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LANDWIRTSCHAFT/1748: Wieder Vielfalt üben (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 417 - Januar 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Wieder Vielfalt üben
Guter Ackerbau für Umwelt und Bauern ist möglich

von Claudia Schievelbein


Die Bauernfeindlichkeit der Mechanisierung der Zuckerrübe postuliert Jan Wittenberg, Bioackerbauer in dem von ihm moderierten Arbeitskreis auf der AbL-Bundesmitgliederversammlung. Stück für Stück ist den Bauern und Bäuerinnen alles aus der Hand genommen worden, von der Aussaat bis zur Ernte und Anlieferung an der Fabrik. Zudem müssen sie zulassen, dass extrem schwere Maschinen - bei in der Ernte oft auch noch ungünstigen Wetterbedingungen - ihren Boden verdichten. Und schließlich bleibt, vielleicht der bauernfeindlichste Aspekt überhaupt, den Bauern und Bäuerinnen als Arbeit mit der Zuckerrübe nur noch die von der Gesellschaft am wenigsten tolerierte landwirtschaftliche Tätigkeit des Spritzens. In Zeiten der Quote tröstete vielleicht noch der Blick auf das Konto über den Verlust von Selbstbestimmung hinweg, das ist inzwischen auch vorbei.

Gut für alle

Ein zukunftsfähiger Ackerbau sei gut für Umwelt und Bauern, so Wittenbergs These. Für die Bauern, weil er über Vielfalt Risiken minimiert, Arbeitsspitzen bricht und gesellschaftlich anerkannt wird. So kommt eine neue Diskussion zu der inzwischen allerorten geführten Debatte um ackerbauliche Schwierigkeiten: Resistenzen, Krankheiten, und wie man sie löst. Ebenso kommt eine neue Diskussion um Glyphosat, welches inzwischen auch gesellschaftliche Achtung erfährt, weil es für ein industrialisiertes Ackerbaumodell steht. "Eigentlich weiß jeder mit gesundem Menschenverstand, dass Ackerbau und industrielle Logik nicht zusammenpassen", sagt AbL-Ackerbauer Franz-Joachim Bienstein. Trotzdem dominierten die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erstellten einfachen Fruchtfolgen nicht nur bei ihm in Mecklenburg-Vorpommern. Infolge von Halmverkürzungsmitteln und damit möglich gemachten hohen Gaben von Stickstoff entstehen enge Bestände, die wiederum Pilzkrankheiten fördern. Krankheitserreger und Schädlinge überdauern die wenig wechselnden Wirte in Boden und Mulch, Unkraut passt sich ebenfalls an. Am Ende können immer seltener Höchsterträge gedroschen werden und der Aufwand für chemischen Pflanzenschutz steigt immens. Alternativen werden erst gar nicht mehr ausprobiert; Wissen darüber, wie Ackerbau auch gehen könnte, verschwindet. Der chemische Pflanzenschutz, speziell Glyphosat, macht nicht wendende Bodenbearbeitungsverfahren einfach. Die sparen Geld und ermöglichen eine Legitimation des Totalherbizids als Erosionsminderungsmaßnahme. In engen, zwischenfruchtlosen Fruchtwechseln ist eine Bodenbedeckung aus glyphosatbehandeltem Nachernteauflauf eine erosionsmindernde Maßnahme, nachhaltig ist das aber langfristig nicht. Eine Lebendverbauung durch Wurzelmasse eines durch unterschiedliche Pflanzen fast rund ums Jahr bewachsenen Ackers ist erosionsmindernder. Und für den Humusaufbau ist die Einarbeitung der organischen Substanz nicht nur in die alleroberste Bodenschicht von Vorteil. Es gibt also - wie fast immer - nicht die eine Lösung, sondern einen Mix aus Maßnahmen, zu denen auch Pestizide gehören können, nicht müssen, diese sollten aber nur Notfall- und nicht Standardmaßnahme sein. Auch Glyphosat könnte eine Zukunft haben. "Man hätte ja beispielsweise den Einsatz nur alle fünf Jahre auf der gleichen Fläche zulassen können", schlägt Bienstein vor, dann wäre es tatsächlich nur Notfallinstrument gewesen. Inzwischen ist die Diskussion wahrscheinlich müßig. Österreich hat ein nationales Verbot bereits angeschoben, Frankreich ein Ausstiegsszenario erarbeitet, bei dem es auch um eine grundsätzliche Reduktion des Pestizideinsatzes geht. Und bei uns? Bei uns ist es wichtig, jetzt nicht vornehmlich nach alternativen chemischen Mitteln zu suchen, weil sich dann doch wiederum die Experten durchsetzen, die mit dem Argument der Erosionsminderung für enge Fruchtfolgen votieren.

Viele Wege

Weitere Fruchtfolgen unter Berücksichtigung auch nicht nur auf den ersten Blick wirtschaftlich interessanter Glieder wie Leguminosen müssen über die Agrarpolitik gefördert werden, war sich der Arbeitskreis auf der Mitgliederversammlung einig. Es gehe darum zu gucken, was auf den jeweiligen Betrieb passe, macht Jan Wittenberg deutlich, arbeitswirtschaftlich wie auch interessenhalber und standortspezifisch. Eine Rückbesinnung auf die alte Lehre vom Wechsel zwischen Blatt- und Halmfrucht, zwischen Winterung und Sommerung und auf die Tatsache, dass man sich eben schon am Anfang der Kultur damit befassen müsse, gute Entwicklungsbedingungen herzustellen, damit nicht am Ende immer nur chemisch repariert werden müsse. Der Ökolandbau macht es vor: Weniger gedüngte Bestände sind weniger krankheitsanfällig, Unkraut wird schon mechanisch bekämpft, bevor man es sieht, angestrebt wird ein ganzjähriger Bewuchs des Bodens, um Nährstoffe und Boden zu halten und Humus aufzubauen. Das geht alles auch wieder konventionell, vor allem, wenn durch andere Vermarktungswege bessere Preise für die Ackerfrüchte erzielt werden können. Und natürlich muss nicht alles von heute auf morgen passieren, Beispiele gibt es inzwischen genug, seien es die Ackerbauern von der Nordsee, die aufgrund der Ackerfuchsschwanzproblematik Ackerbohnen in die Fruchtfolge aufnehmen und versuchen, sich eine entsprechende Vermarktung dafür aufzubauen. Oder sei es der Schleswig-Holsteiner, der mit Raps-Weizen-Weizen keine Höchsterträge mehr erzielt, weil er einen hohen Krankheitsdruck hat. Er nimmt Hafer, Gerste, vielleicht eine Leguminose und Zwischenfrüchte in die Fruchtfolge, lässt zumindest das Glyphosat auf Stoppeln weg und grubbert - und leiht sich vom Bionachbarn mal den Striegel für nach der Aussaat aus. Viele Wege führen nach Rom. "Wir müssen wieder Vielfalt üben", sagt Jan Wittenberg, "aber dann wird der Ackerbau auch wieder interessanter."

Nicht langweilig

Die Gesellschaft will aber mehr, und auch Bäuerinnen und Bauern sollten mehr wollen. Die positiven Wirkungen von Randstrukturen auf die Biodiversität sind in unterschiedlichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Auch hier muss die zukünftige EU-Agrarpolitik fördern, wenn Bauern und Bäuerinnen Schläge teilen oder Blühstreifen einrichten. Dort können dann auch mal die Maschinen kleiner bleiben und den Boden weniger belasten. Sogar die Arbeitsqualität erführe - vielleicht nicht für alle, aber für einige - eine Verbesserung. Matthias Frieß-Herbst, Bauer aus Hessen, sagt lächelnd: "Auf kleinen Schlägen wird's mir nicht langweilig."

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 417 - Januar 2018, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 32,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2018

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