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LATEINAMERIKA/1525: Costa Rica - Geplatzter Traum, Kubaner mit Ziel USA sitzen an Grenze fest (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. November 2015

Costa Rica: Geplatzter Traum - Kubaner mit Ziel USA sitzen an Grenze fest

von Diego Arguedas Ortiz


SAN JOSÉ, COSTA RICA (IPS) - Tausende Kubaner, die in die USA auswandern wollen, sitzen auf ihrer langen Reise seit Mitte November an der Grenze zwischen Costa Rica und Nicaragua fest. Sie warten darauf, dass die nicaraguanischen Behörden sie in Richtung Norden passieren lassen.

Etwa 2.500 Migranten harren derzeit im Norden Costa Ricas in behelfsmäßigen Unterkünften aus, die größtenteils von den lokalen Behörden eingerichtet worden sind. Die Kubaner hatten zunächst von Costa Rica befristete Passierscheine erhalten. Nicaragua verweigert ihnen jedoch den Grenzübertritt.

"Wir wollen unbedingt in die USA, wo wir uns eine bessere Zukunft für uns und unsere Kinder erhoffen", sagt der Migrant Arley Alonso Ferrarez in einem Video, das die costaricanische Kommission für Risikoprävention bereitgestellt hat. Gemeinsam mit anderen Landsleuten beruft sich Ferrarez auf eine Regelung zwischen den USA und Kuba, wonach kubanische Migranten automatisch ein Aufenthaltsrecht erwerben, sobald sie das Territorium der Vereinigten Staaten betreten.

In diesem Jahr setzten sich mehr Kubaner als bisher in Richtung USA in Bewegung. Sie befürchten, dass das im Dezember 2014 eingesetzte 'Tauwetter' zwischen den lange verfeindeten Staaten und die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen Änderungen oder gar eine Abschaffung der Sonderregelungen für kubanische Migranten in den USA nach sich ziehen könnten.


Migrationsbewegung von großem Ausmaß

Seit etlichen Jahren versuchen Kubaner bereits, über Ecuador, Kolumbien und Zentralamerika in die USA zu gelangen. Angesichts des verstärktem Andrangs ergriff die costaricanische Regierung Anfang November Maßnahmen, um den Menschenschmuggel durch ihr Staatsgebiet zu unterbinden. Damit wurde der Migrantenstrom vorerst unterbrochen. Zugleich zeigte sich in aller Deutlichkeit das gewaltige Ausmaß der Wanderungsbewegung von Kubanern mit Ziel USA.

"Die gegenwärtige Krise ist durch die Zerschlagung eines Schleuserrings ausgelöst worden. Damit kam ans Licht, dass die Zahl kubanischer Migranten erheblich zugenommen hat. Davor hatten wir aber längst gewarnt", erklärte der costaricanische Außenminister Manuel González.

"Nicht einmal meinem ärgsten Feind würde ich dies wünschen", sagte der Kubaner Ignacio Valdés der costaricanischen Zeitung 'La Nación', während er von seiner Odyssee berichtete. "Erst wurden wir ausgeraubt, dann mussten wir von Kolumbien nach Panama schwimmen. Mehrere Frauen wurden vergewaltigt, und sogar die Polizei hat uns bestohlen."

Nach der Festnahme von Mitgliedern des Schleuserrings am 10. November strandeten Gruppen von Kubanern an der südlichen Grenze Costa Ricas. Sie drängten die Behörden, ihnen für sieben Tage eine sichere Durchreise zu garantieren, damit sie die Grenze zu Nicaragua erreichen könnten. Doch Nicaragua schloss am 15. November für einen Tag die Grenze und lässt nach der Wiederöffnung keine Kubaner mehr durch.

Die Migranten hoffen nun, dass die Länder Zentralamerikas ihnen einen 'humanitären Korridor' öffnen.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Kubaner den Weg über Ecudador genommen, wo sie dreimonatige Touristenvisa beantragen können. Seit April 2014 brauchen sie kein formelles Einladungsschreiben mehr vorweisen. Das südamerikanische Land erreichen sie von Kuba aus in der Regel per Flugzeug. Die Land- und Seeroute ist weniger bekannt als der Weg über die Meerenge von Florida.

Die Luftlinie zwischen Ecuador und der Grenze zu den USA verläuft über rund 5.000 Kilometer. Die Schleusergangs nutzen jedoch Routen, die wesentlich länger sind. In den meisten Fällen erreichen die Kubaner die Grenze zwischen Ecuador und Kolumbien auf dem Landweg, bevor sie in Booten entlang der kolumbianischen Pazifikküste nach Panama kommen. Von dort aus werden sie von Schleusern zur Grenze von Costa Rica geführt.


Frauen auf dem Weg gen USA vergewaltigt

"Diese Menschen werden von organisierten Verbrecherbanden ins Land gebracht. Zweifellos riskieren sie ihr Leben", sagte Außenminister González. "Wir haben von Frauen gehört, dass sie sexuell missbraucht wurden und Urwälder durchquert haben. Kinder gerieten in Gefahr. Diese Umstände sind beklagenswert."

Costa Rica will nun Notunterkünfte in der nördlich gelegenen Stadt Upala eröffnen, wie der Minister für menschliche Entwicklung, Carlos Alvarado, ankündigte. Die bestehenden Unterbringungskapazitäten seien völlig erschöpft. "Die meisten Kubaner, die hier ankommen, haben eine Berufsausbildung. Manche sind Facharbeiter. Größtenteils handelt es sich um Männer im Alter von 20 bis 45 Jahren. In der Gruppe sind auch etwa 30 Kinder, und ungefähr zehn Frauen sind schwanger." Laut Alvarado haben die meisten Migranten ihr gesamtes Hab und Gut verkauft, um die Reise finanzieren zu können.

Nach Angaben der Einwanderungsbehörde von Costa Rica haben seit dem vergangenen Jahr etwa 13.000 Kubaner das Land durchquert. Die meisten von ihnen fallen nicht auf, weil sie von Schleusern begleitet werden, denen sie jeweils zwischen 7.000 und 13.000 US-Dollar zahlen müssen.

Carlos Sandoval, ein Experte in Einwanderungsfragen, weiß, dass die Schleuserringe in ganz Zentralamerika aktiv sind. Er kritisiert, dass die Regierungen in der Region auch ihre eigenen Bürger, die in die USA ausreisen wollten, nicht unterstützen. "Insgesamt versuchen etwa 300.000 Menschen jährlich von Zentralamerika aus in die Vereinigten Staaten zu kommen", sagte Sandoval, der am Institut für Sozialforschung der Universität von Costa Rica arbeitet.


Koordinierte regionale Maßnahmen angemahnt

Die zentralamerikanischen Migranten haben auf dem Weg in Richtung Norden ähnliche Probleme wie die Kubaner zu bewältigen. In der derzeitigen Lage sieht Sandoval ein gemeinsames Handeln aller Staaten in der Region als unumgänglich an. Die Regierungen hätten selbst die Voraussetzungen geschaffen, unter denen die Schleuserbanden operieren könnten. "Die Geschäfte der Schleuser werden dadurch ermöglicht, dass die Grenzen für Migranten geschlossen sind. Ohne Unterstützung der Banden wäre es für sie in der gegenwärtigen Lage noch schwieriger und gefährlicher, sich auf die Reise zu machen." (Ende/IPS/ck/27.11.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/11/cubans-seeking-the-american-dream-stranded-in-costa-rica/

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IPS-Tagesdienst vom 27. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2015

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