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INTERNATIONAL/183: Artenvielfalt statt Sojawahn (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 412 - Juli/August 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Artenvielfalt statt Sojawahn
Ein fruchtbarer Austausch über Eiweißfutter in Deutschland und Argentinien

von Anika Berner


Die argentinische Projektleiterin von "Asociana", einer Organisation der anglikanischen Kirche, die sich für die Rechte der indigenen Völker des Chaco einsetzt, Ana Alverez, machte auf ihrer Europareise Stopp im niedersächsischen Rehden. Auf dem Milchviehbetrieb von Wolfgang Johanning ging es bei dem Treffen mit Vertretern des niedersächsischen Eiweißfutterprojektes darum, mehr von der Situation in Südamerika, einem der wichtigen Sojalieferanten Europas, zu erfahren. Es wurde deutlich, dass Landwirtschaft in Europa auch ohne Sojaimporte funktionieren kann und muss. Denn der massive Eiweißbedarf für die Tierfütterung hier zerstört in der Heimat von Ana Alverez die Natur und kostet häufig sogar Menschenleben.

Situation in Argentinien

In den letzten 15 Jahren erfolgte in Argentinien die systematische Entwaldung von 3 Mio. ha Fläche, Rinder werden in immer größeren Betrieben mit 1.000 und mehr Tieren gehalten und Soja wird wenig nachhaltig mit Hilfe von Gentechnik und Glyphosat angebaut. Der argentinische Staat finanziert sich primär über Exportabgaben von Agrarprodukten, so dass von Seiten der Regierung nicht dagegen vorgegangen wird. Eine Kette des Unrechts beginnt mit der Vertreibung der indigenen Bevölkerung aus ihren traditionellen Gebieten und dem unwiederbringlichen Verlust natürlicher Ressourcen und damit deren Lebensgrundlage. Das Ökosystem wird zerstört, es gibt keinen Zugang zu sauberem Wasser mehr, die Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt, so dass viele Menschen in die Städte flüchten. Dort drohen jedoch Hunger und Verarmung, Krankheiten und der Verlust von Kultur, Sprache und Identität.

Europäische Unterstützung

Die deutsche Entwicklungshilfeorganisation "Brot für die Welt" unterstützt als Projektträger das argentinische Projekt "Asociana" auf drei Ebenen: juristisch, politisch und praktisch. Obwohl Argentinien die Verpflichtung übernommen hat, indigene Völker zu schützen und die Menschenrechte einzuhalten, gibt es, so Ana Alverez, immer noch riesige Probleme. Sie zitiert die Aussage eines Indigenen aus San Jose: "Unser Recht auf Gebietseigentum an unserem Land ist eingeschränkt. Unser Land wurde nicht vermessen, seine Grenzen sind nicht festgelegt. Dritte wollen es in Besitz nehmen, damit wird unser Recht auf Leben beeinträchtigt. In indigenen Gemeinschaften lassen sich das Recht auf Leben und die kulturelle Identität nicht voneinander trennen."

Anwaltskosten für Gerichtsprozesse müssen bezahlt werden, aber auch ziviler Ungehorsam (vor Bulldozer stellen!) organisiert werden. "Gerade die Vernetzung mit Unis und die Generierung von wissenschaftlichen Erkenntnissen sind wichtig", so Alverez. Auch um die von ihr gezeigten verstörenden Bilder faktisch zu untermauern. Es sind Bilder von brennenden Regenwäldern, deren Asche von Bulldozern zusammengeschoben wurde, versalzte erodierte Flächen, Menschen, die mit Hilfe von ehemaligen Spritzmittelbehältern ihr Trinkwasser schöpfen. Dazu erzählt Alverez weiter von den örtlichen Gemeinschaften, deren Gewohnheiten und wichtige Plätze sie abfragt und kartiert. So erfolgt mittels GPS die Erstellung einer regionalen Landkarte mit z. B. Plätzen für Honig oder Wasser. Wir hier in Deutschland kennen die Bezeichnung von Plätzen mit Hilfe der Funktion auch, z. B. bei Feldnamen wie "An der Tonkuhle" oder "Flachsrotten".

Was tun?

Allen Beteiligten fiel es sichtlich schwer, nach so viel Leid zur Tagesordnung eines Leguminosenaktionstages zurückzukehren. Jedoch war der tolle Imbiss mit Produkten der Siebenhäuser Molkerei des Hofs Johanning nach einem intensiven Stall- und Feldrundgang eigentlich die ideale Stärkung. Wolfgang Johanning erläuterte sein Konzept des kompletten eigenen Futteranbaus. Auf dem Hof Johanning werden Klee- und Luzernegras als feinsamige, Erbse und Ackerbohne als grobkörnige Leguminosen eingesetzt. Die Folien, die für die Konservierung der Ackerbohnen im Schlauch nötig sind, erkannte der argentinische Gast sofort wieder - solche gibt es in Argentinien für all die Exportsojabohnen ebenfalls, danach finden sie bei der indigenen Bevölkerung als Baumaterial für ihre Behausungen Verwendung. Der höherpreisige und mit besseren Margen einhergehende Absatz der zu Joghurt, Quark und Frozen Joghurt veredelten Milch über die eigene Molkerei und über Wiederverkäufer ist der Schlüssel zum Erfolg auf Johannings Hof. Anstatt das nur vermeintlich billige Importsoja mit schlechtem Gewissen einzusetzen, werden die gegebenenfalls noch höheren Kosten für das eigene Futter über die bessere Vermarktung wettgemacht.

Anika Berner; AbL-Projekt Eiweißfutter-aus-Niedersachsen (EFN)

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 412 - Juli/August 2017, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2017

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