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OSTEUROPA/347: Weißrußland - Verfälschte Demokratie (ZLV)


Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek - Dienstag 21. Dezember 2010

Verfälschte Demokratie

Von Uli Brockmeyer


Er könne die Vorwürfe der belarussischen Opposition, Präsident Lukaschenko habe Wahlbetrug begangen, »so leid es mir tut - so nicht bestätigen«, erklärte ein deutscher CDU-Mann am Montag vor Journalisten. Der Mann wird im Bundestag als »Weißrußlandexperte« bezeichnet. Ein ehemaliger deutscher Polizeipräsident hat keinerlei Beanstandungen bei den Wahlen in Belarus. Der Mann war dort als OSZE-Beobachter. Der Reporter des staatlichen deutschen Fernsehens ARD sagte in der spätabendlichen Nachrichtensendung, daß die Polizei erst gegen demonstrierende Oppositionelle vorgegangen sei, als diese zum Randalieren übergingen und versuchten, ein Regierungsgebäude in Minsk zu stürmen.

Wir können nicht beurteilen, wie demokratisch es bei den Wahlen in Belarus wirklich zugegangen ist. Auffällig scheint allerdings, daß oppositionelle Demonstranten schon gegen das Wahlergebnis zu protestieren begannen, bevor es bekanntgeben war. Die Transparente waren zuvor angefertigt, EU-blaue Fahnen mit der Aufschrift »Belarus« (mal in kyrillischer, mal in lateinischer Schrift) und weiß-rot-weiße Nationalistenflaggen waren verteilt worden, Journalisten aus dem Westen zahlreich vorhanden.

Wahlbetrug lautete der eine Vorwurf, obwohl nicht einmal Indizien dafür vorlagen, geschweige denn Beweise. Der andere Vorwurf heißt: »16 Jahre sind genug«. Darüber kann man gewiß geteilter Auffassung sein, wie auch über Demokratieauffassungen des Herrn Lukaschenko. Unzweifelhaft ist jedoch, daß der seit 16 Jahren regierende Präsident dafür gesorgt hat, daß es den Bürgern seines Landes heute besser geht als ihren ehemaligen Landsleuten in den anderen Republiken der früheren UdSSR. Das betrifft vor allem die durchschnittlichen Einkommen, die Versorgungsstandards, das Gesundheitswesen und die Bildungsmöglichkeiten.

In welchen Ländern hat es eigentlich - wie in Belarus - zehn Kandidaten für den Posten des Staatspräsidenten gegeben? Aus den USA, Frankreich oder Griechenland, die sich aus verschiedenen Gründen als »Mutterland der Demokratie« bezeichnen, haben wir solches noch nicht gehört.

In den USA, wo OSZE-Wahlbeobachter keine Chance haben, sind bei Präsidentschaftswahlen verschiedene Betrugsfälle bekannt geworden. George Bush junior wurde aufgrund umfangreicher Schummeleien in Florida, die sein Bruder als Gouverneur deckte, zum mächtigsten Präsidenten der Welt »gewählt«. Der Mann hat immerhin zwei größere Kriege vom Zaun gebrochen, was man von Lukaschenko nicht sagen kann.

Im Irak und in Afghanistan, den beiden Ländern, die von den USA unter Bush zwecks Einführung der Demokratie militärisch »befreit« wurden, wurde bei den bisherigen Wahlen betrogen, daß sich sämtliche Balken biegen. Die Ergebnisse der Wahlen in Afghanistan sind alles andere als überprüfbar, und obwohl die Parlamentswahlen im Irak über alle Maßen manipuliert wurden, ist es dort in den neun Monaten seit dem 7. März noch nicht gelungen, eine handlungsfähige Regierung zu basteln.

Wenn einige tausend Demonstranten in Minsk den Willen des Volkes repräsentieren, wie es in den bürgerlichen Medien heißt, was ist dann mit jenen in Stuttgart? Gibt es hie demokratische, dort autokratische Polizeiknüppel? Und wenn 80 Prozent der Deutschen gegen den Afghanistan-Krieg sind, warum ist deren demokratisch gewählte Regierung dafür? Wer verfälscht die Demokratie?


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Quelle:
Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2010