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OSTEUROPA/292: Moldawien - Neu gewähltes Parlament tritt am 28.08.2009 zusammen (Falkenhagen/Queck)


Moldawien: Neu gewähltes Parlament tritt am 28. August 2009 zusammen

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 24.8.2009


Das am 29. Juli 2009 neu gewählte moldawische Parlament tritt gemäß einem Erlass des amtierenden Präsidenten Woronin am 28. August zur konstituierenden Sitzung zusammen. Es setzt sich aus 48 Abgeordneten der Kommunistischen Partei sowie 18 Abgeordneten der Liberaldemokratischen Partei, 15 Abgeordneten der Liberalen Partei, 13 Abgeordneten der Demokratischen Partei und 7 Abgeordneten der Allianz "Unser Moldawien" zusammen. Die vier nichtkommunistischen Parteien bilden im 101-köpfigen Parlament eine knappe Mehrheit von 53 Abgeordneten. Sie haben sich bereits auf die Bildung einer neuen Koalition, genannt "Allianz für europäische Integration", verständigt und sogar vorerst schon wichtige Posten verteilt. Danach soll der Führer der Demokratischen Partei, Marian Lupu, neuer moldawischer Präsident werden, der Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei Moldawiens (PLDM) Vlad Filat ist für die Funktion des Parlamentsvorsitzenden (Parlamentssprechers) und der Vorsitzende der Allianz "Unser Moldawien", Serafim Urekjan, für die Funktion des Premierministers vorgesehen. Der Führer der Liberalen Partei, Michai Gimpu, soll den Posten eines Vizevorsitzenden des Parlaments erhalten. Für die Kommunistische Partei als stärkste Fraktion ist auch nur der Posten eines Vizevorsitzenden des Parlaments vorgesehen. Ob diese Kombination funktionieren wird, ist fraglich. Zur Wahl des moldawischen Präsidenten ist eine Drei-Fünftel-Mehrheit von 61 Abgeordnetenstimmen erforderlich. Dazu würde die Koalition "Allianz für europäische Integration" mindestens 8 Abgeordnetenstimmen der Kommunisten benötigen. An der Präsidentenwahl ist schon die Kommunistische Partei nach den Wahlen vom April 2009 gescheitert. Sie verfügte nach dem damaligen Wahlergebnis über 60 Abgeordnetensitze und zur Wahl der von der kommunistischen Fraktion vorgeschlagenen Präsidentin fehlte ihnen nur eine Stimme. Deswegen mussten nach der Verfassung die vorgezogenen Neuwahlen anberaumt werden, die den Kommunisten dann eine Einbuße von 12 Sitzen im Parlament einbrachten.

Zur Wahl des neuen Parlamentsvorsitzenden sowie zur Bildung einer neuen Regierung reicht eine einfache Mehrheit von 52 Abgeordneten aus. Allerdings sieht die Verfassung vor, dass nur der moldawische Präsident den neuen Premierminister im Parlament designieren bzw. vorschlagen kann. Wenn kein neuer Präsident gewählt werden kann, müsste das der noch amtierende Präsident Woronin von der Kommunistischen Partei tun. Denkbar wäre noch, dass sich die Demokratische Partei oder Liberale Partei mit den Kommunisten über eine andere Lösung einigen. Ein solcher Kompromiss könnte dann auf eine weitere starke Beteiligung der Kommunisten an den Machtstrukturen in Moldawien hinauslaufen.

Wenn man sich die Machtverhältnisse in der sog. Allianz für europäische Integration betrachtet, so hat sich dort eindeutig der Führer der Liberaldemokratischen Partei Vlad Filat in eine bestimmende Funktion geschoben. Dieser Politiker ist ein gestandener Neoliberaler. Er soll nun schon am 28. August zum Parlamentsvorsitzenden gewählt werden. Geboren wurde er am 6. Mai 1969 in Lapusna (Rajon Hincesti) der damaligen Moldawischen SSR in der Sowjetunion. Nach Beendigung der Schule in Lapusna leistete er von 1987-1989 seinen Wehrdienst in der Sowjetarmee. Von 1990 bis 1994 studierte er Rechtswissenschaft an der Juristischen Fakultät der Alexandru-Ioan-Cuza-Universität in Iasi (Rumänien). Nach dem Studium blieb Filat zunächst in Iasi in der Privatwirtschaft, wo er sich als Geschäftsmann ein stattliches Vermögen erwarb. 1989 kehrte er nach Moldawien zurück, wo er sofort als Generaldirektor des "Amtes für Privatisierung und Verwaltung des Staatseigentums" eingesetzt wurde. Das war eine weitere Quelle seiner persönlichen Bereicherung. Er wurde für die Liberale Partei aktiv, die damals Regierungsverantwortung hatte. Von März bis November 1999 war er Staatsminister in der moldawischen Regierung, musste dann aber seinen Posten räumen. Er handelte sich schon damals den Ruf ein, einer der korruptesten Politiker Moldawiens zu sein.

Im Jahre 2000 wurde Vlad Filat zum Vorsitzenden der Demokratischen Partei Moldawiens gewählt, für die er nach den Wahlen 2005 ins Parlament zog. Bei den Kommunalwahlen 2007 trat er erfolglos als Kandidat für den Bürgermeisterposten der Hauptstadt Chisinau an. Er erzielte nur 8,3 % der Stimmen. Eine Ursache seiner Wahl-Niederlage waren erneut Korruptionsvorwürfe. Im September 2007 verließ er die Demokratische Partei und wurde Vorsitzender der neu gegründeten Liberaldemokratischen Partei Moldawiens. Nach den Wahlen im April 2009 und dem dritten Wahlsieg der Kommunisten in Folge bei Parlamentswahlen war er einer der maßgebenden Organisatoren der Demonstrationen und Krawalle, die sich gegen das Wahlergebnis richteten. Er trägt auch Mitverantwortung für die in diesem Zusammenhang erfolgten Zerstörungen im Parlamentsgebäude und in weiteren öffentlichen Gebäuden. Dann betrieb er maßgeblich den Boykott der Wahl der neuen moldawischen Präsidentin, als die von der Kommunistischen Mehrheitspartei die parteilose Zinaida Greceanîi geschlagen worden war.

Inzwischen erweist sich Vlad Filat, noch nicht im Amt als neuer Parlamentsvorsitzender gewählt, schon als der Hauptbetreiber des schnellen NATO-Beitritts von Moldawien. Die Verfassungsbestimmung, die die Neutralität des Landes vorschreibt, will er durch ein Referendum ändern lassen. Eine Verfassungsänderung im Parlament würde einer Mehrheit von 68 Stimmen bedürfen, und dazu wären mindestens 15 Stimmen der Kommunisten erforderlich, mit denen Filat aber nicht rechnet. Er meint, dem Volk den NATO-Beitritt schmackhaft machen und es generell für Referenden oder Plebiszite zu Verfassungsänderungen in seinem Sinne gewinnen zu können.
Der bisherige Präsident Woronin hat mehrfach erklärt, dass er für einen Beitritt Moldawiens in die EU, aber nicht zur NATO eintrete. Nun soll, ginge es nach dem Willen von Filat, beides in Angriff genommen werden. Ob der NATO-Beitritt allerdings funktionieren wird, bleibt nach den Äußerungen des designierten neuen Präsidenten Marian Lupu fraglich. Dieser erklärte zumindest, dass unter seiner Präsidentschaft ein NATO-Beitritt nicht in Frage käme. Die moldawische Außenpolitik ist ein Prärogativ des Präsidenten.
Der amtierende Präsident Woronin weilte übrigens am 21. August zu seinem im Jahre 2009 dritten Arbeitsbesuch in Moskau. Filat trifft sich, wie auf seiner persönlichen Homepage zu erfahren ist, laufend mit dem USA-Botschafter in Chisinau, Asif Chaudhry, und er verhandelt auch ständig mit wichtigen Amtspersonen Rumäniens. Nachgesagt wird ihm die Befürwortung des Anschlusses Moldawiens an Rumänien.


Quellen:
www.moldova.md/md7newslst/1211/1/3281/
www.rg.ru/2009/08/16/moldova-site.html
www.filat.md/blog/
www.rg.ru/2009/2008/20/nato-mold-site-anons.html


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Quelle:
Copyright by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen, August 2009
mit freundlicher Genehmigung der Autoren
      


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2009