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INTERNATIONAL/014: Afrika - Bildungssystem setzt weiterhin auf 'koloniale' Eliten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Februar 2012

Afrika: Bildungssystem setzt weiterhin auf 'koloniale' Eliten - Kompetenzmangel kritisiert

von Brahima Ouédraogo


Ouagadougou, 21. Februar (IPS) - Die Kritik der Bildungsexperten und Bildungspolitiker, die sich in Ouagadougou zur alle drei Jahre stattfindenden Konferenz der Vereinigung für die Entwicklung der Bildung in Afrika (ADEA) trafen, war unmissverständlich. In vielen afrikanischen Ländern produzierten reformunwillige und inkompetente Bildungssysteme weiterhin die traditionellen Eliten der Kolonialzeit, stellten sie fest.

Eine Woche lang hatten sie in Burkina Fasos Hauptstadt über Reformansätze diskutiert, die die existierenden Bildungssysteme nach und nach dazu bringen könnten, Schülern und Studenten die für die Entwicklung Afrikas notwendigen Kompetenzen und Qualifikationen zu vermitteln.

"Bildung soll dazu beitragen, die Bevölkerung aus der Armut zu entlassen. Sie muss zu Kompetenz beitragen und die Einnahmen verbessern", sagte der ADEA-Koordinator Mamadou Ndoye. "In Afrika kümmert sich leider kaum jemand um Bildung, und die Armut breitet sich weiter aus", fügte er hinzu.

Am Ende der Konferenz appellierten die Experten an die afrikanischen Staaten, den Schwerpunkt ihrer Bildungssysteme auf eine professionelle Ausbildung, Berufsqualifikation und Alphabetisierung zu legen. Es sei wichtig, auch die Kinder zu erreichen, die in der klassischen Schule gescheitert sind.

Nach Ansicht des Bildungsexperten Ndoye, eines ehemaligen senegalesischen Bildungsministers, läuft das derzeitige Bildungssystem auf Selektion und Abbruch hinaus, sodass die Mehrheit der Bevölkerung an diesem kolonialen Elitedenken scheitert. Auf diese Weise würden gesellschaftliche Führungspersönlichkeiten ausgebildet, die sich zu Helfershelfern der früheren Kolonialherren machen, kritisierte er.


Qualitätsbildung erforderlich

Die ADEA erkennt an, dass das afrikanische Bildungssystem seit 1995 auf jeder Stufe der Schulbildung an Tempo zugelegt hat. Beim Grundschulbesuch wurde eine Steigerung um 20 Prozent erreicht, in der Sekundarstufe waren es 15 Prozent, und die Oberstufe besuchen heute doppelt so viel Schülerinnen und Schüler wie 1995. Zugleich bedauerte das afrikanische Netzwerk von Bildungsexperten, dieser Bildungszuwachs reiche nicht aus, um die Nachhaltigkeit dieses Wachstums zu gewährleisten.

So sei schon jetzt abzusehen, dass die meisten Länder Afrikas die Millenniumsentwicklungsziele (MDG) nicht erreichten, betonte Ndoye. "Vor allem bei der Einschulung und den gleichen Chancen für Mädchen und Jungen liegen sie zurück", sagte er.

Gerade Frauen fallen in Afrika durch die Maschen der Bildungssysteme. Nach Angaben von ADEA machen sie 60 Prozent aller afrikanischen Analphabeten aus. "Die fehlende Bildung ist eine entscheidende Ursache für die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit", betonte Ndoye.


Einige Vorzeigeländer

Eine weitaus positivere Entwicklung stellte ADEA in Südafrika, auf Mauritius und den Seychellen sowie in Ruanda fest. In Ruanda beispielsweise durchlaufen inzwischen 95,6 Prozent aller Kinder die Grundschule. Ndoye schätzt, dass in Afrika 48 Millionen Kinder keine Schule besuchen und weitere zehn Millionen die Grundschule vorzeitig verlassen.

"Nicht die Zahl der Kinder, die zur Schule gehen, ist entscheidend", betonte Moussa Laoula Malam, Konferenzteilnehmer aus Niger, wo 72 Prozent der Kinder eingeschult sind. "Doch der Schuh drückt da, wo es um die Qualität der Schulbildung geht. Wenn die Mädchen und Jungen nach vier bis sechs Jahren die Schule verlassen, haben sie nicht wirklich etwas gelernt", räumte er ein.

Auch Ndoye hält wenig von der Leistungsfähigkeit afrikanischer Bildungs- und Ausbildungssysteme. "Anders als in anderen Regionen der Welt tragen sie nichts zur Entwicklung der afrikanischen Gesellschaften bei. Sie halten an den Werten fest, die ihnen die Kolonialherren vermittelt haben. Nach unserer Unabhängigkeit haben wir den Bruch zu ihnen nicht gründlich genug vollzogen", bedauerte er.

Jedes Land müsse für ein Bildungssystem sorgen, das sich nach seinen Ressourcen richtet, empfahl er. "Nur wenn wir uns wir für Modelle entschieden haben, die unsere Ressourcen weit überschreiten, sollten wir uns wie immer um internationale Hilfe bemühen." (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.adeanet.org
http://www.ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=6902

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2012