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OSTEUROPA/314: Ukraine - Inlandsgeheimdienst öffnet die Akten aus Sowjetzeiten (Falkenhagen/Queck)


Gegenwärtiger ukrainischer Inlandsgeheimdienst (SBU) übernahm und öffnet die Akten der Geheimdienste aus Sowjetzeiten

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, Dezember 2009


Präsident Juschtschenko unterzeichnete Anfang 2009 einen Ukas (Erlass), "Über die Herabstufung, Veröffentlichung und Erforschung der Dokumente, die mit der ukrainischen Befreiungsbewegung, mit politischen Repressionen und den Hungerkatastrophen in der Ukraine in Verbindung stehen". Darin ist festgelegt, dass binnen Jahresfrist" durch den Ukrainischen Sicherheitsdienst (SBU) 800 000 Dokumentenbände, die bisher als geheim oder streng geheim eingestuft waren, öffentlich gemacht werden sollen. Die deutsche Bundesbehörde für die Stasiunterlagen hatte am Dienstag den 15. Dezember 2009 eine Delegation aus der Ukraine zu Gast. Am 16. Dezember diskutierten darüber in der ukrainischen Botschaft in Berlin deutsche und ukrainische Experten über Fragen des Zugangs zu geheimpolizeilichen Akten der Ukraine aus der Zeit zwischen 1917 und 1991 (s. Pressemitteilung der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen - www.bstu.bund.de/cln_012/nn_715182/DE/Presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen-2009/2...). Das Interessante an diesem Vorgang ist, dass der ukrainische Präsident Juschtschenko die Veröffentlichung von belastenden Akten exakt mit dem Termin der Präsidentenwahlen getimt hat. Direkt vor dem 17. Januar 2009 will er offensichtlich politische Gegner und Konkurrenten bei der Präsidentenwahl mit Akten belasten lassen, die er dem ihm persönlich unterstellten Inlandsgeheimdienst SBU zur Disposition gestellt hat. Der Vorsitzende des SBU, Walentin Naliwajtschenko, ist von Präsident Juschtschenko persönlich ernannt worden. Die Zustimmung des ukrainischen Parlaments dazu am 6. März 2009 wurde zur Formsache degradiert. Eine Parlamentsmehrheit hatte sich über sehr lange Zeit erfolgreich geweigert, dieser fragwürdigen Ernennung zuzustimmen. Nun ist der SBU in der Ukraine in der Tat als die Horch- , Guck- und Schlägertruppe Juschtschenkos bekannt, man denke nur an den Einsatz eines Alpha-Kommandos der SBU gegen Naftogas Ukrainy im Sommer 2009. Er erheben sich folgende Fragen: Warum sollen gerade jetzt vor den vorgesehenen Präsidentenwahlen am 17. Januar 2010 belastende Akten geöffnet werden, bei denen Juschtschenko einer nach den Umfragen sicheren Wahlniederlage entgegengeht? Warum wurden die Akten, wenn man sie schon öffnen will, nicht einer Kommission des ukrainischen Parlaments zur Verfügung übergeben? Welche Garantien gibt es, dass der Inlandsgeheimdienst Juschtschenkos, der SBU, die Akten nicht manipuliert und fälscht? Die Arbeit mit manipulierten und gefälschten Akten ist mit großer Wahrscheinlichkeit bei keinem Geheimdienst der Welt auszuschließen, auch nicht bei dem deutschen. Diese Fragen stellen auch Abgeordnete des ukrainischen Parlaments und Mitglieder der Regierung.


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Quelle:
Copyright 2009 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Dezember 2009