Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → BILDUNG

HOCHSCHULE/1555: Abschied vom Normalstudenten (idw)


Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft - 14.07.2010

Abschied vom Normalstudenten

• Stifterverband beruft acht Hochschulen in den Benchmarking Club der Initiative "Ungleich besser! Verschiedenheit als Chance"
• Universitäten und Fachhochschulen sollen auf die zunehmende Vielfalt der Studierenden antworten


Essen, den 14.7.2010. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat vier Universitäten, drei Fachhochschulen und eine Kunst-/Musikhochschule eingeladen, beispielhafte Strategien und Maßnahmen für den produktiven Umgang mit studentischer Vielfalt zu entwickeln. Die Fachhochschulen Gelsenkirchen und Brandenburg, die Evangelische Hochschule Ludwigsburg, die Essener Folkwang-Universität der Künste und die vier Universitäten Bremen, Dortmund, Oldenburg, Osnabrück erhalten jeweils eine Projektförderung von 25.000 Euro. In den kommenden zwei Jahren sollen die Hochschulen zudem in einem Benchmarking-Club die Qualitätsstandards für ein Diversity-Auditierungsverfahren erarbeiten, das sie im Zuge des Prozesses selbst durchlaufen. Die Arbeit wird von CHE Consult koordiniert und operativ begleitet. Das Projekt wird zusätzlich unterstützt von der Otto-Wolff-Stiftung.

Der deutsche "Normalstudent" mit Abitur und bildungsbürgerlicher Herkunft wird seltener. Von den 2,1 Millionen Studierenden in Deutschland haben bereits heute knapp zehn Prozent ihre Schulzeit ganz oder teilweise im Ausland verbracht haben, weisen acht Prozent einen Migrationshintergrund auf und sind mehr als 60 Prozent faktisch Teilzeitstudenten, weil sie während der Vorlesungszeit nebenher arbeiten. "Die Initiativen zur Öffnung der Hochschulen und der Wandel Deutschlands zum Einwanderungsland verändern die Zusammensetzung der Studentenschaft deutlich. Es wird höchste Zeit, dass die Hochschulen darauf reagieren. Viele tun dies bereits sehr engagiert", sagt Dr. Volker Meyer-Guckel, Stellvertretender Generalsekretär und Programmchef des Stifterverbandes.

Insgesamt hatten sich 58 Hochschulen aus allen 16 Bundesländern an der Ausschreibung beteiligt. Die Bandbreite der vorgeschlagenen Projekte reichte von Maßnahmen zur Erfassung und Analyse diversitätsrelevanter Daten über zusätzliche Betreuungsangebote (Tutorien, Mentoring) bis zu Fortbildungsprogrammen für das Lehr- und Verwaltungspersonal. Bei der Auswahl der Gewinnerhochschulen legten Stifterverband und CHE Consult besonderen Wert auf eine größtmögliche Vielfalt der teilnehmenden Hochschulen, der Passgenauigkeit der Maßnahmen, die die Potentiale der Studierenden fördern sollen, und ein klares Bekenntnis der Hochschule zur Förderung der Vielfalt.


Die Konzepte im Überblick:

Fachhochschule Brandenburg: "Grenzen überschreiten - Diversity ermöglichen & gestalten"

Das Konzept der FH Brandenburg zielt auf eine zeitliche und organisatorische Flexibilisierung der Studienformate insbesondere für Studierende, die ein berufsbegleitendes Studium absolvieren. So soll ein Mentor den Studierenden als zentraler Ansprechpartner zur Verfügung steht und mit ihnen gemeinsam eine individuelle, berufsbegleitende Studienverlaufsplanung entwickeln, Tutorien und Vertiefungsveranstaltungen organisieren und durchführen.


Universität Bremen: "Vielfalt als Tradition und Zukunft"

Diversität soll an der Uni umfassend gefördert werden. Die Fördersumme soll für die Sensibilisierung und Schulung in der Studienberatung eingesetzt werden. Dafür sollen ein Grundlagenbaustein "Vielfältig starkes Studium" und ein Diversity-Modul für die bereits bestehenden obligatorischen Tutoren- und Mentorenschulungen entwickelt sowie ein Beratungsleitfaden erstellt werden.


Technische Universität Dortmund: "DiWiki"

Ein Team aus Studierenden, Lehrenden und administrativem Personal wird eine Internet-basierte Plattform Diversity-Wiki entwickeln. Diese soll grundlegendes Orientierungswissen zum Umgang mit Verschiedenheit bereitstellen und verschiedene Diversity-Initiativen zusammenführen. Die Mitarbeit an dem DiWiki soll den Studierenden als Studienleistung angerechnet und bei den Lehrenden als hochschuldidaktische Weiterbildung anerkannt werden.


Folkwang Universität der Künste: "Diversität als didaktisches Prinzip im hochschulischen Lehr-Lern-Kontext"

In Anbetracht eines Anteils von mehr als 30 % Studierenden aus aller Welt stellt die Folkwang Universität die Idee der Internationalisierung in den Mittelpunkt der im Rahmen von "Ungleich besser" geförderten Maßnahme. Um die große kulturelle Diversität der Studierenden zukünftig auch in der Hochschullehre angemessen berücksichtigen zu können, werden mit einer qualitativen Erhebung die verschiedenen Lernerwartungen, Lernstile und -strategien der internationalen Studierenden rekonstruiert und Bedarfe abgeleitet, so dass zielgruppengerechte Maßnahmen entwickelt werden können.


Fachhochschule Gelsenkirchen: "FH-Integrativ"

Die Strategie der FH Gelsenkirchen zielt auf die Gewinnung von bisher bildungsbenachteiligten Studierenden mit einem hochschulfernen sozio-ökonomischen Hintergrund. Überproportional viele Jugendliche im Einzugsgebiet kommen aus einkommensschwächeren Familien, in denen es oft keine akademisch geprägten Vorbilder gibt. Sehr häufig handelt es sich dabei um Jugendliche mit Migrationshintergrund. Um die Barrieren zu überwinden, die diese Jugendlichen von einem Hochschulstudium fernhalten, wird die Hochschule mit Hilfe des Förderbeitrags eine "Einstiegs-Akademie" realisieren, die den Übergang von der Schule in die Hochschule verbessern und mit gezielten Lernstrategien und Lehrangeboten in Kernkompetenzbereichen wie Mathematik, Physik und Englisch die Eingangsphase unterstützen


Evangelische Hochschule Ludwigsburg: Netzwerk für Antidiskriminierung und Diversity

Die einzige Hochschule in nicht-staatlicher Trägerschaft im Benchmarking-Club widmet sich dem Diversitätsmerkmal der sexuellen Orientierung. Neben dem Ausbau diversitätsbezogener Lehrangebote, etwa im Bereich der Interkulturellen Mediation sowie der Sexualpädagogik, wird mit Hilfe des Förderbetrags eine Antidiskriminierungshotline von Studierenden für Studierende eingerichtet.


Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: Die hörsensible Universität

Das Konzept der Uni Oldenburg knüpft an das Diversitätsmerkmal körperlicher Beeinträchtigung an. Eine bereits bestehende Clearingstelle bietet Beratung für alle Studierenden an, die Probleme mit dem Hörverstehen haben. Der Förderbeitrag soll für die Weiterentwicklung der Clearing-Stelle zu Gunsten einer zusätzlichen Beratung internationaler Studierender verwendet werden.


Universität Osnabrück: Virtuelles Lernen zur Diversitätsunterstützung an der Universität Osnabrück (ViDiOs)

Die Uni Osnabrück verfügt über umfangreiche Erfahrungen bei der Entwicklung von E-Learning-Angeboten. Diese Angebote sollen nun gezielt an der Diversität der Studierenden ausgerichtet werden. So sollen etwa durch zeit- und ortunabhängige Lehrformate die unterschiedlichen Lern- und Aneignungsformen der Studierenden unterstützt werden. Zu den anvisierten Zielgruppen gehören insbesondere Studierende mit Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution424


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Frank Stäudner, 14.07.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2010