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HUNGER/327: Hälfte der Hungernden in Staaten mittlerer Einkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. März 2015

Entwicklung: Hälfte der Hungernden in Staaten mittlerer Einkommen

von Thalif Deen



Bild: © Mahmuddun Rashed Manik/IPS

In Bangladesch hat die Verbesserung der sanitären Grundversorgung die Zahl kranker Kinder erheblich senken können
Bild: © Mahmuddun Rashed Manik/IPS

New York, 19. März (IPS) - Fast die Hälfte der weltweit hungernden Menschen lebt in Staaten mittlerer Einkommen. Darauf hat das 'International Food Policy Research Institute' (IFPRI) mit Sitz in Washington hingewiesen. Um den Hunger wirksam zu bekämpfen, empfiehlt das Ernährungsforschungsinstitut Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko und allen weiteren Schwellenländern, auf eine gesunde Ernährung ihrer Bürger zu achten, für die Gleichheit der Geschlechter in der Landwirtschaft zu sorgen und die ländlichen Infrastrukturen auszubauen, damit Ernährungssicherheit für alle gewährleistet werden kann.

"Es mag vielleicht merkwürdig erscheinen, doch diesen wachsenden Volkswirtschaften kommt, was unsere Fähigkeit angeht, die Welt adäquat und gesund zu ernähren, eine Schlüsselrolle zu", so der IFPRI-Generalsekretär Shenggen Fan bei der Vorstellung eines Berichts, der unter anderem die Verbindungen zwischen sanitärer Grundversorgung und Ernährung untersucht hat.

Am Beispiel Bangladesch konnten die Forscher zeigen, dass ein deutlicher Rückgang der offenen Defäkation sich positiv auf die Entwicklung von Kindern auswirkt. Auch konnten sie nachweisen, dass die bangladeschischen Kinder in den Orten, in denen die offene Defäkation reduziert wurde, größer werden als die Mädchen und Jungen im benachbarten indischen Bundesstaat Westbengalen, wo die offene Defäkation nach wie vor verbreitet ist.

"Die Faktoren, die Einfluss auf die Ernährung der Menschen nehmen, gehen über Nahrung und Landwirtschaft hinaus und schließen Trinkwasser und Sanitärsituation, die Rolle von Frauen und die Qualität der Versorgung mit ein", betonte Fan.


Destabilisierende Ernährungsunsicherheit

Die Studie verdeutlicht ferner, dass die Ernährungsunsicherheit entscheidend zur politischen Instabilität der Region Nahost beigetragen hat. Darüber hinaus lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit, die Nahrungsmittelproduktion zu regulieren, um ernährungsbedingte Krankheiten zu verhindern, Kleinbauern bei der Erhöhung ihrer Einkommen zu helfen, den sozialen Schutz der ländlichen Armen zu erhöhen und die kleinen Fischer bei der Deckung der globalen Fischnachfrage zu unterstützen.

Wie Clemens Breisinger, Wissenschaftler der IFPRI-Entwicklungsstrategieabteilung, gegenüber IPS erklärte, kann Ernährungssicherheit sowohl Ursache als auch Folge politischer Instabilität und Konflikte sein. Vor allem Netto-Nahrungsmittelimportländer seien aufgrund ihrer Anfälligkeit für durch Ernährungsunsicherheit ausgelöste globale Schocks bei den Nahrungsmittelpreisen auch anfällig für politische Konflikte. Als Beispiel führte er die arabischen Länder an, die etwa die Hälfte ihrer Nahrungsmittel importieren und somit entsprechend stark unter dem Anstieg der globalen Nahrungsmittelpreise zwischen 2008 und 2011 gelitten hatten.

Laut Imed Drine, Ökonom bei der Islamischen Entwicklungsbank, hat der Niedergang der Erdölpreise die globale Wirtschaft auf den Kopf gestellt. Die Erdölpreise hätten sich vom vierten Quartal 2014 bis Januar 2015 halbiert. Dieser Preisverfall, so die Weltagrarorganisation FAO, hat erheblich dazu beigetragen, die Nahrungsmittelpreise niedrig zu halten.


"Unser modernes globales Nahrungssystem ist extrem ölabhängig"

Die MENA-Region - Nahost und Nordafrika - hatte besonders stark unter dem Rückgang der Erdölpreise zu leiden, wie Drine in einem Blog-Eintrag betont. Das sei darauf zurückzuführen, dass das Wirtschaftswachstum der meisten dieser Länder von den Erdöleinnahmen abhänge und sie gleichzeitig mehr als 50 Prozent ihrer Nahrungsmittel importieren müssten. "Unser modernes globales Nahrungssystem ist extrem ölabhängig."

Der fossile Brennstoff spielt bei der Produktion und dem Transport von Nahrungsmitteln vom Feld zu den Märkten eine große Rolle. Drine gibt ferner zu bedenken, dass die Ölpreise 50 bis 60 Prozent der gesamten Schiffstransportkosten ausmachen. In einigen Industrieländern sind Düngemittel, Chemikalien, Schmiermittel und Treibstoffe für 50 Prozent der Getreideproduktionskosten verantwortlich. "Der Niedergang der Ölpreise wirkt sich somit direkt auf die Produktionskosten aus."

Auch passen sich die Getreidepreise zunehmend den Schwankungen auf den Ölmärkten an, da mehr Getreide in Biotreibstoff umgewandelt wird. Da die Nachfrage nach diesen alternativen Treibstoffen jedoch sinkt, fallen Drine zufolge auch die Getreidepreise und machen Nahrungsmittel erschwinglicher. (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/03/middle-income-nations-home-to-half-the-worlds-hungry/

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IPS-Tagesdienst vom 19. März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2015

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