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INTERNATIONAL/019: Bangladesch - Mehr Mädchen in den Klassen, NGOs mit Schulprojekten erfolgreich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juni 2012

Bangladesch: Mehr Mädchen in den Klassen - NGOs mit Schulprojekten erfolgreich

von Naimul Haq

Lehrerinnen haben den Schulunterricht in ländlichen Regionen in Bangladesch verändert - Bild: © Naimul Haq/IPS

Lehrerinnen haben den Schulunterricht in ländlichen Regionen in Bangladesch verändert
Bild: © Naimul Haq/IPS

Dhaka, 13. Juni (IPS) - Bangladesch schreibt nach wie vor gute Noten auf dem Weg zu einem der UN-Millenniumsentwicklungsziele, das bis 2015 den gleichberechtigten Zugang von Mädchen und Jungen zur Primärbildung vorsieht. Der Trend, dass in dem südasiatischen Land mehr Mädchen als Jungen die Grundschule besuchen, hat sich in diesem Jahr sogar noch verstärkt. Dazu haben nicht nur staatliche Bildungsangebote, sondern auch von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) betriebene Einrichtungen beigetragen.

Ersten Schätzungen zufolge waren in dem im März zu Ende gegangenen Schuljahr vier Prozent mehr Mädchen (52 Prozent) als Jungen (48 Prozent) an den Grundschulen angemeldet. Bereits 2010 hatten die Mädchen ihre männlichen Mitschüler zahlenmäßig überrundet. "Die weltweit anerkannte Beseitigung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern an Grundschulen in Bangladesch ist Ergebnis eines starken politischen Willens", sagt dazu A.K.M. Abdul Awal Mojumder, Staatssekretär im Bildungsministerium (MoPME).

Um mehr Mädchen den Unterrichtsbesuch zu ermöglichen, haben die Behörden Lehrerinnen eingestellt, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einbezogen und Beihilfen geleistet. Noch vor einem Jahrzehnt war es in Teilen des Landes aufgrund sozialer und religiöser Schranken undenkbar, dass Mädchen zur Schule gehen.

Seit 2000 setzt das Ministerium gezielt Lehrerinnen ein. Zurzeit sind etwa 90 Prozent der 182.000 Lehrkräfte an den 37.500 staatlichen Grundschulen in Bangladesch weiblich. In 95 Prozent der Schulverwaltungen sind ebenfalls Frauen federführend. "Die Lehrerinnen haben das angemessene Umfeld geschaffen, in dem Mädchen am Unterricht teilnehmen können", sagt Aziz-ur-Rashid, Direktor einer Grundschule im Distrikt Niphamari. "Die Verbleibquote ist seitdem merklich gestiegen."


Finanzielle Anreize

Das von der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank und Norwegen geförderte Grundschulprojekt PESP zielt darauf, die Schulbesuchs- und Verbleibquote sowie die Leistungen von Schulkindern aus ärmeren Verhältnissen zu steigern. Es zahlt Beihilfen, die je nach Alter der Schüler von monatlich umgerechnet drei bis sieben US-Cent variieren.

Jeder Schüler, der die Abschlussprüfung an einer weiterführenden Schule ablegt, erhält außerdem sechs Dollar, um die Anmeldegebühr zu zahlen. Dort wo die staatlichen Institutionen nicht aktiv werden können, kümmern sich NGOs um die Bildung von Kindern, die die Schule abgebrochen haben oder den Unterricht nicht besuchen konnten, weil sie in abgelegenen Regionen leben.

"Die Kinder in ländlichen Gebieten sind davon begeistert, zur Schule gehen zu können. Manche kommen sogar im Boot angefahren", sagt Humayun Kabir Selim von der Organisation 'Palli Bikash Kendra'. Die NGO verwaltet zehn Grundschulen in den Feuchtgebieten von Mithamoin im Distrikt Kishoreganj. Seit nichtstaatliche Organisationen in dem Bereich tätig sind, ist die Anmelderate von 73,3 Prozent 1992 auf 94 Prozent 2011 gestiegen. Die Schulabbrecherquote sank von 38 Prozent 1994 auf etwa 30 Prozent im vergangenen Jahr.

Die von den NGOs verwalteten Schulen verfügen über gutes Lehrmaterial sowie ausgebildete und motivierte Lehrer. Außerdem können sie sich den Bedürfnissen und Fähigkeiten der jeweiligen Gemeinschaft flexibel anpassen. Manchmal findet der Unterricht in einem einzigen Raum statt, der von der jeweiligen Ortschaft bereitgestellt wurde.

"Die Flexibilität hat dazu geführt, dass mehr Kinder zur Schule gehen, weil der Weg zur nächsten Schule nicht mehr so weit ist", berichtet die Lehrerin Waheeda Mahmud, die im Distrikt Chaipainawabganj unterrichtet.

"Den Eltern ist wohler, wenn sie ihre Kinder in der Nähe wissen. Sie sind auch der Ansicht, dass Lehrerinnen mehr Geduld haben", meint Samsun Nahar Lina, die Leiterin der Organisation 'Shakkar', die mehrere kostenfreie Schulen im Distrikt Rangpur betreibt, 370 Kilometer von Dhaka entfernt.

Zu den Kindern, die dank der NGOs den Unterricht besuchen können, gehört die zehnjährige Aireen Akhtar. Vor zwei Jahren ließen sich ihre Eltern davon überzeugen, sie auf eine dieser NGO-Schulen in der 130 Kilometer von Dhaka gelegenen Ortschaft Charpara zu schicken. "Jeden Tag lernen wir etwas Neues. Es macht Spaß", sagt sie. Es gibt keinen festen Stundenplan und keine Hausaufgaben."


Flexible Unterrichtszeiten

In Bangladesch laufen mehrere Projekte für informelle Grundschulbildung. Besonders beliebt ist das Programm, das die NGO 'Bangladesh Rural Advancement Committee' (BRAC) entworfen hat. "Viele Kinder kommen aus armen Familien und müssen zum Einkommen beitragen", erläutert Shafiqul Islam, der das BRAC-Bildungsprogramm leitet. Das starre formelle Bildungssystem habe diesen Kindern den Schulbesuch nicht möglich gemacht. Die Organisation habe aber flexible Unterrichtszeiten eingeführt und damit Erfolg gehabt.

Seit 1985 hat BRAC 38.000 informelle Schulen in 470 Unterbezirken gegründet. Mehr als 1,2 Millionen Kinder besuchen dort den Unterricht, und fast 70 Prozent von ihnen sind Mädchen. Damit hat die NGO das größte private Schulsystem der Welt geschaffen.

Rasheda K. Choudhury, Geschäftsführerin der unabhängigen Kampagne für Volksbildung (CAMPE) führt die Erfolge in Bangladesch bei der Gleichbehandlung der Geschlechter im Wesentlichen auf Initiativen nichtstaatlicher Organisationen zurück. Insgesamt besuchen in dem Land rund 16,5 Millionen Kinder 81.000 staatliche oder von NGOs, Gemeinden und Religionsgemeinschaften verwaltete Grundschulen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.un.org/millenniumgoals/
http://siteresources.worldbank.org/EDUCATION/Resources/278200-1099079877269/547664-1099080014368/BangladeshStipend.pdf
http://www.brac.net/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107627

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Juni 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012