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LANDWIRTSCHAFT/1353: Der Ökolandbau muß Federn lassen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 319 - Februar 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Der Ökolandbau muss Federn lassen
Am Skandal um den Bio-Puten-Betrug werden gleich mehrere
Schwierigkeiten deutlich, in denen die Biobranche steckt

Von Claudia Schievelbein


Da ist es wieder, das alte Gespenst vom Skandal in der Biobranche. Es ist gefürchtet und doch erwartet man sein Auftreten in regelmäßigen Abständen. Allein schon deshalb, weil es immer wieder auch die Geister sind, die man selber rief, mit einem wachsenden Biomarkt, der für viele Akteure mit unterschiedlichen Motivationen attraktiv wurde. Ist es dann passiert, geht es um Krisenmanagement und Schadensbegrenzung, um nicht viele tausend aus Überzeugung richtlinienkonform wirtschaftende Bäuerinnen und Bauern in einen Strudel aus Vertrauensverluste und Verbraucherschmähungen geraten zu lassen. Ob das im Fall des aktuellen Skandals um den Geflügelbetrieb von Berthold und Roswitha Franzsander im nordrhein-westfälischen Delbrück gelingt, ist noch nicht ausgemacht. Bioland als betroffener Verband musste sich jedenfalls auch von Mitgliedern anhören, man sei nicht offensiv genug mit den Verfehlungen in den Franzsanderschen Ställen umgegangen, habe versucht, das Ganze kleiner zu reden, auch als schon klar war, dass es groß ist. Bioland-Präsident Thomas Dosch sieht das anders, man sei sehr wohl frühzeitig an die Öffentlichkeit gegangen, er habe ein paar Journalistenanrufe gehabt, aber kein überregionales Interesse. Und die Konsequenzen dem Betrieb gegenüber habe man mit der Kündigung bereits am 2. Dezember auch schnell gezogen. Bei Demeter ist man froh, dass man kurz vor den krummen Touren die Zusammenarbeit mit den Franzsanders aus anderen Gründen beendet hatte und nun glücklich aus der Schusslinie ist.


Überzeugungstäter?

Ein Aspekt, der sicherlich eine Rolle im Umgang mit Berthold Franzsander spielt, ist die Person selbst. Schließlich geht es hier um einen, der als Überzeugungstäter galt, zwar aus der konventionellen Geflügelproduktion kam, sich aber gemeinsam mit seiner Frau dem Projekt Bio-Geflügel verschrieben hatte. Zweifel ob der Unübersichtlichkeit und der Größe des Betriebs, der tausende Puten, Hühner, Hähnchen, Perlhühner und Gänse aufzog und über die eigene Vertriebsfirma RoBerts vermarktete, gab es auch in der Vergangenheit. Aber die Franzsanders räumten diese stets durch ihr Engagement auch beim Gang neuer, ungewöhnlicher Wege in Sachen artgerechter Haltung, Qualitätsmanagement oder dem Umgang mit der Hochleistungszucht im Geflügelbereich aus. Für letzteres steht das sogenannte Geschwisterprojekt - die Suche nach neuen Zweinutzungsmöglichkeiten bei Hühnern.


Keine Erklärungen

Als nun im Herbst 2008 - nach einer unauffälligen Biokontrolle durch die Kontrollstelle Abcert im Frühjahr 2008 - das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW bei der Kontrolle eines konventionellen Futtermittelwerks auf den Namen Franzsander in den Empfängerlisten stieß, wollten zunächst alle nur zu gerne die Geschichte von der Putenkükenherde mit den Krankheitsproblemen glauben, die Berthold Franzsander als Erklärung auftischte. Aber das Landesamt hatte seinen Namen auch bei anderen Futtermittellieferanten gefunden, über 900 Tonnen konventionelles Futter ließen sich nicht nur mit einer Kükenherde wegdrücken. Den Kontrolleuren und auch Bioland versprach Franzsander plausible Erklärungen, die er schuldig blieb - nun erst bröckelte sein Ruf. In Salamitaktik gab er eine umfängliche Parallelproduktion von konventionellem Geflügel preis, die zwar wohl zum größten Teil konventionell vermarktet wurde, aber weder nach EU-Öko-Standards und schon gar nicht nach Bioland-Standards hätte sein dürfen. Vor allem die Tatsache, dass "die Aktenführung nicht mehr plausibel" war - so Landesamtspressesprecherin Babette Winter -, die versprochenen Erklärungen ausblieben und es den Kontrolleuren langsam zu bunt wurde, ließ sie zu den drastischen Mitteln kompletter Vermarktungsverbote für den landwirtschaftlichen Betrieb, später dann auch für die Vertriebsfirma RoBerts greifen. Berthold und Roswitha Franzsander haben sich komplett aus den Betrieben zurückgezogen, die Mitarbeiter wollen das Ganze nun weiterführen. Bioland kann sich eine erneute Zusammenarbeit mit der Vertriebsfirma vorstellen, auch als "Signal des Vertrauens" an die Mitarbeiter, so Thomas Dosch, allerdings nur wenn es mehr Transparenz, Dokumentation und Kontrolle gebe.


Mehr Kontrolle?

Kontrolle ist ein Stichwort, das in solchen Zusammenhängen schnell auftaucht, Bioland hat als Sofortmaßnahme allen Betrieben eine jährliche Kontrolle mehr verordnet. Aber selbst Kontrolleure räumen ein, dass, wer betrügen will, dies auch kann. Und je unübersichtlicher die Betriebsstrukturen, umso einfacher sind Schummelgeschäfte. Die Biogeflügelbranche ist da Paradebeispiel, der Betrieb der Franzsanders war da nicht der unübersichtlichste am Markt. Es gibt wenige Große, die fast alle konventionelle Wurzeln haben und auch nach wie vor konventionelle Geschäfte machen - auf dem Papier fein säuberlich vom Bio-Geschäft getrennt. Da sie, anders als Berthold Franzsander, alles in einer Hand halten - Futter, Jungtiere, Masttiere - sind Tricksereien hier noch einfacher. Thomas Ingensand, Bioland-Berater in NRW, wünscht sich deshalb nicht unbedingt mehr, aber gezieltere Kontrollen bei solchen unübersichtlichen Betrieben, beispielsweise beim Ein- oder Ausstallen. Dabei würden preisdrückende Überbelegungen eher auffallen als bei Kontrollen im laufenden Betrieb, bei der der Kontrolleur unter Umständen gar nicht in die unübersichtlichen Ställe, sondern nur in die Bücher guckt.


Überhaupt Bio-Puten?

Die grundsätzliche Frage dahinter muss aber auch sein - und sie wird an jedem solcher Skandale wieder neu aufbrechen - warum muss sich die Biobranche in das Haifischbecken unübersichtlicher Strukturen, paralleler Produktion, konventioneller Hühnerbarone begeben? Gerne kommt dann das Argument: Wenn wir es nicht machen, machen es Andere oder "das Ausland." Aber böte nicht eine Rückbesinnung auf bäuerliche Strukturen Verbänden wie auch dem Handel die Möglichkeit, sich von der Masse abzuheben? Wäre der Verbraucher bereit, mehr zu zahlen, wenn er um die Unterschiede wüsste? Ließe sich nicht auch ein Mut-zur-Lücke positiv kommunizieren? Friedrich Ostendorff, Bioland-Bauer aus NRW, fordert in diesem Zusammenhang mindestens eine Debatte über ein Putenmoratorium von seinem Verband. Wenn es denn so ist, dass Puten aufgrund ihrer großen Empfindlichkeiten mit Bio-Futter nur unter schwierigsten Bedingungen und vor allem für viel Geld zu mästen sind, sollte man dann nicht ganz drauf verzichten, Bioland-Puten anzubieten, bis man eine Lösung gefunden hat, fragt Ostendorff provozierend. Zumal die vermeintlich naheliegende Lösung, einer Neuentwicklung einer robusteren Bio-Rasse nicht aus der Krux heraushilft, dass Handel wie auch Verbraucher die riesigen Brustmuskeln der Hochleistungsrassen wollen - und das auch noch für wenig Geld.

Geld war bei Berthold Franzsander offenbar schon länger knapp, obwohl oder vielleicht gerade weil er auch immer versucht hat, billiger zu sein als die Konkurrenz. Ob ihn finanzielle Not oder Gier oder Verzweiflung zu seinem Betrug getrieben haben, bleibt Spekulation. Am Ende kommt es ihn - und wahrscheinlich wieder einmal die ganze Branche - teuer zu stehen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 319 - Februar 2009, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. April 2009