Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

INTERNATIONAL/084: Mongolei - Grünzeug für Fleischesser, Regierung wirbt für ausgewogene Ernährung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2013

Mongolei: Grünzeug für Fleischesser - Regierung wirbt für ausgewogene Ernährung

von Michelle Tolson


Bild: © Michelle Tolson/IPS

Kamel vor einer traditionellen mongolischen Jurte
Bild: © Michelle Tolson/IPS

Ulan Bator, 7. Mai (IPS) - Dschingis Khan wusste, was es heißt, in schwierigen Zeiten zu überleben. Der Gründer des mongolischen Reiches, das sich bis zum Jahr 1227 über den größten Teil Eurasiens erstreckte, und seine Leute mussten nehmen, was ihnen die Natur zu bieten hatte. Wurde Fleisch knapp, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich mit den "grünen blättrigen Dingen" zu begnügen.

Diese historischen Begebenheiten scheinen heute in Vergessenheit geraten zu sein. "Die meisten Mongolen mögen weder Obst noch Gemüse. Und der Ackerbau ist ihnen zu unmännlich", berichtet Marissa Markowitz, die das mongolische Landwirtschaftsministerium in Ernährungsfragen berät.

Weniger als ein Prozent der Fläche des Landes wird für den Anbau genutzt. Die Mongolen folgen damit der Tradition ihrer Vorväter, die Nomadenhirten waren und sich vor allem von Nutztieren ernährten. Auf den weiten Steppen Zentralasiens grasen auch noch riesige Herden.

Die Fleisch- und Milchproduktion, die zu Sowjetzeiten zwischen 1921 und 1990 in der Mongolei florierte, ging mit dem Zusammenbruch des Ostblocks zugrunde. Dies bedeutet auch das Ende der zentral gesteuerten Wirtschaft, die Produktion und Verteilung über Jahre im Voraus reguliert hatte. Zudem verschwanden die großen Märkte für mongolische Agrarerzeugnisse. Das Land steuerte damit auf eine unsichere Ernährungslage zu.

Laut einer Studie der global tätigen Hilfsorganisation 'Mercy Corps' war im Jahr 2009 die Ernährung von einem Drittel der Familien in der Hauptstadt Ulan Bator und in Provinzstädten nicht gesichert. Hauptnahrungsmittel seien Weizen, Fleisch und Reis, erklärt Markowitz, die sich auf Berichte der Weltagrarorganisation FAO beruft.


Mehr als 30 Prozent der Mongolen essen kein Gemüse

Aus 2008 und 2010 veröffentlichten Untersuchungen des Ministeriums geht hervor, dass gut ein Drittel der drei Millionen Einwohner der Mongolei weder Obst noch Gemüse isst. Die meisten Menschen wissen wenig über diese Nahrungsmittel, da sie kaum Zugang zu entsprechenden Informationen haben. Davon ist vor allem das ärmste Fünftel der Familien betroffen, die mit umgerechnet 1,25 US-Dollar am Tag auskommen müssen.

Auch diejenigen, die das monatliche Mindesteinkommen von etwa 100 Dollar beziehen, können sich teures Obst und Gemüse kaum leisten. Vor allem das Frühjahr ist eine schwierige Zeit, weil die staatlichen Lebensmittelgeschäfte leer sind und die Preise in die Höhe schießen. An Vitamin C reiche Sanddornbeeren kosten dann etwa drei bis vier Dollar pro Kilo, Möhren zwei Dollar und Tomaten fast vier Dollar. Hinzu kommt, dass es in ländlichen Gebieten und informellen Siedlungen an Speichern für die Ernte mangelt.

Nach Erkenntnissen des UN-Entwicklungsprogramms UNDP beträgt der Armutsindex in der Hauptstadt Ulan Bator 23,4 Prozent. Mehr als die Hälfte der eine Million Einwohner der Stadt leben in informellen Siedlungen oder Slums. Laut Statistiken des Agrarministeriums ist ein Fünftel aller mongolischen Kinder unter fünf Jahren im Wachstum zurückgeblieben.

Nahrungsexperten sind zudem über die extreme Wüstenbildung besorgt, die durch die Vergrößerung der Herden um 20 Millionen Stück Vieh zwischen 1999 und 2007 hervorgerufen wurde. Hintergrund war die Einführung eines marktbasierten Ernährungssystems. Angesichts dieser alarmierenden Entwicklung hat das Land kürzlich damit begonnen, seinen Agrarsektor allmählich wieder aufzubauen.

Im nordwestlich gelegenen Bezirk Songino Khairkhan in Ulan Bator, wo sich vor schneebedeckten Bergen traditionelle von Holzzäunen umgebene Jurten aneinanderreihen, wird auf einer kleinen Farm in Gewächshäusern Gemüse angebaut. Unter freiem Himmel wachsen Sträucher, die orangefarbene Sanddornbeeren tragen. Dort befindet sich der Hauptsitz der Vereinigung der mongolischen Bäuerinnen (MWFA), die in allen 21 Provinzen des Landes den Anbau von Obst und Gemüse durch arme Familien vorantreibt.

Das kalte und trockene Klima, in dem von Mais bis September auf Feldern angebaut wird, ist ideal für Kartoffeln, Rüben, Kohl, Möhren, Zwiebeln und Rettich, die während der langen Wintermonate mit Temperaturen bis minus 40 Grad eingelagert werden können.


Gemüseanbau unterentwickelt

Einer Untersuchung von Mercy Corps zufolge bauen aber nur sechs Prozent der Mongolen selbst Gemüse an, obwohl 40 Prozent Zugang zu Land haben. Die wenigen Gemüsebauern pflanzen nur für den eigenen Bedarf an und verkaufen die Ernten nicht weiter.

Projektkoordinatorin Markowitz erklärt, dass die NGO bereits 4.500 Familien eine nährstoffreichere Ernährung und den Schutz der natürlichen Ressourcen näher gebracht habe. MWFA unterstützt Gemüsegärten als möglichen Weg zur Erzielung von Familieneinkommen. Auch Kochkurse und das Einmachen von Gemüse stehen auf dem Programm.

Die Organisation hofft, dass das Land auf diesem Weg weniger abhängig von Importen aus Russland und China wird. Diese Produkte überschwemmen den Inlandsmarkt stets in der kalten Jahreszeit zwischen Oktober und April. Um die heimische Produktion anzukurbeln, hat die mongolische Regierung bereits Zölle auf die Einfuhren von russischem Weizen verhängt, der früher weniger kostete als der im eigenen Land produzierte.

Ob Sanddornbeeren und Gemüse die Mongolen zu einer Umstellung ihrer Ernährung bewegen können, bleibt abzuwarten. In Ulan Bator gibt es immerhin schon mehr als 20 vegetarische Restaurants. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://gafspfund.org/sites/gafspfund.org/files/Documents/Mongolia_8_of_9_Consultations_Brief_Agriculture_Plan_NFSP.pdf
http://asiafoundation.org/publications/pdf/390
http://www.ipsnews.net/2013/05/building-an-agricultural-empire/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2013