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LANDWIRTSCHAFT/1441: Agrarsubventionen unter der Lupe - Kritik an USA, EU und WTO (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2010

Landwirtschaft: Agrarsubventionen unter der Lupe - Kritik an USA, EU und WTO

Von Isolda Agazzi


Genf, 19. November (IPS) - US-amerikanische Pläne zur Verdopplung der Agrarexporte rufen Kritiker auf den Plan. Sie werfen Washington vor, aus der letzten Versorgungskrise und dem Preisboom bei Nahrungsmitteln nicht gelernt zu haben. Unter die Lupe nehmen Beobachter auch die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (CAP) und die Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO).

Nach dem jüngsten Bericht der US-Regierung für die WTO haben sich die wettbewerbsverzerrenden Agrarsubventionen von 2007 auf 2008 verdoppelt. Diese Subventionen fallen nach der WTO-Klassifikation in die sogenannte 'Amber Box' und beliefen sich 2008 auf fast 13 Milliarden US-Dollar.

Zugleich erreichten die 'entkoppelten', als nicht-verzerrend eingestuften US-Subventionen - sie fallen in die 'Green Box' - mit 81,59 Milliarden Dollar ein Rekordhoch - dies allerdings in erster Linie wegen großer Ausgaben für Lebensmittelmarken oder 'food stamps'. Medienberichten zufolge erhält fast jeder siebte US-Amerikaner staatliche Unterstützung in dieser Form.


Kein Einsehen

Zu verantworten hat den Anstieg der Agrarsubventionen die Administration von George W. Bush. Kritiker aber sehen auch bei der jetzigen Regierung unter Barack Obama kein Einsehen in die fatalen Folgen.

"Die Obama-Regierung hat einige bedeutende Programme zur Verbesserung der Ernährungssicherheit in den Ländern des Südens aufgelegt, aber sie drängt auch auf eine Verdoppelung der Agrarexporte", moniert Karen Hansen-Kuhn vom 'Institute for Agriculture and Trade Policy' (IATP) - eine US-amerikanische Denkfabrik, die sich für eine gerechte Globalisierung stark macht. Offenbar habe sich die Erkenntnis nicht durchsetzen können, dass es darauf ankomme, die Agrarproduktion, die Märkte und die Ernährung lokal zu stärken und zu sichern.

IATP hat in den USA die Produktionskosten und die Exportpreise für landwirtschaftliche Produkte verglichen und kommt zu dem Schluss, dass die Produktionskosten über viele Jahre und für die meisten Produkte über dem Exportpreis lagen. Die Organisation kritisiert das als wettbewerbsverzerrendes Dumping.

IATP-Welthandelsexpertin Sophia Murphy hält die Unterscheidung zwischen wettbewerbsverzerrenden Subventionen und nicht-wettbewerbsverzerrenden Subventionen für Augenwischerei. "Natürlich gibt es graduelle Unterschiede. Aber die US-amerikanische Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sind eng mit der globalen Wirtschaft verzahnt." Insofern hätten praktisch alle Manipulationen internationale Folgen.


Regulation der Märkte gefordert

Kritik gibt es auch an der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik der EU, deren Reform und an den WTO-Kriterien. Die europäischen Fördergelder für den Agrarbereich bilden mit etwa 56 Milliarden Euro den größten Posten im EU-Haushalt. Nach dem Reformplan für die Jahre 2010 bis 2013 geht der Weg in der EU weiter in Richtung Entkoppelung, das bedeutet: Die Fördermaßnahmen sind nicht an die Produktion eines bestimmten Agrarproduktes, die Produktionsmenge oder die Preise gebunden und fallen damit in die Green Box. Ebenso sollen die Subventionen künftig stärker an sozialen und ökologischen Standards ausgerichtet sein und die neuen EU-Mitgliedstaaten in Osteuropa mehr Geld bekommen.

"Die Green Box der WTO steht für einen völlig inadäquaten Ansatz", sagt Alex Danau vom 'Collectif Stratégies Alimentaire' (CSA) - einer in Brüssel ansässigen Nichtregierungsorganisation, die die europäische Agrarpolitik beobachtet. "Alle CAP-Reformen seit 1992 gingen in dieselbe Richtung." Man habe die entkoppelten Fördermittel erhöht und regulierende Mechanismen gekippt.

Danau favorisiert Instrumente der Preisstützung, Quotenregelungen und eine geschickte Lagerhaltung, um Preisschwankungen Einhalt zu gebieten. "Regulierte Märkte reduzieren die Volatiliät der Preise", so sein Argument. (Ende/IPS/hn/2010)


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http://www.csa-be.org
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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2010