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LANDWIRTSCHAFT/1395: Gefährdete Nutztierrassen - Die Cröllwitzer Pute (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03 / 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Gefährdete Nutztierrassen
Die Cröllwitzer Pute

Von Iris Weiland und Marion Guenet


Die wilden Puten der Wälder Nordamerikas wurden bereits von den Indianern domestiziert. Eroberer brachten sie aus Ostmexiko nach Europa, wo sie schon seit 1550 in einigen westeuropäischen Ländern nachweisbar sind. Ihr Leben ist seitdem nicht einfacher geworden. Zucht auf extremes Wachstum und artwidrige Haltung in extremen Dichten sind leidvoller Alltag fast aller heutigen Puten.

Das Interesse der Verbraucher wendet sich immer stärker billigem und magerem Fleisch zu. Das führte zu einer drastischen Intensivierung der Zucht und Mast von schnell wachsenden Putenhybriden mit extrem großem Brustfleischanteil. Leichte und robuste Landputenrassen wie die Cröllwitzer Pute wurden zugunsten der Turbo-Masthybriden aufgegeben. Bald stand die Cröllwitzer Pute kurz vor dem Aussterben. Im Jahr 1997 gab es nur noch 334 Zuchttiere in 55 Beständen. Der Rasse drohte also das Aussterben. Das wäre fatal gewesen, denn die Cröllwitzer Pute eignet sich hervorragend für die artgerechte Haltung nach ökologischen Richtlinien.

Diese Puten sind anspruchslos und wachsen hervorragend in extensiven Haltungssystemen mit ausreichendem Grünauslauf. Wie alle Geflügel können sie sich in einer natürlichen, heterogen strukturierten Freilauffläche gut miteinander vertragen und selbst ernähren. Sie verbringen die meiste Zeit des Tages mit der Suche nach Samen, Insekten, Gräsern, Blättern, Schnecken und anderen Kleintieren. Gesundheitlich sind sie robust, äußerst vital und wetterfest. Sie bewegen sich gerne und ausdauernd. Zum Ausruhen und Übernachten fliegen sie sogar wie ihre wildlebenden Verwandten auf Bäume. Im Jahr legt eine Cröllwitzer Putenhenne zwischen 20 und 40 Eier mit einem Mindestgewicht von 70 g je Ei, und sie gilt als die beste und zuverlässigste Bruthenne, die Eier auch anderer Geflügelarten ausbrütet.

Wegen ihrer guten Eigenschaften und ihrer besonderen Fleischqualität züchtete Alfred Beeck, 1900-1920 Direktor und Begründer der ersten staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Geflügelzucht in Halle-Cröllwitz, die deutsche Cröllwitzer Pute. Er kreuzte deutsche Kupferputenhennen mit belgischen Ronquieres-Putenhähnen. Der lang gestreckte, kräftige Rumpf und ihr rein weißes Federkleid mit dem tiefschwarzen Endsaum macht die Cröllwitzer zu einer besonders elegant aussehenden Putenrasse.

Glücklicherweise wächst die Zahl der Personen wieder, die eine extensive Haltung von Puten - auch solchen der Rasse Landpute - bevorzugen. Heute leben in Deutschland etwa 800 Cröllwitzer Zuchtputen in rund 160 Zuchten, so Dr. Jürgen Güntherschulze von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH). Doch noch erscheint sie in der Roten Liste der GEH unter der Kategorie "Zur Bestandsbeobachtung". Ihren Züchtern erscheint sie auch wegen ihrer Größe, Wirtschaftlichkeit und Fleischqualität besonders wertvoll, obwohl sie deutlich leichter als der übliche Turbo-Masthybrid ist. So erreichen die ausgewachsenen Hennen ein Gewicht von ca. 4-5 kg, und die Puter erreichen ca. 6-8 kg. In der Ausprägung besonders wertvoller Teilstücke wie Brustmuskel und Keule und in der relativen Gewichtszunahme und Futterverwertung können diese Puten aber mit vielen Hochleistungshybriden mithalten. Heutige Menschenfamilien werden immer kleiner, daher reicht schon eine einzige Pute vom Gewicht der Cröllwitzer aus für ein Festmahl. Deshalb ist die Cröllwitzer Pute als "Portionspute" gerade für Direktvermarkter wie Öko-Hofläden wirtschaftlich interessant.

Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die Biotierhaltung von den heutigen schnell wachsenden Hochleistungshybriden abwendet und sich den robusten Landrassen wie der Cröllwitzer Pute zuwendet. Das ist gut für die Tiere und ihr Wohlbefinden, gut für den Erhalt seltener Rassen und besonders wichtig für den Erhalt der genetischen Vielfalt bei Puten, die schon immer geringer war als beim Haushuhn und den meisten domestizierten Säugetieren. Doch selbst diese nicht so große Vielfalt ist bedroht, weil weltweit nur noch eine Hand voll Turbo-Hybridlinien in der Putenmast eingesetzt werden.

PROVIEH setzt sich dafür ein, dass Rassen wie die Cröllwitzer Pute, die zur artgerechten Haltung bestens geeignet sind, die leidvollen Turbohybriden in größtmöglichem Maße ablösen werden. Entscheidend ist allerdings die Bereitschaft der Verbraucher, für artgerechte Haltung und besonders hochwertiges und gesundes Putenfleisch auch einen fairen Preis zu bezahlen.


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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 03/2009, Seite 38-39
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2009