor ihrer Auflösung durch den Bürgermeister abzulehnen, unbegrenzten Zugang zu Wasser. Adescobd bereitet derzeit eine Beschwerde vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) vor.

"Einst mussten wir zwei Stunden bis zum Fluss Nejapa laufen, um uns unser Wasser zu holen", berichtet María Esther Gómez, eine Bewohnerin von Los Pinos, die von dem Adescobd-Wasserprojekt profitiert. Inzwischen verfügt die Gemeinschaft über eine Zapfstelle, über die die Menschen Leitungswasser kostenlos beziehen. Gómez und die anderen Dorfbewohner fürchten, dass man ihnen den Wasserzugang streitig machen will.

Der Wasserkonflikt in Tacuba ist nur einer von vielen in El Salvador, die auf Regulierungsschwächen zurückzuführen sind. Im Kanton El Tablón in dem Gemeindebezirk Sociedad im östlichen Departement Morazán sind die Dorfbewohner von Los Amayas, El Carrizal und El Centro im Wasserclinch mit der Ortschaft Las Cruces.

Die vier Dörfer hatten sich in den 1980er Jahren gemeinsam den Zugang zu Leitungswasser erschlossen. "Sie denken, dass wir ihnen das Wasser nehmen wollen, doch das stimmt nicht. Wir wollen nur, dass die Ressource fair geteilt wird", sagt Aura Zapata, eine Kleinbäuerin über den Streit mit den Menschen in Las Cruces.

In El Salvador haben 93,5 Prozent der Städter Zugang zu sauberem Leitungswasser. In den ländlichen Gebieten liegt der Anteil bei nur 69,8 Prozent. Dort beziehen 15 Prozent der Menschen das Nass aus Brunnen und ebenso viele aus anderen Quellen, wie aus einer Haushaltsbefragung im Mai 2013 hervorging.

Ramírez vom Wasserforum beschuldigt die Abgeordneten, die sich der Verfassungsreform für ein Menschenrecht auf Wasser widersetzen, den Interessen einflussreicher Unternehmer zu dienen, die in Sorge seien, dass eine prioritäre Wasserversorgung der Bevölkerung ihnen Einnahmeverluste bescheren könnten.

Die Bemühungen um eine Demokratisierung der Wasserversorgung werden auch an anderer Front torpediert. Nach jahrelangen Verzögerungen wird in der Legislative endlich über ein Wassergesetz debattiert. Doch haben rechte Ausschussmitglieder den wichtigsten Paragraphen des geplanten Gesetzestextes verändert, der die Einrichtung einer neuen Regulierungsbehörde, der Nationalen Wasserkommission (Conagua), vorsieht.

Die Conagua sollte dem Umweltministerium unterstehen. Doch am 7. Oktober setzten die Vertreter von PCN, ARENA und der Großen Nationalen Allianz (GANA) die Kontrolle von Conagua durch ein autonomes Gremium durch, an dem fünf Unternehmerverbände und zwei staatliche Stellen beteiligt sind.

Ramírez zufolge würden somit in Fällen, in denen die Regulierungsbehörde eigentlich zugunsten der Menschen entscheiden müsste, die Armen benachteiligt. Die regierende Linkspartei FMLN und das Umweltministerium kündigten an, die Veränderungen während der Plenardebatte wieder rückgängig zu machen. Die FMLN ist zwar die stärkste parlamentarische Kraft im Lande, doch verfügt sie lediglich über drei Sitze mehr als die ARENA. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/11/falta-de-leyes-agudiza-conflictos-por-el-agua-en-el-salvador/
http://www.ipsnews.net/2014/11/legal-vacuum-fuels-conflicts-over-water-in-el-salvador/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2014